Willkommen in der neuen NormalitätSo fühlt sich ein Museumsbesuch in Corona-Zeiten an

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Museumludwig

Viel Platz für den Kunstgenuss im Museum Ludwig

  • Am 5. Mai durften die Kölner Museen unter strengen Auflagen wieder öffnen. Die ersten Tage waren zäh, mittlerweile sind die Beesucherzahlen wieder auf einem guten Weg.
  • Doch wie fühlt es sich an, mitten in einer Pandemie ein Museum zu besuchen? Ist alles ganz komisch oder fühlt es sich doch schon fast normal an?
  • Ein Besuch vor Ort zeigt, ob alles reibungslos funktioniert. Die Museen versuchen, sich im neuen Alltag zurechtzufinden.

Köln – Der 5. Mai 2020. Unter strengen Auflagen dürfen die Museen in Köln wieder öffnen. Die Gesellschaft versucht, sich einen kleinen Teil ihres Alltags, den die Pandemie nach wie vor fest im Griff hat, zurückzuholen. Das Schokoladenmuseum rechnet nach sieben Wochen ohne einen einzigen Besucher mit einem Ansturm. Am Abend zählt die Kasse 20 Museumsgäste. „Es wollte noch keiner so richtig raus“, sagt Annette Imhoff, Geschäftsführerin des Schokoladenmuseums. Die Ungewissheit der Menschen war noch zu groß.

Knapp zweieinhalb Monate später, gleicher Ort. Es sind Sommerferien, es ist warm, nicht zu heiß, der Himmel blau, die weißen Wolken harmlos. Vor dem Schokoladenmuseum stehen die Menschen Schlange, sie reicht bis zur Drehbrücke. Der Anblick erinnert ein wenig an bessere Zeiten, als das Wort Corona noch eindeutig dem spanischen Wortschatz zuzuordnen war. Die Hinweise auf Maskenpflicht und Abstandsgebot am Eingang beenden jegliche Tagträume in diese Richtung. Im Foyer, ein Kind mit seinen Großeltern. Eine Mitarbeiterin weist den maskenlosen Großvater auf sein blankes Gesicht hin. Der entschuldigt sich, streift das Stück Stoff über Mund und Nase. Es soll der einzige Masken-Fauxpas bleiben.

Eine neue Normalität

Kurz darauf steht auch Annette Imhoff im Foyer. Sie blickt nach unten auf ihr Smartphone. 336 zeigt das Display an. „Bei 360 ist Schluss“, sagt sie. Mehr Menschen dürfen sich nicht gleichzeitig im Museum aufhalten. Am Eingang wartet man auf den Ausgang der anderen.

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Rheinabwärts ergibt sich ein völlig anderes Bild. Die gläsernen Schiebetüren des Museum Ludwig öffnen sich mit einem leisen Surren. Innen ist es nicht nur angenehm kühl, sondern auch weitläufig und vergleichsweise leer. Plexiglasscheiben an der Infotheke, Mitarbeiter und Besucher mit Masken, all das ist mittlerweile viel vertrauter als am 5. Mai. Eine neue Normalität.

Lockdown-Ausweichplattform Instagram

Von der Infotheke geht es über eine kleine Treppe in die Ausstellung „mapping the collection“. „Die Ausstellung haben wir digital eröffnet“, sagt Sonja Hempel, Mitarbeiterin des Museums. So wie sich in den sieben Wochen des Stillstands aufgrund der behördlich angeordneten Schließung vieles ins Internet verschoben hat. Ausstellungseröffnungen, die Vorstellung von Lieblingskunstwerken der Angestellten, Rundgänge und mehr veröffentlichte das Museum Ludwig über seine Social-Media-Kanäle. Die Zahl der Instagram-Follower stieg um mehr als 16 Prozent, die Klicks pro Woche schaffte das Museum an einem Tag. „Die digitalen Angebote wurden super angenommen“, sagt Sonja Hempel.

Nun erholt sich auch die Zahl der Menschen, die dem Weg der Kunstwerke im Museum folgen, langsam wieder. Der Unterschied zu Zeiten ohne Pandemie ist zwar noch groß, der zum 5. Mai allerdings mittlerweile auch. „Die Leute sind immer noch sehr vorsichtig, aber langsam geht es wieder“, sagt Hempel mit Blick auf die Besucherzahlen. Die Menschen tasten sich langsam voran, erkunden vorsichtig die Grenzen des in einer Pandemie Möglichen.

