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„Künstlerinnen!“ in DüsseldorfVon Männern kann man nichts lernen

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Obst liegt auf einem Tisch.

Emilie Preyers „Stillleben mit Trauben, Reineclauden, Pfirsich und Haselnüssen“ 

Im 19. Jahrhundert gab es kaum Künstlerinnen? Von wegen. Der Kunstpalast in Düsseldorf stellt 31 von ihnen vor. 

„Warum gab es keine großen Künstlerinnen?“, fragte Linda Nochlin 1971 in ihrem berühmten gleichnamigen Essay, und der Versuch, darauf eine Antwort zu finden, erschien damals nur jenen müßig, die sich heimlich dachten (oder es offen aussprachen): „Weil sie keine Männer sind.“ Mit dieser Meinung fand man sich 1971 auf der Mehrheitsseite wieder, heute führt man den historischen Mangel großer Künstlerinnen eher auf den Überlebenskampf der Meeresschildkröte zurück. Die schlüpfen in großer Zahl an Land, damit einige wenige das Meer erreichen; die Kunstgeschichte schickte über Jahrhunderte hinweg jedoch sehr viel mehr Männchen als Weibchen ins Rennen um die vor dem Tod durch Vergessen rettende Großartigkeit.

Viele Hindernisse zur künstlerischen Großartigkeit wurden für Frauen mittlerweile aus dem Weg geräumt – so nimmt die Düsseldorfer Kunstakademie heute ganz selbstverständlich Schülerinnen auf. Zwischen 1819, dem Jahr ihrer zweiten Gründung, und 1919 tat sie das nicht, was Frauen aus ganz Deutschland und halb Europa allerdings nicht davon abhielt, in Düsseldorf ihr Glück als freischaffende Künstlerin zu suchen. In der hoch angesehenen Akademie blieben die Männer unter sich, während die Frauen privaten Unterricht nahmen – teilweise bei den gleichen Lehrern. Leider, wie man heute sagen muss.

Ein Mädchen steht mit Strickzeug im Wald.

Minna Heeren: „Strickendes Mädchen“

Wie großartig könnte die aktuelle „Künstlerinnen!“-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast sein, hätten sich Amalie Bensinger, Minna Heeren, Paula Monjé und all die anderen nach Düsseldorf gereisten Frauen weniger um das geschert, was ihnen ihre Lehrer beibrachten. Jedenfalls wäre ihnen das Schicksal ihrer unzähligen männlichen Kollegen erspart geblieben, deren Gemälde heute wahlweise als sterile akademische Übungen, Ölschinken oder andere abschreckende Beispiele dafür dienen, wie dramatisch sich der Kunstgeschmack wandeln kann. Zwischen 1830 und 1870 galt die Düsseldorfer Malerschule als führend (jedenfalls im künstlerisch rückständigen deutschen Reich). Als Gabriele Münter 1897 nach Düsseldorf kam, fand sie den Unterricht (und die dortige Malerei) nur noch „enttäuschend öde“.

Schreitet man jetzt die Säle der „Künstlerinnen!“-Ausstellung ab, kommt einem Münters Urteil immer mal wieder in den Sinn. Von den etwa 500 Künstlerinnen, die sich nach neuesten Erkenntnissen zwischen 1819 und 1919 in Düsseldorf nachweisen lassen, haben die Kuratorinnen 31 ausgesucht, um sie stellvertretend dem Vergessen zu entreißen und mit ihnen eine Lücke der Kunstgeschichte zu schließen. Auch heute ist es schließlich noch interessant, welche Erwartungen Frauen damals als Künstlerinnen zu erfüllen hatten – und wie sie gegen diese kämpften oder sich ihnen ergaben.

Frauen sitzen an Staffeleien und malen.

