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Jahrgangszeitung 1966Das berichtete der „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor 50 Jahren

11 min

1966 war ein ereignisreiches Jahr. Wir blicken in loser Reihenfolge auf die interessantesten Artikel des „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor 50 Jahren zurück.

Lesen Sie hier einen Text vom 19./20. März 1966 über den U-Bahn-Bau, der schon damals den Kölner Dom in Bewegung brachte:

Der Dom zittert

88cm Schutzwall - Vorgebirgsbahn bis Hauptbahnhof

Nicht nur bis zum Neumarkt, wie ursprünglich einmal beabsichtigt, sondern bis zum Hauptbahnhof wollen die Köln-Bonner Eisenbahnen die Vorgebirgsbahn in Zukunft unterirdisch fahren lassen. Die Pläne der Kölner U-Bahn Bauer sind deshalb auch mit dem Köln-Bonner Eisenbahnen abgesprochen worden. Nach der Fertigstellung der Ausbaustufe Innenstadt der U-Bahn zu Beginn der siebziger Jahre kann die Vorgebirgsbahn dann über den Barbarossaplatz hinaus auf der unterirdischen Strecke Rothgerberbach, Poststraße, Neumarkt, Appellhofplatz und Komödienstraße den Hauptbahnhof erreichen.

Damit würden die Bewohner des Vorgebirges, ohne umsteigen zu müssen, direkt in die Kölner City fahren können. Allerdings müssen die Köln-Bonner Eisenbahnen für diese Strecke neue Wagen anschaffen, die sich für die Fahrt im U-Bahn-Tunnel eignen. Dem U-Bahnhof zwischen Dom und Hauptbahnhof wird also einmal besondere Bedeutung zukommen. Mit dem Bau ist ja bereits begonnen worden. Mit der Inbetriebnahme der ersten U-Bahn-Strecke vom Friesenplatz zum Hauptbahnhof wird auch der U-Bahnhof eröffnet.

Sechs Ein- und Ausgänge

Der U-Bahnhof liegt im Zuge der Trankgasse zwischen Dom, Deichmannhaus und Bahnhofsvorplatz. Er wird insgesamt sechs Ein- und Ausgänge haben. Einer der Ein- und Ausgänge für die direkt in die Vorhalle des Hauptbahnhofs. An diesem Fußgängertunnel wird zur Zeit bereits gebaut. Ein zweiter Ein- und Ausgang geht auf den Bahnhofsvorplatz, ein dritter zum Deichmannhaus. Diese drei Ein- und Ausgänge gehören zu einem über der U-Bahn liegenden Fußgängergeschoß am Ostende des U-Bahnhofs.

An dieser Stelle wird sich der Verkehr einmal in vier Ebenen übereinander abwickeln. Die unterste Ebene bildet der U-Bahn-Tunnel. Darüber liegt das Fußgängergeschoß. Über dem Fußgängergeschoß befindet sich die Autostraße, und über die Straße spannt sich die Fußgängerterrasse vom Bahnhofsvorplatz zum Dom. Die drei anderen Ein- und Ausgänge des U-Bahnhofs gehören zu einem Fußgängergeschoß am Westende des U-Bahnhofs. Sie führen zum Platz vor der Westseite des Doms in Richtung Hohe Straße, zum nördlichen Bürgersteig der Trankgasse neben dem Excelsior Hotel Ernst und zum Andreaskloster und damit in Richtung auf die Hauptpost und das Bankenviertel. Der Ausgang zum Andreaskloster ist bereits im vergangenen Jahr mit dem Bau des U-Bahn-Tunnels im Zuge der Komödienstraße angelegt worden. Östlich an den U-Bahnhof schließt sich im Bereich der Trankgasse, Bechergasse und Johannisstraße ein Tunneldreieck an, in dem die Bahnen rangieren können. Hier an der Ostseite des Doms haben die Arbeiten ebenfalls bereits begonnen.

Bis auf sechs Meter an den Dom

Die U-Bahn, die später zum Breslauer Platz und Ebertplatz weitergebaut wird, unterfährt den Hauptbahnhof in zwei eingleisigen Tunneln. Der eine Tunnel, der zum jetzt begonnenen Baulos 14 gehört und die U-Bahn in Richtung Breslauer Platz leitet, geht im Zuge der Johannisstraße unter dem Hauptbahnhof hindurch. Der andere Tunnel für die Gegenrichtung wird unter den Bahnhofsgaststätten hergeführt.

