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German Design GraduatesDas Ende der Zukunft ist nah

3 min
Eine Frau pumpt Wasser in einen Lamellenvorhang.

Der Lamellenvorhang „How to Stay Cool“ von Zixuan Zhou ist derzeit im Kölner Museum für Angewandte Kunst zu sehen.

Junge Designer stellen im Kölner Museum für Angewandte Kunst ihre Entwürfe vor - von kühlenden Vorhängen bis zu Stehpinkelhosen für Frauen. 

Braucht es Wagemut, Dinge zu entwerfen, die das Leben schöner machen oder erleichtern? Offenbar schon, denn die Leistungsschau deutscher Hochschulen für Gestaltung, die German Design Graduates, stehen unter dem Motto „Dare to Design“. Angesichts multipler Weltkrisen kann einem als junger Designer wohl der Mut verlassen – als suche man auf einem sinkenden Schiff nach Lösungen für quietschende Türen.

Aber vielleicht lässt sich die Erde auch mit einer Vielzahl kleiner Erfindungen retten. 45 davon sind jetzt im Kölner Museum für Angewandte Kunst zu sehen, der diesjährigen Station der 2022 ins Leben gerufenen Design Graduates. So hat Paula Holzhauser von der Kunsthochschule Halle (Burg Giebichenstein) einen Weg gefunden, wie sich die in der Textilindustrie offenbar in Massen anfallenden Garnreste im großen Stil recyceln lassen. Sie verzwirnt die Stoffreste miteinander, aus denen „zufällige“, aber industriell verwertbare Farbmuster entstehen.

Müllvermeidung und Recycling stehen weit oben auf der Agenda der German Design Graduates

Auch Marvin Kasper (Halle) denkt im Maßstab industrieller Fertigung. Sein modularer Stuhl „Take a Seat“ ist nach dem Ikea-Prinzip aus möglichst wenigen Einzelteilen aufgebaut, lässt sich leicht montieren, leicht wieder auseinandernehmen und neu zusammensetzen. Gedacht ist der Stuhl für die Gastronomie und soll Teil einer Kreislaufwirtschaft sein. Fürs Eigenheim ist hingegen Zixuan Zhous (Stuttgart) kühlender Lamellenvorhang „How to Stay Cool?“ gedacht. Von Hand wird Wasser in die Lamellen gepumpt, die durchströmende Luft abkühlen, ohne diese zu befeuchten; geschlossen funktioniert der Vorhang wie eine Jalousie.

Müllvermeidung, Recycling, Anpassen an den Klimawandel – solche Themen stehen weit oben auf der Agenda der Design Graduates. Michel Schneider und Luca Schreiber (Weimar) wollen den Ausschuss in der Porzellanindustrie verringern und produzieren bewusst fehlerhafte Teeservices – aus Bruchware wird scheinbar Einzigartiges. Duowen Ji (Darmstadt) nimmt sich der lückenhaften Infrastruktur für Ladesäulen an. Nicht der Autofahrer sucht nach einer Stromquelle, sondern die Stromquelle rollt in Form des Lieferroboters „pod“ selbstständig an das geparkte E-Fahrzeug heran. Nächster Halt: autogerechtes Schlaraffenland.

Natürlich gibt es auch Entwürfe, die nicht aufs große Ganze der Krisenbewältigung zielen, sondern dem Nutzer Erleichterung im Kleinen verschaffen sollen. Bei Lilly Krämers (Berlin) Jeanshose für Frauen sitzt der Reißverschluss nicht auf dem Hosenlatz wie bei den Männern, sondern im Schritt. So können auch Damen in den praktischen Genuss des Im-Stehen-Pinkelns kommen. „Wenn ich muss, dann muss ich halt“, lautet der sinnige Produktname. Ein passender Pinkelpott für Mädchen soll den weiblichen Nachwuchs frühzeitig an die „männliche“ Toilettenhaltung gewöhnen.

Auch bei Maren Hinze (Hamburg) fällt eine Männerdomäne: das Grillen. Sie hat mit der „BBQ-Street“ eine 15 Meter lange „Kochskulptur“ entworfen, die zum gemeinsamen Kochen, Grillen, Essen und Teilen über glühender Kohle einlädt. Eher in die Richtung „l’art pour l‘art“ geht Sarah Kinzers (Essen) Spielplatz für Erwachsene, die dringend eine Pause vom Konzept der Nützlichkeit (oder der Weltrettung) benötigen. Die Spielgeräte sind bewusst dysfunktional gehalten, um die Fantasie ihrer frustrierten Benutzer anzuregen. Vielleicht ist eine Wippe, die nicht wippt, einfach nur überflüssig. Aber ein mutiger Schritt in Richtung Untergang ist Kinzers zweckfreier Spielplatz allemal.


„German Design Graduates 2025: Dare to Design – Spaces of Care“, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule 7, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 12. Oktober 2025