Nachruf auf Albert UderzoAsterix-Zeichner wurde fast so alt wie Methusalix
Albert Uderzo war nicht zum größten Comiczeichner Frankreichs geboren. Zum einen, weil der Sohn italienischer Einwanderer erst mit sieben Jahren die französische Staatsbürgerschaft erhalten hat. Und dann auch, weil er mit sechs Fingern an jeder Hand zur Welt gekommen war, die überschüssigen Glieder wurden ihm dann später operativ entfernt. Außerdem hatte er, wie sich herausstellte, als er mit elf Jahren vom Skizzieren zum Malen wechselte, eine Rot-Grün-Sehschwäche, weshalb er fortan seine Farbtuben beschrifteten musste.
Andererseits fiel das Zeichentalent des jungen Albert bereits im Kindergarten im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois auf, auch wenn der von einer Karriere als Clown träumte, oder wahlweise als Flugzeug-Mechaniker. Doch auch die Comic-Strips, die aus dem fernen Amerika kamen, faszinierten ihn: Milton Caniffs realistisch gezeichnete Abenteuergeschichte „Terry und die Piraten“ ebenso wie Floyd Gottfredsons Mickey-Mouse-Strips, in denen die kleine, gewitzte Maus auf ihren Erlebnissen von einem großen, tumben Freund namens Goofy begleitet wurde.
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Die Deutschen besetzten Paris und verhinderten Uderzos Ausbildung zum Flugzeug-Mechaniker. Stattdessen fing der 13-Jährige in der Grafikabteilung eines Verlages an, wo er schon bald seine erste Illustration einreichte, zu einer Fabel von Aesop. Nach dem Krieg versuchte er sich, inspiriert von Walt Disney, als Animator, wandte sich aber, enttäuscht vom hohen Aufwand und den dürftigen Ergebnissen, schnell wieder ab und dem Comic-Geschäft zu: Gemeinsam mit Jean-Michel Charlier entstehen Bildergeschichten um den bärenstarken Ritter Belloy. Später wird er mit dem ähnlich Luftfahrt-begeisterten Charlier die realistisch gezeichnete Flieger-Serie „Mick Tanguy“ herausbringen.
Dazwischen fällt die entscheidende Begegnung in Albert Uderzos Leben: 1951 trifft er René Goscinny, der sich nach einer Zeit in New York gerade in der europäischen Comic-Hauptstadt Brüssel niedergelassen hat. Das Kreativ-Paar versteht sich auf Anhieb. Uderzo ist der begabtere Zeichner, Goscinny verlegt sich auf die Arbeit des Szenaristen. Ihre erste Serie dreht sich um die Abenteuer des jungen Piraten Pit Pistol, mit „Luc Junior“ eifern sie „Tim und Struppi“ nach, der muskelbepackte Indianer Umpah-Pah wirkt dagegen schon wie ein Vorläufer von Asterix und Obelix, inklusive zahlreicher Nebenfiguren, die an die allseits vertrauten Bewohner eines Dorfes von unbeugsamen Galliern erinnern. „Umpah-Pah“ erschien in Hergés Magazin „Tintin“, angeblich konnte der „Tim und Struppi“-Schöpfer den Strip nicht ausstehen.
Kurz darauf gründeten Uderzo und Goscinny zusammen mit anderen Zeichnern das Magazin „Pilote“. Gleich in der ersten Ausgabe stellen sie ihre neueste Schöpfung vor: Asterix, den Gallier. Die gallische Kultur hatte Uderzo stets fasziniert, jedes französische Schulkind kennt Vercingetorix’ großen, aber vergeblichen Aufstand gegen die römischen Truppen des Gaius Julius Cäsar. Das Heimatdorf seiner Helden verlegte Uderzo an die Bretonische Küste, weil er dort zusammen mit seinem älteren Bruder die letzten Kriegsjahre verbracht hatte. Zuerst hatte Uderzo Asterix als großen Krieger, als französische Version von Umpah-Pah, gezeichnet, Goscinny aber wollte an Stelle des stereotypischen Helden lieber einen kleinen, dafür umso listigeren Krieger. Woraufhin ihm Uderzo einen großen, starken, aber nicht allzu schlauen Gefährten zur Seite stellte — der in den ersten Ausgaben übrigens noch gar nicht so rundlich ist, von dick ganz zu schweigen.„Asterix“ wurde zum Überraschungserfolg, bald galt der Gallier als Maskottchen von „Pilote“ und das Magazin als ernsthafte Konkurrenz zu den beiden belgischen Marktführern „Tintin“ und „Spirou“.
Internationaler Erfolg leicht zu erklären
Im Nachhinein ist der internationale Erfolg — ausgerechnet „Asterix“, diese französischste aller Comicserien, wurde in 110 Sprachen übersetzt — nicht schwer zu erklären: Die römische Vergangenheit teilen sich fast alle Länder Europas, die klischeehaften Darstellungen anderer Völker machen sich vor allem über die Vorurteile der Franzosen lustig. Kinder freuen sich über aus dem Bildpanel gehauene Römer, Erwachsene über die zahllosen wortwitzelnden Anspielungen. Und Uderzos Zeichenstil reift von Band zu Band zu absoluter Meisterschaft: seine Bildfolgen wirken so dynamisch wie diejenigen Franquins, sind dabei aber so aufgeräumt wie Hergés Ligne claire. Seine Figuren sind von kindlicher Rundheit, ohne jemals ihre satirische Schärfe zu verlieren.
Reichhaltiges Frühwerk
Der riesige Erfolg bedeutete auch, dass Uderzo sein Schaffen voll und ganz auf „Asterix“ konzentrierte und sein reichhaltiges Frühwerk größtenteils in Vergessenheit geriet. Als 1977, mitten in der Arbeit zu „Asterix bei den Belgiern“, Goscinny im Alter von 51 Jahren an einem Herzinfarkt stirbt, muss Uderzo von seinem französischen Verlag per Gericht dazu gezwungen werden, den Band abzuschließen. Anschließend führt er die Serie alleine weiter, mit gemischten Ergebnissen: die zeichnerische Qualität bleibt weiterhin hoch, doch als Erzähler kann es Uderzo nicht mit seinem toten Kollegen aufnehmen. Trotzdem, „Asterix“ lebt weiter, auch im Trick- und im Realfilm und als Freizeitpark, es ist die eine Comicserie, die Menschen zitieren können, die sonst nie im Leben ein Comic lesen würden.
Als eine Arthrose ihn darin hinderte, selbst weiter zu zeichnen, bestimmte Uderzo selbst seine Nachfolger als Szenaristen und Zeichner, sein Werk war abgeschlossen, aber Asterix lebt weiter. Am 24. März ist Albert Uderzo, dieser Gigant europäischer Comic-Kunst im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in Neuilly-sur-Seine an einem Herzinfarkt gestorben. In einem Monat hätte er das Alter von Methusalix, dem Dorfältesten der unbeugsamen Gallier, erreicht.