Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Hans-Peter FeldmannWie man der Kunst die Clownsnase aufsetzt

5 min
Blumentöpfe kleben an einer Wand.

Das Werk „Blumentöpfe“ (2009) ist in der Ausstellung „Hans-Peter Feldmann. Kunstausstellung“ im Düsseldorfer Museum Kunstpalast zu sehen.  +++

Der Düsseldorfer Kunstpalast feiert den verstorbenen Konzeptkünstler Hans-Peter Feldmann als fröhlichen Provokateur.

Als Marcel Duchamp 1919 einer Kopie der damals schon weltberühmten Mona Lisa einen Schnurrbart malte, war das mehr als ein volkstümlicher Scherz, aber weniger als die Schändung eines Heiligtums. Duchamp wollte einfach zeigen, dass die Zeit reif war für neue Kunst. Bald darauf verkaufte er Luft in einem Glas und veredelte ein Pissoir mit Initialen zum Ausstellungsstück. Selbst wenn er mit dieser Inflationierung des Kunstbegriffs die Museen, wie man heute sagen würde, mit Scheiße fluten wollte, bewies er doch nur, dass diese altehrwürdige Institution nicht tot zu kriegen ist, weil sie sich an allem, was in ihr geschieht, verjüngt – außer vielleicht der echten Lisa einen Schnurrbart anzumalen.

Als Hans-Peter Feldmann viele Jahre später einigen Menschen auf alten Gemälden Clownsnasen malte, wusste er natürlich, dass er es damit bestenfalls zu einem rheinländisch-frohsinnigen Duchamp bringen würde. Aber das machte ihm wohl schon deswegen nichts aus, weil er seinem Vorgänger zu unendlichem Dank verpflichtet war. Nach Duchamp konnte alles zum Museumsobjekt werden, also auch die Obsessionen des Düsseldorfer Künstlers. Während andere Männer ihre Bildersammlungen ausgeschnittener weiblicher Körperteile verschämt in der Schublade vergruben, stellte Feldmann seine Bein-, Knie- und Sonstiges-Collagen fröhlich in Galerien, Museen und Künstlerbüchern zur Schau.

Feldmann starb während der Vorbereitungen der Ausstellung

Einige banale Kostbarkeiten dieser Sammellust sind jetzt auch in der Feldmann-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast zu sehen. Geplant wurde sie noch zu Lebzeiten und unter Zutun des 2023 verstorbenen Künstlers, vollendet jedoch erst posthum. Das ist deswegen bemerkenswert, weil Feldmann immer sein eigener Kurator gewesen ist, wie auch Felicity Korn vom Kunstpalast freimütig zugibt. Wäre es nach ihm gegangen, so Korn, hätte er die Ausstellung in der zufälligen Reihenfolge platziert, in der die Leihgaben aus den Transportkisten gepurzelt wären. Stattdessen ist es jetzt eine chronologische Hängung geworden. Das ist so konventionell und langweilig, dass es schon wieder zu Feldmann passt. Er tat zu Lebzeiten am liebsten das, was man am wenigsten von einem seriösen Künstler erwarten würde. Und überrascht uns jetzt damit, dass er im Tod selbst seriös geworden zu sein scheint.

Ansonsten präpariert Korn sehr schön heraus, wie Feldmann auf die zentrale Duchamp’sche Denksportaufgabe reagierte: Wenn alles Kunst sein kann, wer oder was entscheidet dann darüber, was ins Museum kommt statt auf den Speicher? Die Porträts mit den nachträglich angemalten roten Nasen sind echte, aber wertlose Ölschinken unbekannter Meister, die Feldmann erst aufkaufte und dann durch die Hintertür der Konzeptkunst ins Museum schleuste. Auf dem Flohmarkt sammelte er gegen kleines Geld Seestücke ein, auf denen er die Schiffe übermalte und nur noch Wellen übrigließ. In Düsseldorf füllen diese manipulierten Gemälde eine ganze Wand – als Hintergründe, denen das Wesentliche fehlt. Auf die Spitze trieb Feldmann diese Idee mit leeren Lichtprojektionen, die scheinbar an Bilderhaken hängen.

