Historische Japan-BilderDas Kölner Museum Ludwig zeigt Japan, wie es niemals war

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Köln – Tourismus ist zwar keine Quantenphysik, aber was das Heisenbergsche Unschärfeprinzip bedeutet, weiß jeder Reisende aus eigener Erfahrung. Man fährt in die Fremde, um Land und Leute so kennen zu lernen, wie sie wirklich sind, und stellt dann entgeistert fest, dass Land und Leute durch die eigene Anwesenheit nicht mehr dasselbe und dieselben sind – das gilt insbesondere, wenn der Strom der Reisenden schon etwas länger angehalten hat.

Es ist schwer zu beurteilen, ob sich Felice Beato wegen dieser Unschärfe im eigenen Auge grämte. Sehr wahrscheinlich ist es nicht, denn der italienisch-britische Fotograf machte um das Jahr 1863 ein höchst einträgliches Geschäft daraus, westliche Japan-Touristen mit Bildern des „echten“, vom eigenen Einfluss verschonten Japans zu versorgen.

Felice Beato verkaufte Souvenirs einer untergehenden Kultur

Nachdem sich das Land über Jahrhunderte erfolgreich von den europäischen Mächten abgeschottet hatte, erzwangen 1853 US-Kanonenboote die Öffnung für ausländische Güter und Reisende. Zehn Jahre später war Japan dann teilweise schon so verwestlicht, dass Beato seine exotischen Inszenierungen als Souvenirs einer untergehenden Kultur verkaufen konnte.

Obwohl Beato seine handkolorierten Motive in Luxusalben anbot, gingen sie jährlich zu Zehntausenden aus dem Land und prägten das Japan-Bild in den westlichen Ländern maßgeblich mit. Einige Aufnahmen gelangten über Umwege auch in die Sammlung des Kölner Museum Ludwig, wo sie jetzt im Fotoraum mit der gebotenen kritischen Distanz zum zeittypischen, in Maßen kolonialistischen Exotismus gewürdigt werden.

Dazu haben Miriam Szwast und Meike Deilmann nicht nur einige japanische Holzschnitte aufgehängt, die sich recht unverblümt über die fotografierenden „Langnasen“ lustig machen. Sie hat auch fünf Mitglieder der japanischen Gesellschaft in Köln gebeten, Beatos Atelieraufnahmen von „Tänzerinnen“, Mönchen oder tätowierten Briefboten zu kommentieren.

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Dabei ist eine erhellende Plauderei herausgekommen, die als „Voiceover“ aus einem von der Decke hängenden Lautsprecher quillt. Andächtiges Schweigen im Fotoraum vorausgesetzt, kann man dabei etwa erfahren, dass einer der abgebildeten „Mönche“ Frauenschuhe trägt. Vermutlich war in Beatos Kleiderkammer gerade kein passendes Männerpaar zur Hand.

Die kleine Sammlungspräsentation ist nicht die erste Ausstellung, in der Felice Beato eines westlichen Blickes überführt wird; ungewöhnlich ist hier vor allem die bodenständige Weise, in der dies geschieht. Ansonsten wird Beatos Werk auf listige Weise selbst als exotische Blüte der damals noch jungen Fotografiegeschichte präsentiert.

Als langjähriger Kriegsfotograf kam er im Gefolge westlicher Militärs nach Japan (ein „embedded journalist“ seiner Zeit) und schuf mit primitiven Mitteln Bilder von fantastischer Qualität. Die Belichtungszeiten waren so lang, dass selbst wogende Schlachtszenen mit Statisten nachgestellt wurden – vom privilegierten Zugang zur Wirklichkeit, dessen sich die Fotografie später rühmen sollte, konnte noch keine Rede sein.

Beatos Bilder sind daher ein besonders schönes und immer noch lehrreiches Beispiel dafür, wie viele Schleier sich zwischen die Wirklichkeit und fotografische Aufnahmen derselben legen. Sei es, dass schwarzweiße Bilder von Hand koloriert werden, man im Ausländerviertel von Yokohama fast nur Prostituierte als Modelle findet oder der Publikumsgeschmack dem geschäftstüchtigen Fotografen das Antlitz der Wirklichkeit diktiert. Am Ende bekommt so jeder, was er verdient – und im heutigen Köln kichern sich die Japaner eins.

„Voiceover. Felice Beato in Japan“, Fotoraum im Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 16 Juni.

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