Frank Thelen bei „Hart aber fair“„Der Kassenbon löst eine Depression aus“

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Frank Thelen bei „Hart aber fair“

  • „Hier Bonpflicht, da Krötenschutz: Alles geregelt, aber nichts geht mehr?“ fragte Susan Link am Montagabend in Vertretung des erkrankten Frank Plasberg.
  • Zu Gast waren Edmund Stoiber (CSU), Frank Thelen (Start-up-Investor), Alicia Anker („extra3“), Stephan Grünewald (Psychologe), Werner Jann (Politologe) und Richard Raskin (Biologe).

„Hier Bonpflicht, da Krötenschutz: Alles geregelt, aber nichts geht mehr?“ Oder anders gefragt: Ist Deutschland in der Bürokratiehölle gestrandet? In „Hart aber fair“ diskutierte eine illustre Runde an Gesprächspartnern über Notwendigkeit und Absurdität mit der Moderatorin Susanne Link, die nun schon in der zweiten Woche den erkrankten Frank Plasberg vertrat.

Zentrale Frage am Montagabend: Verhindern zu viele Vorschriften den Fortschritt? Was zunächst sperrig anmutete, entwickelte sich zu einer angeregten Diskussion anhand der Beispiele Bonpflicht, Steuerbetrug und Baumaßnahmen.  Durch kontroverse Meinungen und philosophische Ansichten manövrierte die Moderatorin souverän durch die Sendung und schaffte es sogar, den einzigen Politiker in der Runde, den ehemaligen Bayerischen Ministerpräsident Edmund Stoiber, sympathisch in die Schranken zu weisen.

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Die Runde bei „Hart aber fair“

Die Gäste

Edmund Stoiber, CSU-Ehrenvorsitzender, ehemaliger Bayerischer Ministerpräsident und Kanzlerkandidat, war in seiner einstigen Funktion als EU-Beauftragter für Entbürokratisierung Gesprächspartner der Runde.

Alles zum Thema Hart aber fair

Stephan Grünewald, Diplom Psychologe, Gesellschaftsanalytiker und Mitbegründer des renommierten Meinungsforschungsinstituts Kölner Rheingold, führt jedes Jahr mehr als 5000 Tiefeninterviews zu aktuellen Fragen aus Markt, Medien und Gesellschaft durch.

Frank Thelen, Unternehmer, Autor, Start-up-Investor, gründete im Jahr 1994 mit 18 Jahren sein erstes Unternehmen Softer Solutions. Seine These: Bürokratie ist eine der größten Hürden für Innovation in Deutschland. Als Juror und Investor in der Sendung „Die Höhle der Löwen“ wurde er dem breiten Publikum bekannt.

Alicia Anker, Journalistin, Redakteurin des NDR-Satire-Magazins „extra3“, stellt sich oft die Frage: Wo bleibt der gesunde Menschenverstand in unseren Ämtern?

Werner Jann, emeritierter Seniorprofessor für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universität Potsdam, ist das ewige Schimpfen auf die Bürokratie leid.

Richard Raskin, Biologe, Umweltberater, begleitet Staat und Unternehmen während langwieriger Genehmigungsprozessen. Als Experte für Artenschutz berät er etwa bei der Umsiedlung von Kröten. 

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Bons ausschließlich für den Mülleimer?

Susan Link wollte wissen: Ist die neue Bonpflicht reine Papierverschwendung oder eine dringende Notwendigkeit, um den Steuerbetrug zu unterbinden? Als puren Müll erachtet den Bon Journalistin Alicia Anker. Als dringlich dagegen erachtet Edmund Stoiber die Einführung der Bonpflicht, aber nur in einer Hinsicht: „Wir haben ein Problem zu lösen und das heißt: Steuerhinterziehung.“ Prof. Werner Jann pflichtete ihm bei: „Weil der Einzelhandel es nicht geschafft, führten wir die Bonpflicht ein.“ Seine Zahlen aus dem europäischen Ausland: „Seit der Einführung nimmt Österreich 670 Millionen Euro mehr ein pro Jahr. Dem deutschen Staat entgingen bisher jährlich zehn Milliarden Euro an Steuereinnahmen.“

Unternehmer Thelen kritisierte scharf: „Wir bekommen noch nicht mal ein 5G-Netzt hin, aber drucken jetzt Bons auf Papier. Der Bon löst eine Depression aus.“ Stephan Grünewald beschreibt die Gefühlslage der Deutschen an der Bäckereikasse: „Warum regt das die Menschen so auf?“ Erklärung: „Die Menschen fühlen sich ausgebremst, wenn unser Leben so durchreglementiert wird, sie fühlen sich wie ausgebremst mit so einem Zettel.“

Braucht es all diese Gesetze?

Grünewald: „Gesetze sind wichtig, sonst herrscht Willkür. Aber unser Paragraphengestrüpp hat oft kafkaeske Auswirkungen.“ Grünewald folgert aus seinen Umfragen: „Es gibt eine Bürokratiefeindlichkeit, die zur Demokratiefeindlichkeit werden kann.“

Verhindert Bürokratie den Fortschritt?

Muss der Staat bei gigantischen Großprojekten wie Stuttgart 21, Bahntrassen oder Baumaßnahmen wie dem Emscherprojekt auf den Schutz von 500 Arten Rücksicht nehmen, weil Gesetze es vorsehen? Aus der Sicht der Ökonomen sind Umsiedlungen der Kröten oder Käfer überzogen.

Stoiber sagt: „Viele Projekte werden nicht fertig, weil es zig Bürgerinitiativen gibt, wir kommen dann an die Grenzen der Handlungsfähigkeit des Staates heran durch Verzögerung.“

Warum ist Bürokratie so negativ belegt?

Weil sie kontrovers empfunden wird, meinen die Talkgäste. Thelen sagt, Bürokratie habe ihre guten Seiten, weil sie regelt. Aber sie sei das größte Hindernis für Gründer. „Wir schaden unserem Land und unserer Wirtschaft.“ Stoiber hält dagegen: „Sie gibt auch ein Stück Freiheit, weil durch die Gesetze Freiraum entsteht.“ Grünewald fasst zusammen: „Die Bürger haben eine Hassliebe zu ihr: Sie ist Fluch und Kontrollversprechen zugleich.“ 

Am Ende der kurzweiligen Runde einigte man sich darauf: Weniger ist mehr, Absurdes braucht kein Mensch. Ein neues „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz“ ist ein angsteinflößendes Wortgebilde, und kein Bürger will von der Wiege bis zur Bare Formulare, Formulare.

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