Der Bau der Tunnel unter dem Hauptbahnhof hindurch bringt schwierige technische Probleme. Die Fundamente und Stützen des Hauptbahnhofs müssen abgefangen werden. Auf der anderen Seite steht der Dom, der mit gewaltigen Kräften auf das Erdreich drückt. Vor dem nördlichen Querschiff kommt der U-Bahn-Tunnel auf sechs Meter an den Domherren. Der Abstand zur Sakristei beträgt sogar nur drei Meter.

Gewaltige Schutzwand

Die U-Bahn-Planer haben das Bauverfahren mit der Dombauverwaltung abgestimmt. So wird eine gewaltige Stahlbeton-Schutzwand von 88 cm dicke zwischen Dom und dem U-Bahn-Tunnel in die Erde getrieben. Auf diese Weise sollen Setzungen und Verschiebungen im Dom vermieden werden. Während der Bauarbeiten werden die Erschütterungen im Dom fortlaufend gemessen. Zwischen der Schutzwand und dem U-Bahn-Tunnel besteht ein Zwischenraum von einem Meter. In der Zeit der Bauarbeiten wird eine sechs Meter breite Fußgängerbrücke die Verbindung zwischen dem Bahnhofsvorplatz und dem Dom herstellen. Diese provisorische Brücke soll im April stehen.

(Helmut Falter)

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Wer macht den besten Krach?

In Köln musizieren 930 Beat-Bands

Harte Kämpfe toben Tag für Tag vom Habsburger- bis zum Kaiser-Wilhelm-Ring. Kölns Kellerkinder beaten und battlen um die Gunst von Kunstagenten, Schallplattenproduzenten und Barbesitzern. Seinen phonstarken Anfang nimmt die Schlacht um Urkunden, Pokale und Verträge des stillen Sonntagnachmittag, wenn normale Bürger ihre Küchentabletts spazieren tragen. Da flammt in der "Kaskade" der "Kampf um den Titel der besten Kölner Amateur-Band" auf und setzt sich Stunden später im "Star-Club" im "Nachwuchswettbewerb der Beat-Bands aus Nordrhein-Westfalen" fort. Einige Tage schweigen die Schlagzeuge dann. Und mittwochs donnern wieder die Verstärkergitarren beim "Beat-Battle" im "tabu", bei der "Talentprobe für Schreihälse" im Star-Club oder beim "Nachwuchswettkampf um die beste Amateur-Beat-Band des Abends" im "Storyville".

Alles, was Gitarren, Schlagzeug und eine Stimme hat, macht sich dann auf in die Keller am Ring. Die Götter aus Liverpool haben ihre Jünger auch im kleinsten deutschen Nest. Es kommen die "Ghosts" aus Sürth, "Peter and the Stomps"  aus Bensberg, "The Sparows" aus Stommeln, "The Gents" aus Efferen, "The Beathovens", "Ernst and the Diamonds"...

Für 10 000 Mark Technik

Mittwochabend in einem Teenager-Schuppen am Kaiser-Wilhelm-Ring. Die Gruppe "The Black Devils", vier 18 - 20 jährige aus Duisburg, einer Maschinenschlosser, einer Bäckerlehrling, zwei Schüler, bauen ihr "Vermögen", eine Beat-Band-Anlage zum Preis von 10 000 Mark, auf. Sie stöpseln aufgeregt an kompliziert aussehenden Apparaturen herum, klopfen aufs Mikrofon und hauchen mit sonorer Stimme: "One, two, three, one, two,..." Dann stellen Sie sich für ihren Auftritt auf: in der Mitte der Solosänger, links von ihm der Sologitarrist, rechts der Bassgitarrist, dahinter der Drummer. Die Schlacht beginnt. Nach wenigen Minuten ist das Lokal ein einziger Resonanzboden. Jeder hat an seiner Gitarre ein Mikrofon, auch das Schlagzeug besitzt eins, vor jedem der "schwarzen Teufel" steht oder hängt noch extra eins. Da singen sie hinein. Und alles geht noch über eine Verstärkeranlage auf mehrere im Raum verteilte Lautsprecher über.

