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Kölner Philharmonie„Schwanengesang“-Konzert avanciert zum Höhepunkt der laufenden Saison

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Ein Dirigent hebt mit forderndem Blick seine linke Hand und hält in der anderen einen Taktstock.

Der finnische Dirigent Sakari Oramon hat in dieser Saison eine künstlerische Partnerschaft mit dem Gürzenich-Orchester begonnen. (Archivbild)

Das Gürzenich-Orchester überzeugte unter der Leitung von Sakari Oramo mit britischer Moderne, gerahmt von Werken von Richard Strauss.

Klar, der Mann – das fiktive Erlebnissubjekt von Richard Strauss´ Tondichtung „Tod und Verklärung“ – müsste dringend in die Klinik. Er leidet ausweislich der Paukenschläge an lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen. Zur Zeit der Werkentstehung – 1888 – konnte man da aber medizinisch nur wenig machen, der Betroffene, ein Künstler, sieht im Stück dem unausweichlichen nahen Tod entgegen. De facto macht der Komponist diesen Augenblick zu einer dramatischen Ein-Mann-Oper ohne Worte, mit Halluzinationen und flashartigen Lebenserinnerungen.

Sakari Oramo, für fünf Jahre Artistic Partner des Gürzenich-Orchesters, stellte das im philharmonischen Abokonzert am Sonntagmorgen fesselnd, zwingend, in Klangdramaturgie und emotionaler Aussage schier überwältigend heraus. Das Konzert muss darob als ein Höhepunkt der laufenden Saison bezeichnet werden.

Gürzenich-Orchester aus Tradition „strauss-gestählt“

Bereits in der langsamen Einleitung entfalteten sich die Instrumentalfarben mit bemerkenswerter Klarheit und Helligkeit – es war kein dumpfes Massenbrüten, das da Platz griff. Diese Klangidee könnte sogar im Extremfall als unromantisch kritisiert werden, indes zeigte sich im Fortgang, dass man nicht nur die polyphone Schichtung der Partitur aufs Schönste hören konnte, sondern eben gerade der durch Steigerungen, Peripetien und Abschwünge bestimmte Dramaverlauf eindringlichst Gestalt annahm. Wie sich das zentrale Ideal-Motiv entwickelt, dann triumphal durchbricht, wieder chromatisch zersetzt wird und am Schluss noch einmal „verklärt“ erscheint – es war mit großartiger erzählerischer Stringenz zu erleben.

Das Orchester ist aus Tradition strauss-gestählt, keine Frage; in diesem Klang sind die Musiker – das zeigt auch das aktuelle Konzert – einfach zu Hause. Trotzdem bekommt ihnen der belüftende und dramatisierende Input, den der Dirigent aus dem finnischen Norden verpasst, ganz ausgezeichnet. So möchte man die deutsche Spätromantik gern öfter hören.

Sopranistin Anu Komsi mit tiefem Verständnis für Richard Strauss

Der Komponist zitiert das Zentralthema aus „Tod und Verklärung“ am Ende seiner „Vier letzten Lieder“, die somit sinnfällig am Programmschluss den Bogen zum Beginn zurückschlugen. Den Solopart versah hier (wieder einmal) Oramos Kompatriotin Anu Komsi, die mit einem Sopran von makelloser Schönheit, mit so leicht-beweglicher wie durchdringender Höhe und offenkundig einem tiefen Verständnis für den letzten Strauss gesegnet ist.

Ihr Sotto Voce ist tragend und substanzreich, ihre Emphase kunstgerecht verhalten und nie ordinär. Mitunter scheint die Stimme irgendwoher zu kommen und auch irgendwohin zu entschweben, in einem faszinierenden Kontinuum vokal-instrumentaler Tonbildung. Immer wieder und vor allem im letzten Lied auf Eichendorffs „Im Abendrot“, wurde da die Philharmonie geradezu verzaubert.

Zeitgenössische britische Moderne – George Benjamins „Interludes and Aria“ aus seiner Oper „Lessons in Love and Violence“ (auch sie, in Überkreuz-Verschränkung der Programmpunkte, mit Anu Komsi) und Jonathan Harveys „Tranquil Abiding“ – formierte die Mitte der Agenda. Mit den Rahmenwerken hatte das musikalisch nicht viel zu tun, trotzdem schien sich der „Geist“ der Strauss-Aufführungen, schienen sich deren differenzierte Klangpracht und agile Dramaturgie hier bruchlos fortzusetzen. Und die Atmosphäre einer trancenahen Verzauberung – musikalisiert in einem wiederkehrenden, durch die Stimmen wandernden großen Sekundpendel – vermochte auch Harveys buddhistische Meditation zu stiften.


Das Konzert wird zwei weitere Male, am Montag, 8., sowie am Dienstag, 9. Dezember, jeweils um 20 Uhr in der Kölner Philharmonie aufgeführt.