Kölner Band Bukahara„Unser Bassist wurde als Terrorist beschimpft“

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Die Kölner Band Bukahara

  • Die vier Mitglieder von Bukahara haben jüdische, syrische, tunesische, schweizerische und deutsche Wurzeln. Aber zusammengefunden haben sie in Köln.
  • Auf ihrem neuen Album „Canaries in a Coalmine" setzen sie sich auch mit dem zunehmenden Fremdenhass auseinander.
  • Soufian Zoghlami und Max von Einem über Musik an frischer Luft gegen die vergiftete gesellschaftliche Atmosphäre.

Köln – Soufian Zoghlami, Max von Einem, die vier Mitglieder Ihrer Band Bukahara haben an der Kölner Musikhochschule studiert. Wie haben Sie dort zusammengefunden?

SOUFIAN ZOGHLAMI: Wir haben alle Jazz studiert, und das war schon sehr akademisch. Unsere Band hat sich aus einer Gegenbewegung heraus formiert zu der Attitüde: Ich mache hier meine Kunst und die Leute sollen das gefälligst hören. Uns hat der Bezug zum Draußen gefehlt. Wir wollten einfach in die nächste Kneipe, den Club, auf die Straße oder in den Park gehen und spielen. Die Band hat immer nur in der Interaktion stattgefunden. Wir wollen gemeinsam mit den Leuten etwas schaffen, egal wo, wann und mit wem. Und dabei trotzdem einen gewissen musikalischen Anspruch verfolgen, es ist ja keine reine Uffta-Musik.

MAX VON EINEM: Wir haben es auch nie forciert, mehr Reichweite zu generieren oder mehr Zuschauer. Wir wollten niemandem ein Produkt aufzwängen. Unsere Art, Straßenmusik zu machen, bestand nie daraus, an der Côte d’Azur vor den Cafés Geld einzusammeln. Wir haben uns an die eher abgelegenen Orte gestellt und für uns Musik gemacht. Kamen die Leute dann von selber, war das cool. Wir haben auch lieber um drei Uhr morgens in Berliner Techno-Clubs gespielt, als irgendwo da, wo uns keiner kennt, vor zehn Leuten ein Konzert zu geben. Wir hatten kein Konzept, der Moment musste sich gut anfühlen.

Sie vier haben jüdische, syrische, tunesische, schweizerische und deutsche Wurzeln. War Ihre unterschiedliche Herkunft ein Thema, als Sie die Band gegründet haben?

ZOGHLAMI: Eigentlich sagen wir da immer: Ne, wir haben uns einfach so gefunden. Wir wollten das Thema immer vermeiden, wir verkörpern ja auch noch den israelisch-palästinensischen Konflikt innerhalb der Band. Aber im Nachhinein denke ich, dass es mehr war als Zufall. Das war schon eine Gemeinsamkeit, so etwas Marginalisiertes zu haben und daraus eine große Stärke herauszuziehen.

VON EINEM: Wir wollten damit natürlich auch zeigen, dass Herkunft keine Rolle spielen darf.

Sie kommen auch musikalisch aus ganz verschiedenen Richtungen. Wie schnell haben Sie da zusammengefunden?

ZOGHLAMI: Das ist ganz intuitiv und superschnell geschehen. Wir haben mit ganz vielen verschiedenen Leuten gejammt und bei uns vieren hat es einfach gepasst. Vom Musikalischen her sowieso – und auch wenn wir dabei fünf Bier trinken, stimmt der Vibe.

Ihr neues Album heißt „Canaries in a Coalmine“. Bekanntlich wurden Kanarienvögel früher in Kohleminen als Warnvögel vor Grubengas eingesetzt. Sehen Sie sich selber als Kanarienvögel?

ZOGHLAMI: Als Teil davon, durchaus. Im Titelsong heißt es: „The first of us are already dying“. Denkt man bei dem Bild von den Kanarienvögeln, die bei Sauerstoffmangel von der Stange fallen an den Anschlag von Hanau, dann waren es wieder Leute, die anders aussehen, die der vergifteten gesellschaftlichen Atmosphäre zum Opfer gefallen sind. Macht man die Augen auf, gibt es überall Kanarienvögel, die als Warnsignale funktionieren, Menschen, die hier als erste über die Kante fallen. Das könnten auch wir sein, das kann theoretisch aber jeder sein.

Soufian Zoghlami, Ihr Vater ist Tunesier. Sie haben sicher selber schon rassistische Vorfälle erlebt?

ZOGHLAMI: Ja. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen, im Siegerland. Da war es nicht immer einfach als Familie mit einem dunkelhäutigen Vater. Da habe ich von klein auf meine Erfahrungen gemacht. Bei Avi ist es das Gleiche mit seinem jüdischen Vater. Ahmed, unser Bassist, hat bis vor kurzem noch einen langen Bart getragen und musste sich ständig Beschimpfungen wie „Ihr Terroristen“ anhören. Wir haben alle unsere Erfahrungen gemacht. Aber in letzter Zeit spitzt es sich zu.

Woran merken Sie denn, dass sich das gesellschaftliche Klima zum Schlechteren verändert hat?

ZOGHLAMI: Wenn man derzeit mit Bekannten in der Runde oder bei Familientreffen sitzt, und es etwa darum geht, dass jetzt wieder Flüchtlinge kommen, kippt plötzlich etwas und auf einmal sind sich ganz viele Leute einig, die das vorher nicht waren, zumindest nicht öffentlich. Es wird viel mehr gesagt. Und es werden Meinungen vertreten, die vor fünf Jahren noch als radikal angesehen worden wären. Die Leute nehmen leider auch leicht irgendwelche vorgefertigten Meinungsbausteine an.

VON EINEM: Weil sie glauben, dass sie derzeit richtig Rückenwind haben.

ZOGHLAMI: Du kannst dich über das Internet in so einer Welt verlieren, ohne zu merken, in was für einer extremen Szene du da unterwegs bist, und das die in echt aus gar nicht so vielen Leuten besteht.

Darum geht es ja auch in Ihrem neuen Song „We Are Still Here“.

ZOGHLAMI: Genau, es geht darum, dass man nicht das Gefühl bekommt, alle hätten jetzt etwas gegen Flüchtlinge. Weil es nämlich einfach nicht so ist, dass 90 Prozent der Menschen so denken würden.

Sie wohnen beide in Köln, Ihre beiden Bandkollegen in Berlin. Sind das noch tolerante Inseln der Seligen?

ZOGHLAMI: Ich bin nach Köln gezogen, weil die Stadt so offen und tolerant ist. Das sehe ich immer noch so. Ich fühle mich auch immer noch wohl in Deutschland. Aber natürlich merkt man das veränderte gesellschaftliche Klima auch hier. Ich gehe gerne mal in kölsche Eckkneipen, oder rede mit wohnungslosen Leuten, die draußen sitzen. Sogar da fangen inzwischen viele an zu hetzen.

Das Gespräch führte Christian Bos

ZUR BAND

Bukahara haben sich 2009 in Köln gegründet und haben es von ihren Anfängen als Straßenmusiker in die großen Hallen geschafft. Am Freitag erscheint ihr viertes Studioalbum „Canaries In A Coalmine“.

Am 30. April treten Bukahara, so es das Coronavirus will, im Kölner Palladium auf.

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