Konzert im CarlswerkWie exotisch klingt deutsche Tanzmusik für Texaner?

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Khruangbin im Carlswerk Victoria  

Köln – In Houston, Texas gibt es drei Pilgerstätten, die man unbedingt mal besucht haben sollte: Das Johnson Space Center der NASA mit dem berühmten Mission Control Center; die Rothko Chapel, eine achteckige, überkonfessionelle Kapelle in der 14 großformatige, beinahe schwarze Gemälde von Mark Rothko zur Versenkung einladen; und natürlich das Geburtshaus von Beyoncé.

Houstons viertbeste Sehenswürdigkeit, das Trio Khruangbin, gastierte am Mittwochabend im Kölner Carlswerk Victoria. Die Band vereint den Space-Age-Optimismus des NASA-Centers, die meditative Entschleunigung der Rothko-Chapel und die kühle Meisterschaft über alle Grooves der Queen B (Jay-Z und Barack Obama outeten sich prompt als Khruangbin-Fans) – allerdings auf ziemlich eigensinnige Weise.

Was man schon daran erkennt, dass sich Kritiker in ihrem Fall auf keine Schublade einigen können: Spielen  Khruangbin nun eher ironische Lounge-Musik, iranischen Rock oder psychedelisch gefärbten Dub – oder sind sie nur eine Hipster-Hommage an den unter Plattensammlern begehrten thailändischen Funk der späten 1960er?

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Ein Ding, das fliegt

„Khruang“ bedeutet auf Thai „Ding“, „bin“ „fliegen“, zusammen ergibt das ein Flugzeug. Was wiederum auf die erdumspannenden Einflüsse des Trios verweist, durch ihre Membranen diffundiert die Musik der ganzen Welt, nur langsamer und basslastiger.

Die Kölner Live-Show der Band räumt im Augenblick mit allen Spekulationen auf: Sie ist von beeindruckender und äußerst unterhaltsamer Klarheit. Donald „DJ“ Johnson,  der stoische Schlagzeuger, thront unter einer gigantischen Discokugel auf einem Podest mit Bullaugen-Lampen, das direkt aus der Muppet Show exportiert worden sein könnte.

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Das Trio begeisterte das Publikum in Köln-Mülheim  

Gitarrist Mark Speer und Bassistin Laura Lee Ochoa tragen identische schwarze Langhaarperücken mit Fransenpony und stolzieren abwechselnd die kleinen Showtreppen auf und ab. Sie trägt Netzstrümpfe mit silbern funkelnden Fransen dran, er Cowboystiefel zum Anzug.

Das muss man so erstmal ohne Augenzwinkern durchziehen. Das Erstaunlichste ist jedoch, wie diese fast ausschließlich instrumentale Musik, die man zu Hause sehr schön als Klangtapete benutzen kann, live beim Publikum wohlige Begeisterungsstürme und sanften Tanzzwang auslöst. Das große Carlswerk ist ausverkauft und Speer lässt es sich natürlich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass die Band bei ihrem letzten Köln-Konzert im winzigen King Georg aufgetreten waren.

Laura Lees laszive Bassläufe

Immer wieder pflegt er in die eigenen Stücke kleine Cover ein, kulminierend in einem völlig irren Medley, das unter anderem Ice Cubes „It Was a Good Day“ und Ol’ Dirty Bastards „Got Your Money“, aber auch Chris Isaaks „Wicked Game“ und „True“ von Spandau Ballet enthält. Dabei orientiert er sich auf seiner Fender Stratocaster stets an den Gesangslinien, und wenn er die Saiten im Rhythmus eines Rap-Verses anschlägt, kann man die Worte sofort mitsprechen. Er ist ganz klar der Virtuose der Band und zeigt das mitunter auch gerne, aber es sind Laura Lee Ochoas lasziv-mechanische Bassläufe, die Khruangbins Musik so unwiderstehlich machen.

Auf ihrem aktuellen Album „Mordechai“ singen Khruangbin zum ersten Mal auf gleich mehreren Tracks, doch konventionelle Songs schreiben sie deshalb noch lange nicht. Und live reihen sich ihre Stimmen eher als ein weiteres Instrument ins Klangbild ein.

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Nach kurzer Zugabenpause erscheint Ochoa in einem changierenden Paillettenkleid – angeblich trägt sie jedes Outfit nur einmal auf der Bühne – und Speer charmiert seine deutschen Fans mit einer verhallten Version von „Rhythm Is a Dancer“, dem Eurodance-Hit  der Frankfurter Gruppe Snap! Für die Plattensammler aus Houston, Texas firmiert eben auch das unter globale Exotika. 

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