20. TodestagBesser leben, lieben und scheitern lernen mit zehn Hildegard-Knef-Songs

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Hildegard Knef im Jahr 1973 

Berlin – Vor 20 Jahren starb Hildegard Knef, Ikone des Nachkriegskinos, Broadway-Star, Chanson-Dichterin, Buchautorin. Noch immer lässt sich viel aus ihren Liedern lernen. Wie man leben, lieben, scheitern soll. Wir haben mal zehn Beispiele herausgesucht.

„Für mich soll‘s rote Rosen regnen“

Den Liedtext habe sie in einem Moment absoluten Größenwahns geschrieben, bekannte Hildegard Knef später. Und hätte sie ihren Komponisten Hans Hammerschmid nicht gebeten, ihre „hoch-aggressiven“ Zeilen in einen schunkelnden Dreivierteltakt zu setzen, wäre das vielleicht auch noch anderen aufgefallen. Das fröhlich Anmaßende des Textes – „Ich kann mich nicht fügen/ Kann mich nicht begnügen/ Will immer noch siegen/ Will alles, oder nichts“ – war Angela Merkel aber sicher bewusst, als sie sich „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ zum Großen Zapfenstreich blasen lies.

„Von nun an ging’s bergab“

Für die Knef wurden die roten Rosen 1968 zu einem nachhaltigen Triumph, es ist das Stück, das man für immer mit ihr verbinden wird. Auch wenn es ein ganz untypischer Knef-Song ist, wo sie doch sonst eher die Poetin des Scheiterns war. Auf der B-Seite der Rosen-Single singt sie „Von nun an ging’s bergab“, einen launigen Kurzabriss ihrer Karriere als eine Folge von Irrungen, Wirrungen und Missverständnissen: „Jetzt war ich berühmt, war Hilde im Glück/ kam freudig erregt in die Heimat zurück/ bekam einen Preis und wurde verwöhnt/ doch nach einer Pleite war ich verpönt/ von nun an ging's bergab.“

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Hildegard Knef im Jahr 1995 

„Mein Zeitbegriff“

Am 1. Februar jährt sich ihr Tod zum 20. Mal und das, was die Deutschen so an ihr reizte, manchmal bis aufs Blut, können jüngere Generationen kaum mehr verstehen. „Ihr staunt mich an und lebt nur in Vergleichen/ und wollt euch selbst in mir noch wiedersehn“, singt Hilde Knef am Anfang von „Mein Zeitbegriff“ aus der Sicht eines Neugeborenen. Sie war die Unvergleichliche, sie passte nicht in die engen Muster der Nachkriegszeit, wo man die Mörder unter uns lieber totschwieg. „Warum ist nie etwas ewig“, fragt sie in „Werden Wolken alt?“, „außer der Lüge/ die Lüge, die Antwort zu kennen/ die Dinge beim Namen zu nennen?“

„Wer nicht verrückt wird, der ist nicht normal“

Freilich war auch der Wahrheit nicht länger zu trauen, schon gar nicht, wenn sich jeder im Besitz seiner eigenen wähnt: „Die Wahrheit ist ein Aal/ und dient von jeher allemal/ zum Drehen und zum Biegen/ als die Mutter der Intrigen“ singt die Knef in „Wer nicht verrückt wird, der ist nicht normal“ – und wenigstens das ist eine Wahrheit, die unverbiegbar bleibt.

„Die alte Frau“

Wer normal bleibt, hat nichts vom Leben. Der könnte enden wie die alte Frau im gleichnamigen Lied: „Ob sie mal schön war, weiß sie nicht/ er hat es nie erwähnt/ sie weinte, als er plötzlich starb/ sie war an ihn gewöhnt“. Ach, hätte sie nur öfters gesagt: „Ich will!“ Wer weiß, aus welcher Richtung es roten Rosen geregnet hätte. 

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Hildegard Knef 1976 im Studio 

„Ich weiß nur noch seinen Namen“

Glücks-Garantien gibt es leider keine. Ein Großteil der Lieder, die Hildegard Knef selbst gedichtet hat, handelt vom allzu kurzen Rausch der Hingabe und dem langen Kater danach. Ihre besten Texte erzählen nicht von der Liebe, sondern vom Abhandenkommen derselben. Das kann ganz plötzlich geschehen, es braucht, genau wie das Liebesbekenntnis, nur drei Worte: „Denn alles, was er tat/ war für mich/ sagte er/ dachte ich/ glaubte ich/ dann nicht mehr.“ Das Ende ist dann völlig unsentimental: „Ein Abschied kann auch einmal ohne Tränen sein/ ein Mann wie du ist später meist allein/ na und?“

„Das Glück kennt nur Minuten“

Ihre Bilanz fällt so bitter aus wie ein Beckett-Stück: „Das Glück kennt nur Minuten/ der Rest ist Warteraum“. Und dann erkennt man es noch nicht einmal, das Glück, wenn es so abrupt vor einem steht: „Dass es gut war wie es war, das weiß man hinterher“, singt die Knef in „17 Millimeter fehlten mir zum Glück“, „dass es schlecht ist, wie es ist, weiß man gleich.“  

„Der Tag holt Luft“

Diesen Warteraum, den man das Leben nennt, den konnte sie allerdings beschreiben wie keine Zweite: „Der Tag holt Luft und knackt mit den Gelenken/ vorm Horizont klebt der Antennenwald/ die Krähen reden ohne Konsonanten/ und überm Kaffeefilter wird der junge Morgen alt“: Das will man der Tristesse doch glatt ein „Bonjour“ zurufen. Doch es geht noch viel dunkler: „An meiner Mutlosigkeit können Berge zerbrechen/ an meiner Mutlosigkeit kann die Sonne veröden/ doch sterben wird‘ ich am Mut“.

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„Nein, ich gebe niemals auf“

Schimmert da nicht ein Rest von Hoffnung auf? Doch, den findet man noch in ihren traurigsten Liedern, das anfängliche „Ich will“, das bleibt ihr bis zuletzt erhalten, allen Widrigkeiten zum Trotz: „Nein, solang’ kein „Aug’ um Aug’“/ den Blick mir trüben kann/ solange Zärtlichkeit mich hält/ ist und bleibt es meine Welt“ heißt es in „Nein, ich gebe niemals auf“.

„Der Schwertfisch“

Viel leichter lebt es sich, das können wir von Hildegard Knef lernen, plagt der Mensch sich nicht mit der Frage nach dem tieferen Sinn, denn „so fragt er vergebens/ Zeit seines Lebens/ bekommt nichts gesagt/ weil er das Falsche fragt“. Dabei liegt die richtige Frage, diejenige, die man sich dreimal täglich nach den Mahlzeiten stellen sollte so nahe: „Wie viele Menschen waren glücklich, dass du gelebt?“

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