Der Museumsbesuch liegt aktuell innerhalb dieser Grenzen. Gerade im Museum Ludwig. Große Räume mit hohen Decken, rücksichtsvolle Besucher, die Masken tragen und Abstand halten. So stellen sich Virologen wohl ihr Wunsch-Museum vor.

Ein Bild, das surreal wirkt

Zurück im Schokoladenmuseum. Hier kommt man sich näher als im Museum Ludwig, aber nicht zu nah. Beim Blick in die Schokoladenschule ergibt sich dann aber ein Bild, das surreal erscheint. Nur die Mitarbeiterin trägt ein Plastikvisier, Kinder und Eltern sitzen ganz ohne Masken im Stuhlkreis. Annette Imhoff erklärt: „Alle Besucher, die in der Schokoladenschule sind, müssen ihre Kontaktdaten angeben.“ Quasi die gleichen Regeln wie im Restaurant. Schokolade als Hauptspeise. Dazu sind die Fenster bis zum Anschlag geöffnet. Das Gesundheitsamt hat das abgenickt, auch das eigene Gewissen findet: Warum sollte das nicht in Ordnung sein, wenn es im Restaurant mittlerweile normal ist?

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Schlange vor dem nun etwas weiter links liegenden Eingang des Schokoladenmuseums

Nur wenige Zwei-Meter-Abstände neben dem Schokoladenmuseum liegt das Deutsche Sport & Olympia Museum. Schlange stehen muss man hier nicht. Theoretisch werden die Besucherzahlen über die Kasse kontrolliert, praktisch ist das aktuell nicht nötig. Man befinde sich, was die Besucherzahlen betrifft, zwar wieder auf einem aufsteigenden Ast, sagt Kai Hilger, Kurator des Museums. Es ist allerdings der unterste Ast des Baums. In die Karten spiele ihnen, dass in diesem Jahr viele Menschen zu Hause Urlaub machen würden. Dafür fehlen die Gruppen und Touristen.

Allerdings: Je weniger Besucher im Museum sind, desto sicherer fühlt man sich. Auf einem Stehtisch steht ein Desinfektionsmittelspender, weiter hinten ertönt das leise Zischen eines Zerstäubers, die Kontaktflächen werden regelmäßig desinfiziert. Weiter hinten, auf der rechten Seite, baumelt ein Boxsack im Ring. Den herauszufordern ist ausdrücklich erlaubt. „Früher hatten wir da auch Boxhandschuhe liegen“, erzählt Kai Hilger. Für Viren natürlich ein Traum. Also muss der Boxsack mit bloßen Händen bearbeitet werden. Das ist in Ordnung.

Das Herz- wird zum normalen Ausstellungsstück

Eingerahmt wie der Boxsack ist der Schokoladenbrunnen im Museum nebenan. Hier bedeutet der kleine Zaun allerdings Betreten verboten, anders als die Seile im Boxring. Das Herzstück des Schokoladenmuseums mit Blick auf den Rhein in Richtung Dom, in der Pandemie ist es zu einem Ausstellungsstück wie jedes andere verkommen. Das Naschen der so anmutig, aber irgendwie auch einsam hinablaufenden Schokolade, es ist aus hygienischen Gründen nicht möglich. Und mit Maske vor dem Mund sowieso nicht. „Das ist natürlich sehr schade“, sagt Annette Imhoff. Aber es geht eben nicht anders.

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Im Sportmuseum heißt es derweil Durchatmen. Auszeit auf dem Dach des Museums, die Maske darf man auf den beiden Spielflächen abnehmen. Auch Bälle kann man sich mittlerweile wieder ausleihen. Ein kurzer Kick über dem Rhein, von unten hört man das Klackern eines Kickerballs. Vor dem Schokoladenmuseum geht die Warteschlange immer noch bis zur Drehbrücke, im Museum Ludwig stehen Besucher gedankenverloren vor Kunstwerken. Die neue Normalität, sie hat sich durchaus etwas von der alten abgeschaut.

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