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Holger-Czukay-Preis 2025Wie Köln lernte, die Popmusik zu fördern

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Reggae-Sänger Gentleman, Ehrenpreisträger des Holger-Czukay-Preis 2025, im Kulturbunker Mülheim

Kölns Popreferent Till Kniola und sein Vorgänger Manfred Post über den städtischen Anteil am international erfolgreichen Sound of Cologne.

Es gehört zu den Besonderheiten Kölns, dass die lokalen Berühmtheiten seiner Musikszene im Ausland nahezu unbekannt sind – dass aber Bands und Acts, die sich hier unerkannt bewegen können, oft Weltgeltung haben. Eine seltsame Diskrepanz, die einige der Betroffenen durchaus störte. Als Till Kniola die Stelle des Referenten für Pop- und Filmkultur antrat, hörte er aus vielen Gesprächen den Wunsch heraus, auch mal in der eigenen Stadt gewürdigt zu werden. Und überhaupt: In jeder anderen Sparte sind Preise eine Selbstverständlichkeit, warum nicht auch in der Popkultur?

Kniola formulierte ein Konzept, akquirierte Gelder, fand den passenden Namen: Holger-Czukay-Preis, nach dem damals gerade verstorbenen Bassisten von Can, der ersten Kölner Band, die die Popgeschichte nachhaltig prägte. Der Preis, immer noch die best dotierte Pop-Auszeichnung in Deutschland, erwies sich als Erfolg, viel beachtet, von der Szene angenommen, mit einer glücklichen Mischung aus erwartbaren Preisträgern und solchen, deren Verdienste in Vergessenheit geraten waren. Jetzt ist er zum siebten Mal vergeben worden (siehe Kasten).

So lange gilt Pop noch gar nicht als förderwürdig in Köln

Tatsächlich ist die Idee, dass auch Pop und Popkultur förderwürdig sei, noch gar nicht so alt. Kniola ist – sieht man von einer Kollegin ab, die nach drei Monaten hinwarf – erst der zweite Referent für diese Sparte. Ursprünglich war die Stelle des Rockbeauftragten, wie es damals hieß, eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, eine befristete Stelle, angesiedelt beim Jugendamt – zur Kultur wollte man Rock- und Popmusik anno 1989 nicht zählen. Berichtet Manfred Post, der dann 23 Jahre lang Kölns Rockbeauftragter blieb: „Auch ein großer Teil der Szene wollte damals mit der Stadt oder Förderung nichts zu tun haben.“

Zu den ersten Aufgaben des frisch gebackenen Rockbeauftragten gehörte die Suche nach bezahlbaren Proberäumen, das ist bis heute ein schwieriges Thema geblieben. Post hatte 1990 den Rockförderverein ins Leben gerufen, um den Bedarf an Proberäumen zu verwalten. Als PopkulturKöln erfüllt der Verein diese Aufgabe bis heute. Ein anderes Thema, so Post, sei damals das Problem fehlender Auftrittsmöglichkeiten für lokale Bands gewesen. Er lancierte das „Six-Pack“, eine Konzertreihe für einheimische Acts mit sechs beteiligten Clubs, reist nach dem Vorbild des französischen Musikexports mit Kölner Bands zu Festivals in Bourges oder Barcelona.

Ozan Ata Canani, Hauptpreisträger des Holger-Czukay-Preises 2025 im Kulturbunker Mülheim

Sein größter Coup war jedoch, die Popkomm von Düsseldorf nach Köln zu holen, wo sie sich dann zum Phänomen entwickelte, zur letzten großen Party vor dem Zusammenbruch der Musikindustrie. Den späteren „Viva“-Gründer Dieter Gorny dazu zu überreden, mit seiner Veranstaltung nach Köln zu wechseln, sagt Post, sei gar nicht so schwierig gewesen. Kniffliger war die Finanzierung. 100.000 DM kamen vom Jugendamt, dann überredete Post noch den damaligen Geschäftsführer der SPD-Ratsfraktion, Klaus Heugel dazu, 50.000 DM draufzulegen. „Ein paar Leute aus der Szene, wir hatten ja einen Rockbeirat, sagten, eine Popkomm brauchen wir nicht, wollten die 50.000 DM für Proberäume verwenden.“ Aber das ließ der Rockbeauftragte nicht zu, und der Erfolg gab ihm recht.

