Mdou Moctar im Bumann & SohnSo fühlte sich das erste Konzert ohne Maske an

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Mdou Moctar (l.) im Bumann & Sohn 

Köln – Als der Tuareg-Musiker Mdou Moctar vor acht Jahren auf dem Kölner Week-End-Fest auftrat, trug er noch, wenn ich mich recht erinnere, einen weißen Tagelmust, die traditionelle Turban-Gesichtsschleier-Kombination des Nomadenvolks.

Am Sonntagabend im Ehrenfelder Club Bumann & Sohn ist Moctar gänzlich unverschleiert und so ist es auch der Großteil des Publikums. Das Ende der Maskenpflicht, die Rückkehr der Gesichter.

Nur wenig bedeckte Münder

Nur ein paar Versprengte, darunter ich, bedecken noch ihre Münder und Nasen. Seltsam fühlt sich das an. Hatten wir nicht mal Angst rauszugehen, sobald die Inzidenz über 50 stieg? Der Mensch ist ein Rätsel und seine Gepflogenheiten auch.

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Mdou Moctar dagegen bemerkt nur kurz, dass wir es verdammt kalt hätten in Deutschland. Als junger Bub im nigrischen Abalak hätte er sich nicht im Entferntesten vorstellen, einmal so weit im Norden auf einer Bühne zu stehen. Oder überhaupt auf einer Bühne zu stehen. Seine konservative Familie hielt nichts von den Gitarrenträumen des Linkshänders, sein erstes Instrument musste er sich selbst bauen, mit Fahrradkabeln als Saiten. Eine Zeitlang konnte er gar nicht mehr spielen, verdingte sich in Libyen als Arbeitsmigrant, unter anderem in der Armee von Muammar al-Gaddafi.

Eines der besten Alben des Jahres

Dann entdeckte ein nordamerikanischer Enthusiast einen Track Moctars auf der SD-Karte eines Mobiltelefons und veröffentlichte den Song auf seiner Kompilation „Music from Saharan Cellphones“, einer der wichtigsten Veröffentlichungen der vergangenen 20 Jahre. 2021 hat Moctar seine erstes Album bei dem US-Label Matador herausgebracht, „Afrique Victime“, und landete damit auf etlichen Jahresbestenlisten, unter anderem derjenigen der „New York Times“.

Warum, das wird schnell klar. Seine dreiköpfige Band scheppert in schönster Garagenpunk-Tradition, dem Rhythmusgitarristen genügt meistens ein Akkord pro Stück. So rau gebettet, erhebt sich Mdou Moctars Gitarre wie eine Feuerwerksrakete in den Nachthimmel, wo sie in psychedelischen Klangfarben explodiert. Ihm zu lauschen fühlt sich an, als rase man jetgetrieben über einen Salzsee. Größte Dynamik, tiefste Ruhe.

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Tatsächlich hebt mit jeder Minute die Lautstärke an, bis man endgültig von Moctars rastlos übers Griffbrett fliegenden Fingern eingefangen ist, und sich der gewaltige Sound wie eine schützende Glocke über einen legt. Wie schön das ist, wie gut und geborgen man sich mit dieser Musik fühlt!

Die Maske lasse ich trotzdem an. Als Tagelmust der Umsicht.

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