Am 15. August 1248, also vor 777 Jahren, wurde der Grundstein für den Kölner Dom gelegt. Wie es dazu kam, ist eine besondere Geschichte.
Halb Heldensage, halb KriegsverbrechenVor 777 Jahren begann der Bau des Kölner Doms

Der Kölner Dom (Hohe Domkirche St. Petrus) wird 777 Jahre alt.
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Man kann die Gründungsgeschichte des Kölner Doms auf drei Weisen erzählen: als göttliche Baustellen-Komödie, als Heldensage einer Stadt oder als Besiegelung eines Kriegsverbrechens. Der Autor der berühmten Koelhoffschen Chronik fügte ihr 1499 noch eine vierte Variante hinzu: das Märchen vom weisen Erzbischof. Im Jahr 1248 sei Konrad von Hochstaden so „reich an Gold, Silber und Edelsteinen“ gewesen, dass er anfangen konnte, „große Werke zu tun“ – etwa den Bau des ewigen Doms.
An dieser Schilderung stimmt, dass der Erzbischof am 15. August 1248, also auf den heiligen Tag genau vor 777 Jahren, den Grundstein für den Neubau der Kölner Kathedrale legte. Ansonsten hatte er allenfalls mit dem geistigen Überbau des gotischen Doms zu tun. Insbesondere fehlte es Konrad wohl an den ihm zugeschriebenen Reichtümern; zeitweilig stand der Kölner Kirchenfürst bei italienischen Geldverleihern dermaßen in der Kreide, dass ihn der Papst mit einem Kirchenbann belegte.
Tatsächlich war nicht der Erzbischof der Dombauherr, sondern das für den Geschäftsbetrieb der Bischofskirche zuständige Kölner Domkapitel. Es setzte sich aus Abkömmlingen adliger Familien zusammen, agierte weitgehend aus eigenem Antrieb und durfte sich als Hüter eines der größten Schätze des Mittelalters fühlen: die Gebeine der Heiligen Drei Könige. Aus den kostbaren Reliquien bezog das Domkapitel seine Macht und einen nicht geringen Teil seines Einkommens; seine Mitglieder waren das Fremdenverkehrsamt für die nie versiegenden Pilgerströme.
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Der alte Dom erschien neben den gotischen Kirchen plump
Aus diesem Privileg erwuchsen dem Domkapitel allerdings auch Pflichten, etwa für eine angemessene Unterbringung der Heiligen zu sorgen. Daran haperte es. Der alte karolingische Dom erschien neben den gotischen Kirchen, die in Frankreich seit einigen Jahrzehnten aus dem Boden wuchsen, kümmerlich und plump – zumal der gotische Stil auch in Köln bei kleineren Kirchenanbauten bereits Einzug gehalten hatte. In den Jahren 1246/47 rang sich das Domkapitel dazu durch, einen Neubau zulasten der eigenen Pfründe anzugehen. Den Großteil der horrenden Baukosten sollten jedoch die Kölner Bürger durch Spenden tragen.
Bevor wir zur städtischen Heldengeschichte kommen, wollen wir der göttlichen Komödie zu ihrem Recht verhelfen. Sie begann im April 1248, als die Finanzierung des neuen Dombaus gesichert schien. Der neue Dom sollte am Ort des alten entstehen, weshalb letzterer teilweise abgebrochen werden musste, um Platz für die Baustelle zu schaffen; gleichzeitig wurde der alte Dom noch Jahrzehnte gebraucht. Es war also höchste Vorsicht geboten – oder ein stattliches Maß an Gottvertrauen.
Laut den Schilderungen eines Kölner Mönches fehlte es bei den Abrissarbeiten an ersterem. Zunächst höhlten die Bauarbeiter die Mauern des östlichen Kirchenbaus aus, dann zündeten sie die stützenden Holzbalken an; so sollten die geschwächten Wände zeit- und kräfteschonend in sich zusammenfallen. Dabei bekam das Feuer jedoch „zu viel Nahrung“, wie der Mönch in seiner Chronik beklagte, und verzehrte, angefacht durch aufkommenden Wind, „jene edle, wenn auch alte Kirche vollständig bis auf die nackten Mauern“.

Der Schrein der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom
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Auf Gott war hingegen Verlass. Er hatte offenbar dafür gesorgt, dass der Schrein der Heiligen Drei Könige vor Beginn der Abrissarbeiten „von seinem Platz in der Mitte zum Eingang geschafft worden war“, sodass er zwar „mit großer Mühe“, aber unbeschädigt gerettet werden konnte. Beinahe wäre die Dreikönigskirche obsolet geworden, bevor sie überhaupt begonnen wurde. Ob der Neubau ohne die heiligen Bewohner ähnlich prächtig ausgefallen wäre? Immerhin ging der Abriss nun rascher voran als geplant. Die westliche Hälfte des alten Doms wurde notdürftig renoviert und bis 1319 als Interim genutzt.
