Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum hat die Sammlungen christlicher Missionare gesichtet - und Erstaunliches gefunden.
Kolonialausstellung im RJMWenn die Muttergottes einen Buddha schaukelt

Ein „Nageljesus“ in der Ausstellung „Missionssammlungen ausgepackt“ im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum
Copyright: Taimas Ahangari
Als sich die „Weißen Väter“ 1868 daran machten, den afrikanischen Kontinent zum christlichen Glauben zu bekehren, konnten sie nicht ahnen, dass ihnen dieser Name noch einmal Gewissensbisse bereiten würde. Heute weist die Mission gerne darauf hin, dass mit dem Weißen im Väterlichen nicht die Hautfarbe gemeint war, sondern das Ordensgewand. Es bestand aus einem nordafrikanischen Kleid und einem arabischen Kapuzenmantel und stand dafür, dass die christlichen Bekehrer zumindest im Äußerlichen nicht als Unterwerfer kamen.
Auch die Kölner Gemeinschaft der „Weißen Väter“ reiste wohl im Glauben nach Süden, Gutes zu bewirken oder die „Heiden“ wenigstens nicht ihrem von europäischen Politikern, Geschäftsleuten und Soldaten bestimmten Schicksal zu überlassen. In Afrika (und nicht nur dort) wird dies trotz einer hohen Christianisierungsquote längst anders gesehen. Auch die christlichen Kirchen müssen sich dafür rechtfertigen, Teil eines kolonialen Kontextes gewesen zu sein und Tausende Objekte aus den südlichen Kontinenten nach Europa geschafft zu haben.
In Köln lagerte das koloniale Erbe der „Weißer Väter“ zuletzt wohl in Kartons
In Köln lagerte das koloniale Erbe der „Weißer Väter“ zuletzt wohl in Kartons. Die Gemeinschaft ist auf elf Brüder geschrumpft, und spätestens als sie 2019 aus ihrem alten Stammsitz, dem „Afrikanum“ in der Ludwigsburger Straße, in eine Seniorenresidenz umzog, ging es um die Frage: wohin mit der eigenen Sammlung? Diese wurde dann nicht, wie anderswo, entsorgt, sondern dem Bochumer Centrum für Religionswissenschaftliche Studien übergeben. Dort forscht man seit etlichen Jahren zu den Missionssammlungen in Nordrhein-Westfalen und ihren 30.000 importierten Objekten. Die Ergebnisse sind in Publikationen nachzulesen und werden jetzt (zum krönenden Abschluss) im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum präsentiert.
„Missionssammlungen ausgepackt“ lautet der treffende Ausstellungstitel, weil die Mitbringsel der christlichen Missionare selten öffentlich gezeigt wurden; wo dies doch geschah, mussten die ordenseigenen Museen, wie etwa in St. Augustin, oftmals wegen versiegender Finanzmittel oder Überalterung der Gemeinschaften geschlossen werden. In Bochum wurde also erst einmal vieles ausgepackt, und dieser schwere Anfang aller Forschung hat die Ausstellungsarchitektin zu einer Präsentation „von Pappe“ inspiriert: Hölzerne Kartons sind zu Wänden aufgetürmt und die Vitrinen mit Packpapier geschmückt. Die begleitenden Texte stehen überwiegend auf Anhängern und baumeln an Schnüren.
Die Schau im zweiten Stock des RJM beginnt mit einem kurzen Exkurs zur Lehre der christlichen Missionen in aller Welt und der Frage, warum sie überhaupt Objekte aus den vorwiegend afrikanischen und asiatischen Missionsgebieten sammelten. Selbst unter den kirchlichen Gemeinschaften gab es Gewinnabsichten, aber vor allem sollten die Artefakte offenbar als Werbemittel in der Heimat dienen. Mitunter wurde der Missionsnachwuchs offenbar mit dem Reiz des „Exotischen“ geködert. Zu den Exponaten gehören aber auch Holzkisten, die dem Transport von Buddhastatuen oder indigener „Götzen“ dienten. Und als Werkzeugkasten der Missionare: ein Abendmahlkoffer.