Und als die fetten Jahre zu Ende gingen und die Popkomm nach Berlin abwanderte, hatte Post längst zusammen mit Norbert Oberhaus und Ralph Christoph ein Nachfolge-Festival konzipiert: Die c/o pop, die sich zuerst auf den Markenkern Kölns, die international hochgeachtete elektronische Musikszene, konzentrierte. „Sound of Cologne“, unter diesem nicht unumstrittenem Label, hatte die stolze Stadt vier Sampler veröffentlicht.

Sein Vorgänger, sagt Till Kniola, habe echte Aufbauarbeit geleistet, über Köln hinaus. „Er war einer der ersten Popförderer in Deutschland, einer der ersten, der auf kulturpolitischer Ebene ein Verständnis dafür erarbeitet hat, dass Pop eben auch eine Sparte ist, die gefördert werden soll.“ Er habe, schränkt Post ein, gute Strukturen vorgefunden. „Im Kulturamt gab es schon damals das Referentenkonstrukt: Fachleute für Theater, Musik, Literatur, die den einzelnen Szenen als Ansprechpartner dienten. Wir haben in Köln, was die freie Kultur angeht, eine wunderbare zivilgesellschaftliche Organisationsstruktur. Schauen Sie nur, was alles im Popbereich passiert ist, was da auch dank der Politik und der Verwaltung aufgebaut worden ist.“

Auch an der Gründung der Klubkomm, dem Interessenverband der Kölner Clubs, war Post beteiligt. „Die ist bis heute ein wichtiger Sparringspartner für mich“, sagt Kniola, „etwa, wenn es darum geht, neue Förderinstrumente zu installieren. Als wir vor ein paar Jahren einen Lärmschutzfonds aufgesetzt haben, ging das auf eine Idee der Klubkomm zurück. Die ist bundesweit vernetzt, hat den Finger am Puls der Zeit.“

Mia Pallada, Sängerin der Kölner Band The Red Flags, beim Holger-Czukay-Preis 2025 im Kulturbunker Mülheim

Wie agiert Till Kniola jetzt, wo der städtische Haushalt erneut mit empfindlichen Kürzungen kämpfen muss? Es sei sicher nicht die Zeit, räumt der Popreferent ein, sich neue Leuchtturmprojekte zu wünschen, „aber ich glaube, wir sollten selbstbewusst genug sein, uns mehr Geld für die Popförderung zu wünschen“. Man müsse sich nur angucken, wie viel bereits mit vergleichsweise bescheidenen Projektmitteln von 320.000 bis 350.000 Euro pro Jahr bewegt werde, der Output an Festivals, Konzertreihen und Einzelveranstaltungen sei gigantisch.

„Pop ist lebendige Alltagskultur und für eine Stadt wie Köln genauso wichtig wie eine funktionierende Müllabfuhr“, sagt der Referent. „Pop ist ein sehr guter Seismograph für den Ist-Zustand einer Gesellschaft. Eine künstlerische Ausdrucksform, die aktuelle Diskurse aufgreift, jungen Leuten Perspektiven aufzeigt, auch Raum für Reibung und Widerstand gibt.“ Ein Umstand, den längst auch Stadt und Verwaltung begriffen haben, Pop- und Clubkultur sind heute viel fester in der Stadt verankert als vor 30 Jahren, das wird sich auch unter dem neuen Bürgermeister nicht ändern.

„Unser Job“, fasst Kniola zusammen, „besteht heute vor allem darin, wachsam zu bleiben, interessante Strömungen mitzubekommen – und dann den jeweiligen Initiativen, den freien Veranstaltern, oder den Clubs Mittel zur Verfügung zu stellen. Damit sie etwas Neues auf Risiko entwickeln können und sich regelmäßig Plattformen für Nachwuchs-Acts leisten können.“

Das sei auch wichtig, weil junge Leute, die heute anfangen Musik zu machen, durch Spotify und Co. unter einem viel größeren Druck stünden, denn dort, „stehst du in Konkurrenz mit der ganzen Welt“. Weshalb der Holger-Czukay-Preis vor zwei Jahren um einen Nachwuchspreis ergänzt wurde. Schließlich, so Kniola, müsse Pop auch nach vorne blicken, vital, jung und divers sein. Und ein wenig mehr Zukunftsmusik kann Köln sicher gebrauchen.