Kölner Bach-FestivalKonzerte zeigen Bachs Wirken bis ins 20. Jahrhundert

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20170919 - ths - Friedenskirche Köln-Mülheim (Wallstraße 93): Neue Orgel und Organist Christoph Spering

Christoph Spering in der Friedenskirche in Köln-Mülheim

Christoph Spering zeigt mit einer neuen CD und seinem Bach-Festival ab dem 25. Oktober die Verbindung von Bach zu Max Reger. 

Christoph Spering fährt, als ausgewiesener Kölner Originalklang-Dirigent, gemeinhin auf dem Ticket eines Repertoires, das von Bach (von diesem vorzugsweise) bis Mendelssohn reicht. Seine neueste, beim Wiener (früher: Frechener) Label Capriccio erschienene CD mit den Gesangssolisten Anke Vondung und Tobias Berndt sowie den Ensembles Chorus Musicus und Neues Orchester reißt aus dieser Agenda spektakulär aus: Sie enthält (neben Orchesterliedern Gustav Mahlers) Vokalkompositionen von Max Reger.

Der Konstellation Bach – Reger ist auch das dritte Kölner Bach-Fest gewidmet, das Spering vom 25. Oktober bis zum 1. November mit vielen renommierten und auch in der Region gut bekannten Künstlern veranstaltet – mit vielen, meist kürzeren Konzerten im Antonitersaal, im Bechstein Centrum, im Gürzenich und in der Mülheimer Friedenskirche.

Kölner Musikfestival hat Bach im Fokus

Ist der Weg von Bach zu Reger (dessen 150. Geburtstag die Musikwelt in diesem Jahr begeht) für einen Alte-Musik-Experten nicht doch ziemlich weit? „Eigentlich nicht“, antwortet Spering im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „ich komme als Kirchenmusiker stark vom protestantischen Choral her, und der ist schließlich eine Klammer, die Bach und Reger umschließt.“ Tatsächlich trifft dies auch für die auf der CD enthaltenen Kompositionen zu: In Regers Vertonung von Eichendorffs „Einsiedler“ für Bariton, Chor und Orchester wird der Choral „O Welt, ich muss dich lassen“, zitiert und in derjenigen von Hebbels „Requiem“ „Wenn ich einmal soll scheiden“ (sie entstand vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs).

Harmonisch und klangsprachlich könnte der Abstand zum Thomaskantor freilich nicht größer sein: Überhaupt und auch in der anfangs platzierten Bearbeitung von Hölderlins „Hoffnung“ für Mezzosopran und Orchester sind hier wuchernde Chromatik auf der Spur von Wagners „Tristan“ und ein üppiger spätromantischer Verschmelzungssound angesagt. Das alles schwillt und fließt unter Auflösung der überkommenen Syntax in einer Weise, dass man als Hörer süchtig werden könnte.

Christoph Sperings neue CD bemüht sich um den Originalklang

In der Interpretation (und selbstredend auch in der vorzüglichen Akustik des Aufnahmeorts, der Mülheimer Herz-Jesu-Kirche) klingt das alles nun fast so, als hätte Spering nie etwas anderes gemacht. Allenfalls der Chor kommt etwas defensiv und in der Textperformance nicht optimal herüber. Er behauptet sich aber als eingeschmolzener Faktor eines insgesamt stark integrierten Klangs. Auch diesbezüglich gilt: Reger legt andere Darstellungsmaximen nahe als der Barock mit seiner musikalisch-poetischen Wortauslegung.

Auch die Bach-gewohnten Musiker aus dem Neuen Orchester hatten sich massiv umzustellen, bewältigten das aber, so Spering, mit einem „irren Ehrgeiz“. „Alte“ Instrumente waren auch bei Reger angesagt, aber eben „alte“ von 1900, nicht von 1750. Teils mussten sie, wie der Dirigent berichtet, angeschafft werden, darunter zum Beispiel eine Oboe d’amore in tiefer Stimmung. Klingt dieser Reger anders als ein von einem modernen Sinfonieorchester gespielter? Spering: „Ich denke schon. Man kann vielleicht über den Einsatz von Darmsaiten streiten, aber die Blechbläser wirken bei uns gedeckter, nicht so hell – und das hört man.“

Kölner Bach-Festival bietet reichlich Konzerte

Nun also das Festival, das die Beziehung Bach – Reger beleuchten soll, die es dann, vermittelt über Fuge und Choral, eben doch sehr intensiv ist. Mitunter nimmt diese Kombi eine sehr drastische Form an, etwa wenn Bachs fünftes Brandenburgisches Konzert einmal in Regers Bearbeitung für vier Klavierhände (mit dem Kölner Pianisten-Ehepaar Herbert Schuch und Gülru Ensari) und dann in der orchestralen Originalgestalt (mit dem Neuen Orchester unter Andrea Keller) erklingt. Beide Aufführungen finden übrigens am Allerheiligen-Feiertag, also dem 1. November, statt, an dem es in den Sälen des Gürzenich von 11 bis 18 Uhr im Non-Stop-Rhythmus Kurzkonzerte zu hören gibt. Hier fallen Bach und Reger sozusagen in eins – etwa wenn die Goldberg-Variationen in einer Fassung für zwei Klaviere von Rheinberger/Reger gespielt werden –, dort verschränken sie sich im Wechsel, etwa im Fall der Kammermusik im Mittwoch-Eröffnungskonzert mit der Geigerin Ariadne Daskalakis und dem Pianisten Anthony Spiri.

Darüber hinaus gibt es reine Bach- und Reger-Konzerte. Ein Bach-Höhepunkt dürfte mit der Kaffeekantate erreicht werden, zu der die Besucher tatsächlich Kaffee und Kuchen aus der Gürzenich-Gastronomie genießen können. Das kostet 15 Euro pro Person – was verschmerzbar scheint angesichts der Tatsache, dass ansonsten der Eintritt für sämtliche Konzerte frei ist – die großzügige Förderung von Stadt, Land und Kulturstiftung NRW macht es möglich.

Das Rheinische Kammerorchester ist mit dabei

Am Schluss des Marathons dirigiert Spering Regers berühmte Hiller-Variationen und fügt damit dem ideellen Gewölbe des Festivals sozusagen den Schlussstein ein. Denn tatsächlich stehen auf der Agenda sämtliche Variationszyklen des Komponisten – und zwar quer durch die Besetzungen. Die Bach-, Telemann- und Beethoven-Variationen für Klavier zwei- und vierhändig (unter anderem mit dem Hannoveraner Reger-Experten Markus Becker) werden genauso zu hören sein wie die Mozart-Variationen, Regers wohl bekanntestes Werk. Schuch und Ensari interpretieren auch sie in der der Klavierfassung.

Weiterhin warten der Bonner Kammerchor unter Georg Hage mit Reger-Chorwerken und das Neue Rheinische Kammerorchester mit dem Sextett Opus 118 auf. Auch der Orgelkomponist Reger wird gebührend gewürdigt – mit drei Konzerten in der Friedenskirche und den Organisten Martin Schmeding und Angela Metzger.


Alle Infos zum Festival gibt es unter: www.bach-koeln.info

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