Alice Schwarzer gehört zu den Kritikern von Waffenlieferungen an die Ukraine. Nun zweifelt ihr Magazin an russischen Kindesentführungen.
Breite Empörung„Welch ein Abgrund“ – Kölner Frauenmagazin „Emma“ erntet Shitstorm

Alice Schwarzer, Journalistin, Publizistin und Gründerin, sowie Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma steht im Frauenmuseum in Köln. (Archivbild)
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Das Kölner Frauenmagazin „Emma“, das 1977 von einem Kollektiv um die Publizistin Alice Schwarzer gegründet worden war, bekommt nach der Veröffentlichung eines Artikels über die Entführung ukrainischer Kinder durch Russland scharfe Kritik. Das Magazin selbst sprach am Freitag unterdessen von einem „Shitstorm“.
Unter dem Titel „Raubt Russland Kinder?“ hatte Autor Helmut Scheben dort die westlichen Angaben zu Kindesentführungen aus der Ukraine in Zweifel gezogen und ausführlich auf die Ausführungen russischer Behörden verwiesen. Dabei bezog sich der Autor auch auf die Berichterstattung des Propagandasenders RT.
Kritik an „Emma“-Artikel zu Russlands Kindesentführungen
Während in dem „Emma“-Artikel keine Zweifel an den Angaben aus Moskau erkennbar sind, ist dort von angeblichen „Propaganda-Fiktionen, die seit Kriegsbeginn von zahlreichen Menschenrechts-NGO fabriziert und in großen westlichen Medien kolportiert werden“ zu lesen.
Auch dass der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen Kremlchef Wladimir Putin und die russische Kommissarin für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, wegen des Tatverdachts der unrechtmäßigen Deportation ukrainischer Kinder erlassen hat, gilt für den Autor nicht als Beleg. „Der Strafgerichtshof in Den Haag gibt nicht bekannt, auf welche Fakten er seinen Haftbefehl gründet“, heißt es dazu.
Internationaler Gerichtshof hat Haftbefehl gegen Putin erlassen
Russland hält Scheben gleichwohl jedoch zugute, dass nach Angaben des „Yale Humanitarian Research Lab“ von rund 19.000 verschleppten Kindern 1.366 hätten ausfindig gemacht und in die Ukraine zurückgebracht werden können. Das könne schließlich nicht „ohne die Mitarbeiter der russischen Behörden“ geschehen sein, heißt es im Artikel der „Emma“. Was aus Tausenden anderen Kindern geworden ist, wird derweil nicht thematisiert.
Die Vorwürfe gegen Russland, die im Text nicht entkräftet werden, dienten eigentlich nur der Dämonisierung Russlands, behauptete der Autor schließlich. „Wer eine Bevölkerung ‚kriegswillig‘ machen will, der muss den Feind als Monster darstellen“, heißt es weiter. So könnten „Verständigung“ und „Friedensverhandlungen“ verhindert werden, unterstellte der Autor niedere Motive hinter den ukrainischen und westlichen Vorwürfen.
Dass der Kreml noch in dieser Woche erneut deutlich gemacht hat, dass man weiterhin erst dann zu Gesprächen bereit ist, wenn die Ukraine Russlands Bedingungen, die einer Kapitulation gleichkommen, akzeptiert, bleibt im Text derweil unerwähnt.
Alice Schwarzer bereits mehrfach in der Kritik
„Emma“-Herausgeberin Alice Schwarzer hat sich seit Kriegsbeginn immer wieder gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen und diese Position auch gemeinsam mit BSW-Chefin Sahra Wagenknecht bei „Friedensdemonstrationen“ vertreten, das Frauenmagazin folgte redaktionell dieser Linie.
Wie bereits in der Vergangenheit gibt es dafür auch nun scharfe Kritik. Der Artikel sei „Geschichtsverdrehung besonderer Art“, schrieb etwa die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, auf der Plattform X. „Kinder werden entführt und Emma behauptet, sie würden in Sicherheit gebracht. Welch ein Abgrund. Der Kreml freut sich“, fügte die Grünen-Politikerin an.
Kritik auch von Georgine Kellermann und Micky Beisenherz
Auch der ehemalige SPD-Politiker Michael Roth fand deutliche Worte. „Was ist nur aus dem Emma-Magazin geworden?!“, fragte Roth bei X. „Verrutschte Maßstäbe, blanker Zynismus, Whataboutism, Täter-Opfer-Umkehr … ukrainische Kinder lebten in Freiheit und Frieden, bis Russland ihre Heimat mit einem völkerrechtswidrigen Vernichtungskrieg überzog“, fügte der ehemalige Bundestagsabgeordnete an.
Auch abseits der Politik sorgte der „Emma“-Text für Empörung in den sozialen Netzwerken. „Die Kinder waren in Sicherheit, als sie entführt wurden“, kommentierte die langjährige WDR-Journalistin Georgine Kellermann den Beitrag und fügte an: „EMMA heißt diese menschenverachtende Aktion der russischen Kriegstreiber gut? Wie verblendet sind Sie? Ungeheuerlich.“ Der Beitrag sei „schäbig“, befand unterdessen Micky Beisenherz, Moderator des „Kölner Treff“, bei X.
„Emma“ reagiert und berichtet von „Shitstorm“ und Beschimpfungen
Das Frauenmagazin reagierte schließlich am Freitag auf die Kritikwelle. „Den EMMA-Post zum ‚Kinderraub‘ der Russen in der Ukraine haben 374.470 UserInnen registriert – aber nur 5.332 haben den Artikel auch gelesen, also jeder 68“, schrieb das Magazin bei X und fügte an: „Fakten? Uninteressant. Gerade rast ein ‚Shitstorm‘. Zwei Drittel beschimpften uns.“
Welche angeblichen Fakten die westlichen Vorwürfe und die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshof wegen der Entführung ukrainischer Kinder durch Russland widerlegen sollen, schrieb „Emma“ nicht.
Am Freitagabend kommentierte schließlich auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, den Artikel. „Russland verschleppt ukrainische Kinder. Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Putin und seine ‚Beauftragte für Kinderverschleppung‘ erlassen“, schrieb der ukrainische Diplomat bei X – und fügte an: „EMMA relativiert und leugnet Kriegsverbrechen und macht sich zum russischen Komplizen. Frage bleibt: Wer bezahlt euch?“
Hinweis: Der Artikel wurde mit dem Statement des ukrainischen Botschafters aktualisiert.