Kunst, Nostalgie und KölschWarum Kasper König jetzt in Postkarten und Kalendern macht

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Kasper Königs Abreißkalender

Kasper Königs Abreißkalender

Köln – Kasper König (77) gehört zu den renommiertesten Kuratoren der deutschen Kunstszene. In den Jahren 2000 bis 2012 war er Direktor des Kölner Museum Ludwig, 1976 gründete er gemeinsam mit Klaus Bußmann die Skulptur Projekte Münster. Am 30. September kommt im Kölner Strzelecki Verlag ein Abreißkalender mit von König collagierten Postkarten in den Handel.

Herr König, Sie haben einen Abreißkalender mit Ihren in der Kunstwelt legendären selbst gebastelten Postkarten herausgegeben. Warum eigentlich? Kasper König: Die Kölner Verlegerin Carmen Strzelecki hat mit mir vor einigen Jahren ein kleines Interviewbüchlein gemacht. Dieses Ding ist erstaunlich erfolgreich. Deswegen kam Carmen auf die Idee mit den Postkarten. Ich habe zuerst abgelehnt, fand aber die Sache interessant, weil ein Papierkalender genauso anachronistisch ist wie Postkarten. Beides gibt es zwar noch, aber es steckt keine Vitalität mehr drin.

Sie überkleben gekaufte Kunstpostkarten mit Zeitungs- oder Magazinausschnitten, das sind richtige kleine Collagen. Ja, das sind einfach Assoziationen. Manchmal sind die auch ein bisschen peinlich, pornografisch oder gotteslästerlich. Ich muss mir also genau überlegen, wem schicke ich was. Dann ziehe ich das Passende aus dem Fundus. Manchmal schicke ich aber auch die falsche Karte an die richtige Person oder umgekehrt.

Ich versuche, die Wichtigtuerei der blöden Kunstwelt auf den Punkt zu bringen

Ach so, Sie gestalten die Postkarten auf Vorrat. Ist an Ihnen ein Künstler verloren gegangen? Nein, das nicht gerade. Aber wenn man sein Leben lang Kunst anguckt, lernt man viel dabei. Ich versuche in meinen Collagen meist, gewisse Widersprüche und die Wichtigtuerei dieser blöden Kunstwelt humorvoll auf den Punkt zu bringen. Ich habe eine ständige Sammlung, bestimmt 2000 Stück. Immer wenn ich meine Post mache, lese ich mit der Schere. Ein bisschen ist das auch Ablenkung und Therapie.

Wie läuft das denn genau: Kaufen Sie sich einen Stapel Karten und nehmen sich einen Tag für die Collagen frei? Das läuft automatisch nebenher. Jetzt gerade zum Beispiel muss ich mich bei Ärzten rumschlagen. Da sitze ich dann im Wartezimmer, und die Leute gucken mich entsetzt an, weil ich aus diesen blöden Illustrierten, die da rumliegen, irgendetwas ausschneide. Wenn ich zuhause bin, verarbeite ich das unmittelbar und tue es erst mal weg. Manchmal starte ich aber auch sofort eine Postkartenkampagne. Das große Vorbild sind natürlich die Montagen von John Heartfield. Aber, wie gesagt, ich sehe mich nicht als Künstler. Ich bin nur jemand, der sich mit dem beschäftigt, was Künstler machen.

Wer hat die Postkarten für den Kalender ausgewählt? Da habe ich mich ganz rausgehalten, das haben Carmen Strzelecki und Andreas Prinzing besorgt. Beim Kalender gibt es ja keine persönliche Note. Da macht es nur Sinn, wenn jeder die Karten zu jedem Anlass versenden kann.

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Warum verschicken Sie überhaupt so etwas Altmodisches wie Postkarten? Da gibt es diesen Nostalgieeffekt. Es gibt immer weniger interessante Post und immer weniger Briefkästen, dafür immer mehr Internet und dies und das. Postkarten habe ich schon lange zum Hauptmedium meiner geschäftlichen Korrespondenz gemacht. Mich schreiben häufig junge Künstler an, weil sie eine Galerie suchen oder eine Ausstellung machen möchten oder mir eine Publikation schicken. Die haben sich dafür richtig krummgelegt und sich Gedanken gemacht. Das will ich würdigen, indem ich sofort reagiere und meine Absage wenigstens hübsch verpacke. Darauf werde ich manchmal 20 Jahre später noch angesprochen.

Seit wann geht das so? Angefangen hat das durch die Bekanntschaft mit dem Künstler On Kawara. Der hat mir in den 1960er Jahren Kunstpostkarten mit aufgeklebter Eintrittskarte geschickt, wenn er in den USA im Museum war. Daraufhin habe ich ihm Geld für Postkarten gegeben, die er mir aus Lateinamerika schicken sollte. So entstand die Serie „I got up“ mit täglichen Karten, auf denen die Uhrzeit stand, zu der On Kawara morgens aufgestanden war. Das hat mich herausgefordert, selbst zu schreiben.

Schreiben Sie diese Postkarten auch privat? Ja klar. Aber leider ist die alte Konvention der privaten Postkarte verloren gegangen. Also wo man seiner Mutter aus dem Urlaub schreibt: Schade, dass du nicht da bist. Und in Wahrheit war man heilfroh darüber und hat in Ruhe Gras geraucht. Hin und wieder sieht man das noch in Kneipen, wenn die Stammgäste aus Mallorca schreiben: Ich vermisse mein Kölsch, hier gibt es nur Pils.

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