Gertrud von Kunowskis „Die Malschule, Atelier der Künstlerin in Düsseldorf“ (1912)

Von Minna Heeren ist in der Ausstellung ein sehr schönes, in romantische Düsternis getauchtes „Strickendes Mädchen“ (1854) zu sehen; es steht aufrecht vor einer schwarzen Wand, die am linken Bildrand zu Baumwipfeln ausfranst. Vergleichsweise pausbackig wirkt dagegen Amalia Lindegrens „Mädchen mit einer Orange“, das ein Jahr später entstand. Gemeinsam umreißen sie ein Gebiet, auf dem Malerinnen die größte Kompetenz zugesprochen wurde: Kinder- und Jugendporträts. Lediglich Stillleben und Pflanzenmalereien von Frauen standen höher im Kurs. Da man von Malerinnen erwartete, gleichzeitig auch Ehefrau und Mutter zu sein, erschienen diese Gattungen als das „natürliche“ Betätigungsfeld des Weiblichen, etwas, das neben oder als Erweiterung der bürgerlichen Kindererziehung zu leisten sei. Ähnliches galt für den Blick in den Spiegel: Selbstporträts und Bildnisse anderer Frauen.

Innerhalb dieser in Düsseldorf (aber nicht nur dort) gezogenen Grenzen war einiges möglich. Elisabeth Jerichau-Baumann erregte mit einer „ägyptischen“ Mutter Aufsehen, die sich, Heilige und Hure zugleich, der Säuglingspflege in verführerischer Pose und leichtem Kleid hingibt. Beinahe so einladend sind die Damen auf Jerichau-Baumanns Großformat „Italienische Osteria“, die sämtliche Italiensehnsüchte und Landesklischees übererfüllt. Diese Bilder haben heute einen schaurig-schönen Reiz. Aber man nimmt von ihnen doch vor allem die Erkenntnis mit, dass es bereits im 19. Jahrhundert eheliche Doppel- und Allianznamen gab.

Gabriele Münter stieg trotz Düsseldorf zur blauen Reiterin auf

Auf dem Markt und bei kaiserlichen Kuratoren waren solche Frauenbilder durchaus gefragt. Eine traurige, aber großartig ausstaffierte „Schwarzwälderin“ (1899) von Alma Erdmann wurde von der Berliner Nationalgalerie angekauft und in der populären Illustrierten „Gartenlaube“ zum Allgemeingut. Gut gemalt ist das Bild, und für das Gut-Gemachte zahlte man damals auch gutes Geld; insofern hatte sich die Düsseldorfer Ausbildung gelohnt. Heute wirkt das auf die Dauer eher stickig, und man atmet erleichtert auf, wenn Fanny Churberg auf ihren Landschafts-Ölskizzen in flüchtigen Eindrücken schwelgt; vor allem ihr „Mondlicht“ hat annähernd abstrakte Qualität.

Auf der Schlussgeraden der Ausstellung geben die Kuratorinnen dem modernen Geschmack nach. „Modern statt Düsseldorf“ steht über einer Galerie von Gabriele-Münter-Werken, die ihre öden Düsseldorfer Lehren so gründlich vergaß, dass sie zur blauen Reiterin aufstieg. Auch bei anderen modernen Künstlerinnen bleibt fraglich, was sie aus der akademischen Malerschule mitgenommen haben sollen. Über Ilna Ewers-Wunderwald heißt es, ihr Ausbildungsweg sei unbekannt; tatsächlich wurde ihr eigenwilliger, von japanischen Holzschnitten, botanischen Zeichnungen und den Präraffaeliten inspirierter Stilmix an keiner Schule, privat oder staatlich, gelehrt.

Am Anfang der Schau hängt das Bild eines (heute vergessenen) Malers, das eine von Frauen bereinigte Ausstellung zeigt; Kunst und Kunstbetrachtung sollten Männersache bleiben. Am Ausgang ist dazu Gertrud von Kunowskis „Die Malschule“ (1912) als Kontrapunkt gehängt. Es zeigt skizzenhaft das Atelier der Künstlerin, in dem sie gemeinsam mit ihrem Ehemann mehreren Frauen das Malen und Zeichnen beibringt. Eine Allegorie der Gleichberechtigung ist dieses Bild noch nicht. Aber ein untrügliches Zeichen dafür, dass das weibliche Geschlecht beim Überlebenskampf aufholt.


„Künstlerinnen! Von Monjé bis Münter“, Kunstpalast, Düsseldorf, bis 1. Februar 2026. Der Katalog kostet 50 Euro.