Georg Restle zu Feindeslisten„Die Haltung, die dahinter steht, verachte ich zutiefst“

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Restle Monitor

Georg Restle, Chef des Politmagazins „Monitor“

Köln – Angst habe er kaum empfunden, als er die Morddrohung in seinem E-Mail Postfach las, sagt Georg Restle. „Es war vor allem Wut. Weil mir in dem Moment klar wurde, dass die ganzen Kampagnen zum Beispiel von Vertretern der AfD gegen Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus oder äußern oder engagieren, in so etwas münden: Man findet sich auf Todeslisten wieder.“

Restle sagt, für ihn gebe es keinen kritischen Journalismus ohne Haltung zu dem Gegenstand der Recherche. Schließlich berichte man über Geschehnisse, die man als Fehlentwicklung ansehe – allein diese Einschätzung sei eine Haltung.

Georg Restle, 55 Jahre alt, Chef und Moderator des ARD-Politmagazins „Monitor“, zeigt seine Haltung: Bei Monitor, in Kommentaren bei den Tagesthemen, auf Twitter. Das gefällt nicht jedem Zuschauer, doch Restle scheint das eher zu bestärken. Er streitet für seine Ideen, sagt er. Und er streitet gegen die AfD, die für ihn eine Gefahr der Pressefreiheit, Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit darstellt. „Das Fundament der Grundwerte unserer Verfassung ermöglicht mir meine Arbeit“, sagt Restle. „Dafür streite ich mit Leidenschaft. Ich bin zutiefst davon überzeugt, in dem Sinne das Richtige zu tun.“

Morddrohung nach AfD-Kommentar

Am 11. Juli 2019 bezeichnet Restle in einem Tagesthemen-Kommentar die AfD als „parlamentarischer Arm“ rechtsextremer Bewegungen in Deutschland. Acht Tage später bekommt er eine Mail eines rechtsextremen Netzwerks: Restle stünde auf ihrer Feindesliste. „Ich kann mich nur noch grob an die Mail erinnern“, sagt Restle. „Da stand Sieg Heil und eine klare Ansage, dass man mich und alle anderen auf ihrer Liste umbringen sollte.“

Der WDR erstattete Strafanzeige, kurz darauf rief das Landeskriminalamt bei dem Moderator an. Sie könnten regelmäßig eine Polizeistreife vor seinem Haus vorbeischicken, boten die Beamten an. “Das brauche ich nicht”, habe Restle gesagt. Lieber wäre es ihm, dass die Täter ermittelt werden, um die Gefahr zu beseitigen.

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Tatsächlich verhafteten die Behörden einen Mann, der im Verdacht steht, E-Mails mit derselben Signatur wie bei Georg Restle verschickt zu haben. Ob der Mann auch die Mail an ihn schickte, erfuhr Restle nie. „Bei fast allen Angriffen, die kamen, bei fast allen ernstzunehmenden Bedrohungen, sind die Ermittlungen eingestellt worden. Ich hatte nie den Eindruck, dass es bei den Kölner Ermittlungsbehörden ein besonderes Interesse gibt, dem nachzugehen.“

Als investigativ arbeitender Journalist bekomme man häufiger wütende Mails. „Das gehört bei diesem Beruf dazu“, sagt Restle. Auf Feindeslisten zu stehen, die weitere, bislang unbeteiligte Menschen zu Gewalttaten motivieren können, sei jedoch etwas ganz anderes.

Ausstellung in Köln

Das Projekt „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“ ist eine Kooperation von elf Regionalmedien, darunter der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Zusammenarbeit mit dem „Weißen Ring e.V.“, unter der Leitung des gemeinnützigen Recherchezentrums „Correctiv“.

Das Herzstück des Projekts sind die Porträts von 57 Menschen, die auf sogenannten „Feindeslisten“ von Neonazis und Rechtsextremisten stehen oder standen. Sie werden in einer Wanderausstellung gezeigt, die vom heutigen Dienstag, 20. Juli, bis zum Freitag, 23. Juli, täglich von 11 bis 18 Uhr auf dem Kölner Ebertplatz zu sehen ist.

Außerdem erscheint am 29. Juli ein gleichnamiges Buch. Auch daran hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgearbeitet. Es enthält neben den Porträts auch Recherchen zum Ausmaß und zur Komplexität des rechten Terrors in der Bundesrepublik.

Geprägt durch christliche Erziehung

Restles Name tauchte in den Monaten und Jahren danach auf weiteren Feindeslisten auf, unter anderem auf „Nürnberg 2.0“. Mal erfuhr er davon per Mail, mal aus den Medien oder über Sicherheitsbehörden. Zwei bis drei der Listen seien ernstzunehmend, sagt Restle. Seitdem tritt er nur noch mit Sicherheitsvorkehrung bei öffentlichen Veranstaltungen auf, von Demonstrationen mit gewaltbereiten Rechtsextremisten hält er sich ganz fern. „In meiner journalistischen Arbeit hat mich das aber überhaupt nicht beeinflusst. Wir machen beim Monitor unseren Job genau so weiter wie vorher.“

Restle wuchs als Sohn einer katholischen Religionslehrerin in einer kleinen schwäbischen Stadt auf, nur wenige Kilometer von Stuttgart entfernt. Die christliche Erziehung seiner Eltern, sagt er, beeinflusst ihn bis heute: Die Ideen des Samaritertums, der Nächstenliebe und auch die der Feindesliebe. „Das mit der Feindesliebe wird dann natürlich schwierig, wenn dich jemand auf eine Liste setzt und dir sagt, dass er dich umbringen will.“

Die Menschen, die ihn bedrohen, kenne er nicht. Sie zeigen kein Gesicht, verstecken sich in der Anonymität. „Ich kann sowieso niemanden verachten, den ich nicht kenne“, sagt Restle. „Doch die Haltung, die dahinter steht – die Bereitschaft, Menschen Schaden zuzufügen, weil sie deren Meinung nicht teilen – verachte ich zutiefst.“

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