„Chagall, Matisse, Miró... Made in Paris“Museum Folkwang zeigt Druckgrafiken der ganz großen Künstler

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Auf dem Bild sind verschiedene Zirkusartisten in bunter Kleidung zu sehen.

Fernand Leger: Ohne Titel, 1950. Aus dem Portfolio Cirque, Farblithografie, 42 x 63,5 cm

Die Ausstellung „Chagall, Matisse, Miró... Made in Paris“ im Museum Folkwang widmet sich Druckgrafiken in der Moderne. Es sind auch Werke von Van Gogh, Picasso und David Lynch zu sehen.

Einfache Umrisslinien und silhouettenhafte Figuren sind typisch für Henri de Toulouse-Lautrecs Lithografien mit Motiven aus den Pariser Varietés, Café-Concerts und Tanzlokalen, Salons und Bordellen. Mit seinen Plakaten ist der französische Maler und Grafiker vielleicht der bekannteste, begeistert aber sind sie alle: Die Druckgrafik erfährt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei vielen Künstlern eine bis heute andauernde erneute Wertschätzung.

Théophile-Alexandre Steinlen, Vincent van Gogh, Pierre Bonnard, Georges Braques, Alfred Manessier und viele ihrer Kollegen hatten das vielseitige Medium und das Prinzip des Seriellen irgendwann für sich entdeckt. Neue technische Möglichkeiten und Materialien und vor allem die Neuorientierung in Bildthemen und Ausdrucksformen ließen die Künstler bald reihenweise zu den reproduzierenden Techniken greifen.

Ausstellung in Essen zeigt große Künstler, die in Paris gewirkt haben

Die Stadt spielte, da besteht kein Zweifel, eine wesentliche Rolle für die Entstehung der modernen Kunst, und genauso gilt dies für die Geschichte der Druckgrafik, ihre Herstellung und ihren Vertrieb. Das ist jetzt umfassend in der Ausstellung „Chagall, Matisse, Miró... Made in Paris“ im Museum Folkwang in Essen zu entdecken. Lithografische Originalplakate spielen hier eine prominente Rolle. Nicht nur besitzt das Museum selbst eine beachtliche Sammlung, zusätzlich konnten auch einige wichtige Exponate aus anderen Sammlungen ausgeliehen werden.

Damals, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der Hochphase des bald sogenannten Japonisme (1860-1910), ließen sich viele Künstler unter anderem auch von der japanischen Kunst inspirieren. Diese war im Zuge der immer globaler werdenden Handelsbeziehungen in die französische Hauptstadt gelangt. Besonders die Weltausstellungen (in Paris 1867, 1878, 1889 und schließlich 1900) spülten neue Kunst und exotische Artefakte nach Europa und mit ihr neue Ideen und Kunstpraktiken.

Bei Van Gogh sieht man die neue Bildauffassung deutlich

Die akademischen Konzepte von Klassizismus, Historismus und Naturalismus hatten ohnehin ihre Anziehungskraft verloren, die europäischen Künstler waren auf der Suche nach etwas Neuem. Bildmotive und Stilmittel, künstlerische Techniken und Ausdrucksformen der japanischen Kunst wurden nun in allen erdenklichen Weisen und Formaten angeeignet und weiterentwickelt.

Neben den exotischen Motiven war es vor allem die neue Bildsprache, die die Kunst damals revolutionierte. Dazu kam auch die Rückbesinnung auf traditionelle Techniken zur Bildproduktion in Serien. Paul Cézanne etwa schuf seine Serien der Montagne Saint-Victoire auch in Kenntnis der in Japan populären Tradition serieller Druckgrafik. Und Vincent van Gogh ist wohl einer der europäische Künstler, an dessen grafischem wie auch malerischem Oeuvre sich die Anverwandlung der neuen Bildauffassung besonders deutlich zeigt.

Das Bild zeigt einen mit schwarzer Tinte gemalten Reiter, der einen Stier mit einer Lanze bedroht. Am Bildrand ein Stierkämpfer mit Tuch, im Hintergrund ein paar Zuschauer.

Pablo Picasso: Alanceando a un toro (einen Stier mit der Lanze stechen), 1959, Blatt 26 aus dem Portfolio: La Tauromaquia Aquatintaradierung, 19,5 x 29 cm

Die Abkehr von der gesteigerten Dreidimensionalität ist eines der Hauptmerkmale, die damals nicht nur die Bilder des Holländers prägten. Starke Farbkontraste, leere Flächen, Anschnitte und gewagte Perspektiven bestimmen nun viele der Werke auch von Henri Matisse, Edgar Degas oder Edvard Munch. Die Zentralperspektive hatte ausgedient. Raumtiefe geht verloren, Linie und Fläche haben das Bildregime übernommen.

Museum Folkwang gibt Überblick über die Künstlergrafik der Moderne

Es blieb allerdings längst nicht bei den für die auf Fernwirkung angelegten Farblithografien für Plakate. Auch sehr viel kleinere subtilere Arbeiten entstanden für Buchillustrationen, Portfolios oder Künstlerbücher mit Originalgrafiken, die Mappenwerke von Maurice Denis und Émile Bernard etwa, Marc Chagalls „Daphnis und Chloé“ oder Pierre Bonnards zwölfteilige Mappe „Einige Ansichten aus dem Pariser Leben“ (1899),  die alle jetzt in Essen zu sehen sind.

Vor allem auf Initiative (und Risiko) von Verlegern entstehen in den Pariser Druckwerkstätten bald zahllose Plakate und Grafiken nach Holzschnitten, Radierungen, Lithografien. Denn, Ambroise Vollard, Tériade, Aimé Maeght und Kollegen haben neben dem künstlerischen bald schon auch den ökonomischen Wert der Grafiken erkannt und die Sammler bis heute geben ihnen recht.

Das Museum Folkwang hat in seiner Ausstellung einen wunderbaren Überblick versammelt über die Geschichte der Künstlergrafik der Moderne. Henri Matisses atemberaubende Scherenschnitte für „Jazz“ (bei Tériade publiziert 1947), Picassos Aquatinta Stierkampfserie „Tauromaquia“ (1956), „Cirque“ von Fernand Léger, aber auch neuere Arbeiten von Jim Dine, Roland Topor oder David Lynch zeugen von dem anhaltenden Erfolg der Pariser Druckwerkstätten. Diese Tradition besteht bis heute fort. Bezeichnenderweise sind Frédérique Loutz (*1974) und Olympe Racana-Weiler (*1990) allerdings die einzigen weiblichen Positionen.

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