Konzert in KölnWie Billie Eilish von ihrem Kinderzimmer aus die Welt eroberte

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Billie Eilish beim Auftritt in Manchester  

Köln – „Ocean Eyes“, der Song mit dem Billie Eilish viral gehen wird, ist eigentlich nur eine Hausaufgabe. Billies Tanzlehrer hat seine Eleven beauftragt, jeweils ein eigenes Stück für eine Choreografie zu schreiben. Ihr Bruder Finneas hat gerade „Ocean Eyes“ für seine Band geschrieben, aber die Ballade passt wirklich viel besser zu Billies Stimme. Sie ist zwar erst 13 Jahre alt, aber das hört man ihr nicht an.

Die fertige Aufnahme laden die Geschwister auf SoundCloud hoch, damit der Tanzlehrer sie sich anhören kann. Doch der bleibt nicht der Einzige, bei weitem nicht. Das Video zum Song, gedreht als „Ocean Eyes“ ein Jahr später als Single von Eilishs erster EP veröffentlicht wird, ist auf Youtube fast 400 Millionen Mal abgerufen worden. Nicht schlecht für eine Hausaufgabe.

Drei Klaviere im kleinen Haus

Ihre Tanzklasse ist neben ihrem Chor einer der wenigen Termine, zu denen sie das elterliche Heim in Highland Park, Los Angeles verlässt. Ihre Eltern sind Schauspieler und haben sich entschlossen, die Kinder zu Hause zu unterrichten. Mit starkem musischen Einschlag. Während das elterliche Bett aus Platzproblemen im Wohnzimmer steht, finden drei Klaviere in der Wohnung Platz.

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Auch ihr Debütalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“, im März 2019 veröffentlicht, hat Eilish noch in ihrem und in Finneas‘ Kinderzimmer aufgenommen. Und das hört man. Nicht weil die Produktion irgendwie unprofessionell klänge, sondern weil das Album eine Standleitung in die Angst- und Neurosejahre des Aufwachsens legt: Eilish‘ Stimme klingt wie aus einem Nackenhaar-aufstellenden ASMR-Video gesampelt, die Bässe grollen wie ein die Türen aus den Angeln hebender Wutanfall, die Texte erzählen von Nachtschrecken (ihr erstes eigenes Lied hat sie mit elf Jahren über die bevorstehende Zombie-Apokalypse geschrieben) und zelebrierten das Außenseitertum, in dem sich so gut wie Teenager gefangen fühlt.

Wie eine Schwester unter der Bettdecke

Billie Eilish zu hören, das ist, wie einer Schwester zu lauschen, die einem unter der Bettdecke Skandalgeschichten zuflüstert.

Sie ist 17 und hat beinahe schon alles erreicht. Mit 18 gewinnt sie bei der Grammy-Verleihung in den vier wichtigsten Kategorien, als erste Frau überhaupt. Im selben Jahr wird sie die jüngste Interpretin und Komponistin eines James-Bond-Titelsongs.  

Dass sie die Fieberanfälle ihres Debüts schon mit ihrem zweiten, sarkastischerweise „Happier Than Ever“ betitelten Album gebändigt hat, zeugt nur vom beschleunigten Reifeprozess des Fast-noch-Kinderstars. Ihre Einflüsse sind jetzt nicht mehr Skrillex oder der frühe Tyler, the Creator, sondern die 1950er-Jahre-Croonerin Julie London. Die Dinge, die sie einst so genossen hat, singt Eilish im Song „Getting Older“, dienten ihr heute nur noch als Erwerbsquelle, beziehungsweise als Beschäftigungstherapie.

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Abgeklärtheit ist auch nur eine Pose auf dem Weg zum Erwachsenendasein. Mit dem Ergebnis, dass nun Abend für Abend Zehntausende junge Menschen Billie Eilishs ernüchternde Zeilen über die Nachteile des frühen Ruhms in den Arenen diese Welt mitsingen. Am Dienstagabend tritt die wichtigste Stimme ihrer Generation, die Flüsterin aus dem Kinderzimmer, in der ausverkauften Kölner Lanxess-Arena auf.

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