Abo

Grammys 2022Warum Olivia Rodrigo den Bestes-Album-Preis verdient hätte

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (5)

Anderson .Paak (l.), Bruno Mars und ihr Record Of The Year-Grammy  

Las Vegas – Anderson .Paak – das Pünktchen vorm Nachnamen ist pure Absicht – im viel zu dicken roten Sweatshirt hinter der Schlagzeug-Batterie, das schwitzende Publikum vom Funk-Fieber ergriffen, Jubelrufe, karnevaleske Stimmung, ein überglücklicher Künstler: .Paaks Konzert im Kölner Gloria war eines für die Ewigkeit.

Seitdem ging es für den Kalifornier aus prekären Verhältnissen beständig nach oben, zuletzt sah man ihm während der Super-Bowl-Halbzeitshow Eminem an den Drums begleiten. Das war schon fast ein Star-Cameo, denn seit .Paak vergangenes Jahr zusammen mit dem Sänger Bruno Mars die Band Silk Sonic gegründet hat, spielt er noch einmal in einer anderen Liga.

Silk Sonics Glückssträhne in Las Vegas

Am Sonntag eröffnete das Superduo die 64. Grammy Awards mit einer frenetischen Performance ihres Songs „777“, Anderson .Paak trug statt eines roten Sweatshirts eine Topfschnitt-Perücke, unter der es ihm ebenfalls viel zu heiß sein musste, und Bruno Mars beschwor seinen besten James Brown herauf. In „777“ geht es um eine unglaubliche Glückssträhne im halbseidenen Las Vegas.

Alles zum Thema Wolodymyr Selenskyj

Dort, in der MGM Grand Garden Arena, hatten die aufgrund der Pandemie kurzfristig in den April geschoben Grammys Zuflucht gefunden. Die Glückssträhne folgte sogleich: Silk Sonic gewannen goldene Grammophon-Statuen für „Song of the Year“ und „Record of the Year“ (jeweils für ihren Track „Leave the Door Open“), ersterer Preis ehrt die Songschreiber, letzterer die Aufnahme. Es kam noch ein dritter Grammy dazu, für die Beste R&B-Performance, den sich das Duo mit der großen Sängerin-Songschreiberin Jazmine Sullivan teilte (die auch das Best R&B Album gewann).

Silk Sonic spielen schamlos nostalgischen Retro-Funk und –Soul, sie feiern eine Party, als wäre es 1972. Womit sie exakt ins Beuteschema der Grammy-Juroren passen, die eigentlich stets das Handgemachte, vergangene Glanzzeiten des Musikgeschäfts Evozierende belohnen. Das erklärt auch die objektiv unverständlichste Entscheidung des Abends. Der Grammy für das Album des Jahres ging nicht an Olivia Rodrigo – obwohl deren erstaunliches Debüt „Sour“ in den vergangenen anderthalb Jahren das Popgeschehen bestimmte –, sondern an Jon Batistes „We Are“.

Jon wer? Wer auf Youtube amerikanischen Late Night Shows hinterherguckt, kennt den Jazzer aus New Orleans als leutseligen Bandleader in der „Late Show with Stephen Colbert“. Batiste ist charismatisch, sympathisch, außerordentlich talentiert und sein auf den Tischen tanzender Grammy-Auftritt konnte es an positiver Energie mit Silk Sonic aufnehmen. Aber sein Album ist nur nett gemeinte Crossover-Musik und schaffte es in den Billboard-Charts, trotz Batiste Fernsehpräsenz, nicht weiter als auf Platz 86.

So musste sich die 19-jährige Rodrigo mit dem „Best New Artist“-Grammy zufrieden geben, gewannt außerdem noch für „Best Pop Solo Performance“ und „Best Pop Vocal Album“.

Den letzten Preis hätte man eigentlich Billie Eilish gegönnt. Vor zwei Jahren war sie die jüngste „Album oft he Year“-Gewinnerin, am Sonntagabend ging sie leer aus. Ihre Performance von „Happier Than Ever“ auf dem Dach eines gewitterumtosten Hauses, begleitet nur von ihrem Bruder Finneas und einem Drummer, lieferte dafür den aufregendsten, kathartischsten Moment der Gala: Eilish headbangend im Regenschauer, ihr T-Shirt mit einem Bild des jüngst zu früh gestorbenen Foo-Fighters-Drummer Taylor Hawkins, das war streng genommen der einzig relevante Moment eines eher lauen Abends.

Die Foo Fighters gewannen übrigens drei Grammys und das hatte nichts mit Hawkins tragischem Tod zu tun: Als im Januar abgestimmt wurde, schlug der noch fröhlich auf die Felle.

Was sonst noch bleibt: Lady Gaga, die der an Krücken gehenden Sängerin SZA auf die Bühne hilft, so wie sie sich schon bei den Oscars rührend um die im Rollstuhl sitzende Liza Minelli gekümmert hat. Das tränentreibenden Medley zu Ehren des vergangenen November gestorbenen Musical-Meisters Stephen Sondheim. Der Hilfeaufruf des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (den die Academy Awards zuvor abgelehnt hatten).

Das könnte Sie auch interessieren:

Und, nicht zu vergessen, die spektakuläre und spektakulär alberne James-Bond-Hommage der K-Pop-Giganten BTS. Ach, würde sich die Grammy-Show nur grundsätzlich an ein jüngeres Publikum wenden! Dort, wo Pop stattfindet.

KStA abonnieren