Transportkisten in der Kölner Ausstellung „Missionssammlungen ausgepackt“
Copyright: Taimas Ahangari
Das zweite Ausstellungskapitel zeigt an wenigen Beispielen, wie die nach NRW gebrachten Objekte in den öffentlichen Ordenssammlungen präsentiert wurden. Eine Vitrine mit vielarmigen Gottheiten ist dem „Original“ exakt nachempfunden und enthält eine bunte Mischung, die, so informiert uns der Anhänger, keinerlei Rücksicht auf die (teils sehr verschiedenen) Herkunftskontexte nahm. Eine Filmaufnahme aus einem Ordensmuseum zeigt einen mit Objekten und „Naturalien“ vollgestopften Raum, der eher einer kirchlichen Wunderkammer als einer ethnologischen Sammlung gleicht. Vermutlich hätte man dort als unbedachter Besucher eine Menge Spaß gehabt; aber mit dem Anspruch seriöser Wissenschaft lässt sich das kaum vereinen.
Einige Missionsgemeinschaften wollten ihre Objekte nicht in der Kölner Ausstellung sehen, so RJM-Kurator Oliver Lueb, weil sie nicht mehr die „Ressourcen“ hätten, sich mit der erwarteten postkolonialen Kritik zu beschäftigen (bei den „Weißen Vätern“ wäre dies ein nachvollziehbares Argument gewesen). Dabei bezeugt die Mehrzahl der Exponate keinesfalls eine gewaltsame Unterwerfung indigener Kulturen, sondern vielmehr eine Vermischung „importierter“ und einheimischer Religionen. Aus der Kongo-Region stammt ein gespickter „Nagelchristus“, den es in der traditionellen europäischen Überlieferung so nicht gibt, ein peruanisches Wegekreuz setzt das Leiden Christi mit dem Sterben des letzten Inkakönigs Tupaq Amaru gleich, und eine südasiatische Muttergottes balanciert einen kleinen Buddha auf dem heiligen Schoß.
Die Bekehrung mit dem Schwert scheint ausgedient zu haben
Die Bekehrung mit dem Schwert scheint im 20. Jahrhundert weitgehend ausgedient zu haben – jedenfalls unter nordrhein-westfälischen Orden. Stattdessen sehen wir zwei riesige Wandteppiche des indischen Künstlers Jonnalagadda Grappa Chetty, der die Christus-Legende mit hinduistischen Krishna-Motiven vermischt; eine Prozession an Elefanten ist vielleicht genau das Motiv, das Christus all die Jahre auf seinem letzten Weg gefehlt hatte. Vermutlich mussten die Orden bei der Missionierung konkurrierender Weltreligionen stärker auf die lokalen Gegebenheiten eingehen, als es ihnen lieb war. Bei kleinen regionalen „Kulten“ in Afrika mag das teilweise anders gewesen sein.
Mit sieben „Interventionen“ führt das RJM die Ausstellung in der eigenen Sammlungspräsentation fort; das Kölner Haus hat mehrere Stiftungen von Missionaren erhalten. Hier kommen teilweise die Kölner Communitys aus den Herkunftsländern zu Wort, ein besonderes Anliegen von RJM-Direktorin Nanette Snoep, eine Vitrine, die (für moderne Augen kaum leserliche) Briefe eines Missionars mit rassistischen Begriffen enthält, wurde, so die Kuratorin, „möglichst verletzungsarm“ gestaltet, und eine indigene Wissenschaftlerin bekräftigt, die christliche Missionierung habe zwar auch Gutes wie Schulbildung gebracht, aber die Bevölkerung vor allem ihrer Identität beraubt.
Vermutlich hätte es sich gelohnt, das (kleine) Für und (große) Wider der Missionierung in einem begleitenden Katalog zu erörtern. Aber, wie Oliver Lueb erstaunlich freimütig zugab, konnten sich die RJM-Kuratoren nicht auf eine gemeinsame Arbeitsgrundlage einigen. Und ließen es deswegen lieber bleiben. Am Ende muss man wohl dafür dankbar sein, dass wenigstens die Ausstellung zum Thema zustande kam.
„Missionssammlungen ausgepackt“, Rautenstrauch-Joest-Museum, Cäcilienstr. 29-33, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 3. Oktober 2025 bis 8. Februar 2026.