Anders als lange verbreitet wurde, waren die gotischen Kathedralen keine Prestigebauten der Erzbischöfe, sondern gesamtgesellschaftliche Anstrengungen. Ohne die Spendenbereitschaft der reichen Kölner Bürger wäre der Dombau kaum vorangekommen. Allerdings gaben diese „Patrizier“ nicht ohne eigennützige Gedanken. Sie kämpften gegen die Vorherrschaft des Erzbischofs und dürften im Dombau eine Gelegenheit gesehen haben, ihren eigenen Machtanspruch zu untermauern. Wer zahlt, bestimmt, das sollte tendenziell auch für die Kathedrale gelten. In einer Handels- und Pilgerstadt wie Köln war es ohnehin schwierig, zwischen politischen, wirtschaftlichen und klerikalen Interessen zu unterscheiden.
Am Ansehen, das eine gotische Kathedrale mit sich brachte, wollten alle Kölner teilhaben, wenn auch nicht alle dafür bezahlen mochten; mitunter war mehr oder weniger subtiler Gruppendruck gefragt, um den nötigen Gemeinsinn zu erzeugen. Letztlich war man sich aber wohl darüber einig, dass die mit Abstand größte Stadt des deutschen Reiches nicht im Schatten von Kirchenbauten anderer Bischofsstädte stehen dürfe. Auch eine theologische Mitgift gehörte dazu. Ob der Dom jedoch zur Reichskirche werden sollte, mit den Dreikönigsgebeinen als Reichsheiligtümern, darf man schon angesichts der Italienfixierung der deutschen Kaiser bezweifeln. Verlockend ist der Gedanke immerhin: Köln wäre dadurch zum Rom des Nordens aufgestiegen.
Die Neigung deutscher Kaiser, Italien zu unterwerfen, brachte die Heiligen Drei Könige überhaupt erst nach Köln. Der geistliche Grundstein für die Dreikönigskirche wurde daher auch schon am 1. März 1162 gelegt. An diesem Tag kapitulierte die freie Stadt Mailand vor der Belagerung Friedrich Barbarossas und seines Reichskanzlers Rainald von Dassel – im Nebenberuf Erzbischof von Köln. Als Beute brachte Rainald 1164 unter anderem die Dreikönigsknochen heim, über die es in Mailand vor diesem Kölner Schicksalsjahr allerdings keine Aufzeichnungen gab. Es ist also möglich, dass Rainald in Mailand einem Betrug aufsaß oder selbst einen ebensolchen ausheckte.
Selbst nach mittelalterlichen Maßstäben war Rainald von Dassel ein Kriegsverbrecher
Aber hier soll es nicht um die müßige Frage gehen, ob die im Dreikönigsschrein aufbewahrten Gebeine „echt“ sind – dass an ihre Echtheit geglaubt wurde, war dem Mittelalter genug, und den Bildungstouristen von heute ist es egal. Wichtiger sind die Umstände, unter denen sie nach Köln gelangten. Für diese braucht man nicht einmal moderne Maßstäbe anlegen, um zu erkennen, dass sie Kriegsverbrechen waren. Bereits 1162 wurden die Brutalität der Belagerung sowie die anschließenden Plünderungen und Zerstörungen beklagt, wenn auch nur von den überlebenden Mailändern.
Abgeschlagene Gliedmaße, ausgestochene Augen, eine künstlich erzeugte Hungersnot – das Klischee des grausamen Mittelalters erfüllten Friedrich Barbarossa und sein Kölner Reichskanzler damals mit Leben. In Köln hielt sich das Mitleid mit den gemeuchelten christlichen Brüdern in Grenzen. Als der siegreiche Rainald mit seinen blutigen Schätzen heimkehrte, wurde ihm ein triumphaler Empfang zuteil.
Aber für diese Kriegsgräuel kann die gotische Kathedrale nichts – ebenso wenig wie ihr Architekt, der erste Dombaumeister Gerhard, über den wir leider so gut wie gar nichts wissen. Er hatte offenbar den Ehrgeiz, dem gotischen Stil seine Reingestalt zu verleihen, was ihm und seinen zahlreichen Nachfolgern auch gelang, wenn man nicht gerade französische Kunsthistoriker fragt, die den Kölner Dom gerne etwas pedantisch, wenn nicht sogar preußisch finden.
Solche Nebensächlichkeiten brauchen uns an diesem krummen Jubiläum nicht weiter zu beschäftigen. Der Dom steckt schließlich voller Schönheit und faszinierender Geheimnisse. Selbst den vor 777 Jahren gelegten Grundstein hat man bis heute nicht gefunden. Dabei wurde alles versucht: von modernster Technik bis zur Wünschelrute. So bleiben wenigstens Aufgaben für die kommenden 223 Jahre.