Ausstellung im Kölnischen KunstvereinIn diesem Albtraum hat man wenigstens was erlebt

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Zwei Bilder hängen an einer grünen Wand. Auf einem sind bei einem Mann Füße und Hände vertauscht.

Blick in die Ausstellung „Hoi Köln, Teil 3: Albtraum Malerei“ im Kölnischen Kunstverein

„Albtraum Malerei“ heißt die neue Ausstellung im Kölnischen Kunstverein. Aber so schlimm kommt es dann doch nicht. 

Am schönsten ist das Bild als reine Vorstellung, wenn die Leinwand weiß und alles möglich ist. Von diesem Gipfel der Malkunst geht es nur noch bergab, warnt Valérie Knoll die Besucher des Kölnischen Kunstvereins. „Schon der erste Strich ruiniert, was gerade noch vorstellbar war.“ Und dann gibt es auf dem Weg ins Tal kein Halten mehr.

Valérie Knoll hat keine sechs Monate und lediglich drei schöne Ausstellungen gebraucht, um den Kölnischen Kunstverein in eine Filiale von Dantes Inferno zu verwandeln. Zwar steht nicht „Lasst alle Hoffnung fahren“ über der Tür, aber immerhin „Albtraum Malerei“, so der Titel des dritten und abschließenden Teils ihrer Einstandsschau. Abermals geht es um die Möglichkeiten der zeitgenössischen Malerei, und das Resümee ist relativ eindeutig: Wer heutzutage noch malt, ist entweder ein Dummkopf, der es nicht besser weiß, ein Masochist, der nicht anders kann – oder ein heldenhafter Führer durch die Höllenkreise der Malerei. 

Als Maler von heute ist man ja auch wirklich gestraft: Das eigene Metier ist technisch überholt, ächzt unter einer sagenhaft reichen Tradition, und muss sich, wie Knoll im Mittelstück ihrer Ausstellungstrias zeigte, der immer besser werdenden Konkurrenz digitaler Malprogramme erwehren. Andererseits hat die Malerei ihren eigenen Tod bereits so oft überlebt, dass der „Albtraum Malerei“ einem Jungbrunnen gleicht. Man erwacht schweißgebadet, ist dann aber hellwach.

Die meisten Künstler kennt man bereits aus den vorherigen Ausstellungsteilen von „Hoi Köln“

Die meisten Künstler kennt man bereits aus den vorherigen Ausstellungsteilen, einige wenige Werke blieben sogar hängen. Ein Neuzugang ist der belgische Maler Alfred D’Ursel, der sich recht unbekümmert bei der Comic-Kultur bedient. Seine Ölgemälde versinken in „Nachtmahr“-Schwarz: Eine mit wenigen Strichen skizzierte Frau sieht sich dem Schattenriss einer gaffenden Menge gegenüber und ein Punktegesicht blinzelt etwas verloren in die Dunkelheit. Auch Merlin Carpenter wirkt nicht unbedingt, als würde ihn der Gedanke an die Alten Meister um den Schlaf bringen. Der einstige Assistent von Martin Kippenberger hat eine Lokomotive auf ein billiges Plastiktischtuch geschmiert, dessen Karomuster in der Kölner Kunstszene offenbar mal sehr beliebt war. Mit dieser Kombination aus schlechter Malerei und Insider-Witz macht man in Köln eigentlich nie etwas verkehrt.

Viele Künstler der Ausstellung fühlen sich wohl weniger von der Malerei verfolgt als von industriell hergestellten Bildern. Wie Carpenter wehrt sich auch Milena Büsch gegen geschmacklose Tischbedeckungen, indem sie diese mit Pinsel und Farbe verschlimmert und durch diese ironische Geste der Überbietung rettet. Selbst eine kitschige Blumenwiese bekommt so ihre Würde zurück. Als Tischtuch war sie vermutlich schrecklich, aber als Kunstwerk muss einem bekanntlich nichts peinlich sein. Im selben Geist nimmt sich Vittorio Brodmann dem zur Farbtubenmarke herabgewürdigten Konterfei Vincent van Goghs an. Die rettende Geste liegt bei ihm darin, den Malerkopf auf einen krummen Leib und diesen auf einen surrealen Vogel Strauß zu setzen.

Sogar die scheinbar übermächtige Tradition ist im Kunstverein eher eine Verbündete als eine Bedrohung. Monika Behr hat einen Militärmantel im altmeisterlichen Stil gemalt und so drapiert, dass sein rosa Futter wie das schutzlose Fleisch seines Trägers wirkt. Bei Dominik Sittig wirken die schrundigen Oberflächen der informellen Malerei wie einem Horrorfilm entliehen und Megan Francis Sullivan ließ sich von den toten Pferden des Realisten Adolph Menzel inspirieren. Sie kopierte einen Pferdekopf und setzte daneben eine Farbtabelle, wie man sie zum Farbabgleich an Druckereien schickt. Auch Sullivan führt einen Stellvertreterkrieg gegen die seelenlose technische Reproduktion.

So geht es durch einen Albtraum, der seinen Schrecken eher in kleinen Dosen verbreitet. An einem großen Haus und mit berühmten Künstlern, denen das zwangsläufige Scheitern mit Ruhm, Ehre und viel Geld versüßt wird, würde Valérie Knolls melodramatisches Ausstellungskonzept wohl nicht so gut funktionieren. Im Kunstverein passt es aber. Knoll zeigt Helden aus der zweiten Reihe. Aber Helden des gelingenden Scheiterns sind auch sie.


„Hoi Köln, Teil 3: Albtraum Malerei“, Kölnischer Kunstverein, Hahnenstr. 6, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 24. März 2024.

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