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Kölner Nö-Theater mit „Kafka in falschen Händen“Hätte er seinem besten Freund den Verrat verziehen?

3 min
Kafka in falschen Händen - Nö-Theater November 2025

In der Inszenierung des Kölner Nö-Theaters „Kafka in falschen Händen“ rekapituliert Janosch Roloff als Max Brod seine Zeit mit Franz Kafka.

Das Kölner Nö-Theater inszeniert die Geschichte einer großen Freundschaft der Weltliteratur als reizvolles Spiel mit Fakten und Fiktion.

Wo hört die Freundschaft auf? „Alles ist ausnahmslos, am liebsten ungelesen zu verbrennen und dies möglichst bald zu tun, bitte ich dich.“ Diese Worte, mit Tinte geschrieben, findet Max Brod nach dem Tod seines engsten Freundes Franz Kafka in dessen Schreibtischschublade. So soll mit seinem literarischen Nachlass verfahren werden. Die Welt der Literatur wäre um einen riesigen Schatz ärmer, hätte Max Brod den letzten Willen seines Freundes erfüllt.

Max Brod und Franz Kafka – eine große Freundschaft der Weltliteratur

In der Inszenierung des Nö-Theaters „Kafka in falschen Händen“ rekapituliert Janosch Roloff als Max Brod noch einmal seine Zeit mit Franz Kafka. Regisseur Patric Welzbacher inszeniert die Geschichte einer der ganz großen Freundschaften der Weltliteratur auf der Bühne des Studio Trafique als reizvolles Spiel mit Fakten und Fiktion. Zwei Tische, zwei Stühle und jeweils ein Bücherregal bilden das Bühnenbild, in dem Max Brod den seelenverwandten Schriftsteller wieder zum Leben erweckt. Biografische Eckdaten der beiden Prager Freunde bilden das Gerüst für ein mitreißendes Drama, das den Zuschauer mitunter auf einen kreativen Konfrontationskurs mit dem Kosmos Franz Kafka führt.

Dabei entpuppt sich Schauspieler Janosch Roloff als dritter Teil einer grandiosen ménage à Trois. Fast schüchtern, mit (gespieltem) linkischem Gestus steigt er in den Abend ein, um dann mit feinem Humor und sibyllinischer Raffinesse das Publikum mit auf eine furiose Reise in die fantastische Welt der Worte zu nehmen. Wir folgen ihm gebannt in der Rolle des Max Brod, der früh erkennt, dass bei seinem Freund Franz Kafka Leben und Wirken untrennbar miteinander verbunden sind. Alles ist hier Wahrheit und von Wert, sodass es für ihn Chronistenpflicht im Dienste der Kunst ist, nichts dem Vergessen anheimfallen zu lassen.  

Alles ist hier Wahrheit und von Wert

Die Anekdoten über das erste Aufeinandertreffen als Studenten im Hörsaal der Prager Uni und die skurrilen Reisegeschichten ihres gemeinsamen, ersten Urlaubes sind köstliche Kleinode, während die Bühne förmlich Feuer fängt, wenn Janosch Roloff schildert, wie Kafka im Herbst 1912 vor kreativer Kraft explodiert und binnen einer Nacht mit „Das Urteil“ die literarische Weltbühne betritt. Wie sehr das schüchterne, selbstzweiflerische Genie Kafka, der kreativen Tatkraft seines zupackenden Freundes bedurfte, verdeutlicht das szenisch wundervoll witzig aufbereitete erste, verunglückte Aufeinandertreffen der beiden Prager mit den Verlegern Ernst Rowohlt und Kurt Wolff in Leipzig. Gegen Ende des Stückes rückt das moralische Dilemma über den Umgang mit dem Vermächtnis Kafkas wieder in den Fokus. Das legendäre Fernsehinterview mit Max Brod in dessen Todesjahr 1968, von Patric Welzbacher als Videoprojektion nachgestellt, konfrontiert den „Nachlassverwalter“ mit den Fragen, wie rechtmäßig es war, sich über Kafkas Wunsch hinwegzusetzen.

Auf der Bühne wird daraus ein wuchtiger Dialog zwischen dem Schauspieler und den auf Video eingespielten Interviewfragen. Hätte Kafka dem Freund den „Verrat“ verziehen? Vielleicht nicht. Aber zeigt nicht die unveränderte Relevanz von Kafkas Schriften, dass Brod mit der Prämisse, das Werk über den Autor zu stellen, richtig gehandelt hat? Dieser wunderbare Theaterabend jedenfalls wäre einem sonst entgangen.


Nö-Theater, „Kafka in falschen Händen“. Nächste Termine: 21. & 23.11., 20 Uhr, Orangerie Theater im Volksgarten Köln.