Drei gemalte ernst Kinder haben rote Clownsnasen aufgesetzt bekommen.

Hans-Peter Feldmann, Familie mit roten Nasen, 2015

Mit dieser krönenden Bilderfolge hatte Feldmann sogar Duchamp überflügelt; der brauchte noch Dinge, um sie zu Kunst zu erklären, ihm genügte das schiere Nichts. Ansonsten war Feldmann kein Freund der Leerstelle. Seine Leidenschaft galt der Überfülle banaler Dinge und ebenso banaler Gebrauchsfotografien, die er, wie seine „Brotscheiben“, zu pathetischer Größe aufblies, in Bücher druckte oder als wundersames Sammelsurium in Vitrinen darbot; zwischendurch verdiente er sich mit einem Versandhandel für historische Fingerhüte etwas dazu.

Das erstaunlich nahrhafte Graubrot seiner eigenen Kunst waren die Streiche, die Feldmann dem Publikum und der Kunstwelt spielte. So parkt vor dem Kunstpalast ein Auto auf dem Dach, eine bunt angemalte Nofretete-Büste schielt, zwei weiße Telefone sind mit einer einzigen Schnur verbunden, wie bei einem Bechertelefon; er sammelte Fotografien von Autoradios, „die gerade gute Musik spielen“, und für seine „Ästhetischen Studien“ arrangierte er Bleistifte, Schwämme oder Würfel zu peniblen Haushaltsskulpturen. Meistens bleiben die Späße verträglich. Selten geht Feldmann an die Schmerzgrenzen des Empfindens, etwa wenn er in seiner „Mütter“-Serie Schneiderpuppenköpfen modische Frisuren aus Rasierklingen oder Scheren verpasst.

Das Graubrot von Feldmanns Kunst waren seine Streiche

Feldmann war vor allem ein Chronist eigener Leidenschaften, was ihn aber nicht davon abhielt, sich auch als vergleichender Kulturhistoriker zu betätigen. In Düsseldorf füllen Zeitungstitel vom 12. September 2001 eine ganze Wand mit den Schlagzeilen zu den Terroranschlägen vom Tag zuvor. „Wenn ich mir einen Titel geben wollte“, sagte er einmal, „dann den des Bilderguckers. Ob ich die Bilder mache oder finde, ist eigentlich egal, Hauptsache ich habe etwas in der Hand zum Angucken. Wenn ich Sachen nicht finden kann, dann mache ich sie selbst.“

Diese lässige Haltung versucht Felicity Korn zumindest ansatzweise in ihre Inszenierung zu übertragen. Man findet Bücher, die an Schnüren hängen, ein scheinbar vergessenes Fahrrad, eine Spielzeugeisenbahn, die Kreise auf einem Teppich zieht, und ein auf den grauen Museumsboden gemaltes Himmel-und-Hölle-Hüpfspiel. So recht will der Funke des Düsseldorfer Gemütsgenies aber nicht überspringen; dafür ist die Ausstellung einfach zu aufgeräumt. Am besten passt der kuratorische Ordnungssinn zu Feldmanns Fotoprojekt „100 Jahre“, das reihum in Augenhöhe einen eigenen Saal für sich reklamiert.

Für dieses in Schwarzweiß aufgenommene Meisterwerk porträtierte Feldmann 101 Personen aus seinem Leben, wobei jede von ihnen einen Jahrgang vertritt – mit einem Neugeborenen fängt es an und endet mit einer Hundertjährigen. Das Publikum darf sich hier ganz unironisch angesprochen fühlen, jeder kann an dieser Bildergalerie wie an einem „idealen“ Menschenleben entlang flanieren oder zielsicher seinen eigenen Platz in diesem suchen. Von Feldmann, Jahrgang 1941, ist kein Porträt dabei. Er lebt in der Gesamtheit seiner schrägen Ideen weiter.


„Hans-Peter Feldmann: Kunstausstellung“, Kunstpalast, Düsseldorf, Di.-So. 11-18 Uhr, Do. 11-21 Uhr, bis 11. Januar 2026. Der Katalog ist bei Walther und Franz König erschienen und kostet 38 Euro.