Es dröhnt, bumst, braust und knallt, beim "Tanz der Irrsinnigen" wälzt sich ein Teenager im Blatzheim-eigenen Staub. Das war "harter Beat" und wird von den jungen Zuhörern auch entsprechend laut beklatscht. Beat-Master Jonny Bernstein von den Blatzheim-Betrieben sagt nun die zweite Amateur-Gruppe des Abends an:"The Beatniks" aus Essen. "Wie lange wird es etwa dauern?, hatte vorher einer dieser Schüler den Veranstalter gefragt. Bis gegen 11:30. Danke, das geht ja noch. Der Studienrat vergibt es Ihnen nicht, wenn sie ihn morgens aus übernächtigen Augen anschauen. Nun kommen sie mit ihren blitzenden Instrumenten nach vorn: in modischen, gutsitzenden Botton-Down-Hemden, in hohen schwarzen Stiefeln, roten Westchen und korrekt gebundenen Fliegen, die Haare seidig glänzend, geschniegelt wie kleine Lords, wie Beau Brummel, brav wie Muttis lieber Junge. Die Beat-Kundigen im Publikum merken's sofort nach den ersten Tönen: Das sind die sanften Vertreter der "weichen Welle".

So geht es Abend für Abend zu in Kölns Kellerlokalen. Die Gastronomen haben sich der sangesfreudigen deutschen Jugend angenommen. Sie öffnen die Türen und die Kassen weit für die Anhänger der neuen Jugendbewegung. "Man muss ihnen eine echte Chance geben", meinte Sylvester Menyhart, der Besitzer eines dieser Teenager-Schuppen. Er gibt sie ihnen auf der Bühne seines schummrigen Lokals.

Sobald er einen neuen Wettbewerb startet, melden sich 50 bis 60 Gruppen, nach der ersten Ausscheidung - der Chef bestimmt, wer gut ist, und die Kellnerin darf auch ihre Meinung sagen - bleiben noch 20 übrig, in der Endrunde sind's noch sieben, und drei werden zum Schluss siegen. Als Preise winken: eine freie Fahrt nach Hamburg zur Teilnahme an der Endausscheidung unter den Regionalsiegern aus der ganzen Bundesrepublik im Hamburger Star-Club auf der Kleinen Freiheit, wo die berühmten Beatles den Grundstein zu ihrem Weltrum legten, die erste Gitarre des Beatle George Harrison und möglicherweise ein Vertrag mit einer Schallplattenfirma. Worüber ganze Battaillone von Personalchefs, Geschäftsführern und Managern alt und kahl werden - über die Sorgen um den Nachwuchs - brauchen sich die Besitzer von Beat-Lokalen keine grauen Haare wachsen zu lassen: Beat-Bands schießen aus dem Boden wie Pilze aus dem Regen. In Köln gibt es zur Zeit etwa 930 dieser Gruppen.

(Annelie Stankau)

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Sowjetische Mondsonde ‚Luna IX‘ weich gelandet

Übertragung funktioniert - Bereits Fernsehbilder

Moskau (EB, dpa, ap) - Den Sowjets ist gestern Abend eine Pioniertat für den Flug eines Menschen zu einem anderen Himmelskörper gelungen: Der Raumsonde Luna IX glückte eine weiche Landung auf dem Mond. Das Zentralfernsehen der Sowjetunion verbreitete die Nachricht in Sondermeldungen. Sämtliche Übertragungsgeräte von Luna IX funktionierten normal.

Nach den ersten Berichten der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS besteht eine zuverlässige Funkverbindung mit der gelandeten Sonde. Sie ging um 19.45 Uhr (MEZ) auf der Mondoberfläche in einem Gebiet nieder, das die Bezeichnung "Ozean der Stürme" hat. "Luna IX" Landete westlich der Krater Reiner und Maria. Sie war am Montag gestartet worden.

Vier vorangegangene Versuche der Sowjets waren gescheitert. "Luna V", "Luna VII" und "Luna VIII" waren auf dem Mond zerschellt. In diesen drei Fällen war es nicht gelungen, die Mondsonden beim Anflug auf den Mond zu bremsen und sicher zu landen. "Luna VI" hatte das Ziel verfehlt und war in großem Abstand an dem Erdtrabanten vorbeigeflogen. "Luna IX" ist der zehnte irdische Flugkörper, der den Mond erreicht hat. Als erste Mondsonde war" Luna II" im September 1959 mit einem sowjetischen Wimpel auf dem Mond aufgeschlagen. Dann folgten die Amerikaner mit fünf Erfolgen ihres "Ranger"-Projektes.

Bei der weichen Landung muss die Geschwindigkeit der Sonde von rund 9600 auf weniger als 24 Kilometer in der Stunde gedrosselt werden. Dies kann auf dem Mond nur durch Bremsraketen geschehen, da Fallschirme in der dünnen Mondatmosphäre nicht verwendet werden können. Die Bremsraketen müssen zeitlich genau gezündet werden. Da dies den Sowjets offenbar perfekt gelungen ist, dürften sie eine der größten Schwierigkeiten, die der Landung eines Menschen auf dem Mond bisher entgegenstanden, überwunden haben.

Im Observatorium Jodrell Bank (England) wurde erklärt, man habe von der sowjetischen Mondsonde Signale aufgefangen, die darauf hinwiesen, dass "Luna IX" nach ihrer erfolgreichen "weichen" Landung über 20 Minuten lang Fernsehbilder zur Erde zurückfunkte. "Dies ist ein historischer Augenblick", sagte Sir Bernard Lovell, der Direktor von Jodrell Bank, dies gibt den Sowjets einen Vorteil gegenüber den Amerikanern in dem Wettlauf, einen Menschen auf den Mond zu schicken.

Bewunderung war die erste Reaktion amerikanischer Raumfahrt-Fachleute in Washington. Übereinstimmend wird in inoffiziellen Stellungnahmen festgestellt, dass die Sowjets mit der Landung und vor allem mit dem erfolgreichen anschließenden Funkkontakt einen der wichtigsten Erfolge in der Raumfahrtforschung verbuchen können. Die USA werden nicht vor Mai in der Lage sein, ihr unbemanntes Raumschiff "Surveyor" auf dem Mond landen zu lassen.

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Lesen Sie hier einen Text vom 18. Februar 1966 über das Karnevalstreiben am Rhein:

Dat Volk vun Kölle soll laache un juze

"Dat Volk vun Kölle soll laache un juze, dat Volk vun Kölle soll bütze und knutsche", animierte seine Tollität gestern Morgen auf dem Alter Markt in dichterischer Freiheit seine närrischen Untertanen. Gut 5000 von ihnen, einige kostümiert, standen dicht gedrängt zu Füßen des holzverschalten Jan von Werth und riefen mit dünner Stimme: "Alaaf!" Der Nieselregen sickerte bedächtig von Krempen in Kragen. Dennoch harrte man aus, bist das letzte Lied verklungen war und vom Rathausturm eine alte Fastelovendsmelodie zum Abschied erklang.

"Wor dat nit schön?" fragte Altstädter-Präsident Fritz Figge, geübter Sitzungs-Rhetoriker, sein Ruf- und Regen-Publikum. Da schrien alle: "Ja!" Und weil es so schön war, sang Jean Schlösser in der Maskerade des ahlen Här Schmitz noch eine Strophe: "Am Dom zo Kölle…" Das Volk von Kölle schunkelte, aber es sah aus, als ob der Alter Markt schwankte auf dem Höhepunkt des kölschen Klüngels, dem Schmitz schon vorher in alten Steinsärge nachgespürt hatte. Als sich die schweren Deckel hoben, wußte er, dass der Klüngel vor langer Zeit lebendig begraben worden war.

Tausendfaches Gelächter

Nur ein Lied? Vielleicht. Drei Ströphchen vor schwankenden Jecken, von denen einer den Boden vollends unter den Füßen verlor: Schütze Bumm (Franz Unrein), dem es ins Gewehr regnete, erzählt von einem Fallschirmspringen unter ernsthaften Bedingungen: „Wie ich esu zehn Minutte am fleege wor, kütt mer einer von unge entgege. Ich froge: Entschuldigen Sie gütigts, es do ene Flugplatz. Säht dä, ich weiß et nit. Ich kumme us ener Munitionsfabrik.“ Tausendfaches Gelächter. Angekommen. Alaaf!

Ganz so fröhlich wie die andern konnte Bürger Nr. 1 Theo Burauen auch an diesem Tag nicht sein. Er bekannte sogar offen, es sei der traurigste Tag in seinem Leben: „Mir es als widder e Pößchen en de Nas vorbeigegange.“

(Michael Meran)

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