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PeterLicht„Die digitale Welt ist eine riesige Enteignungsmaschine“

5 min
Peter Licht im Kölner Café Wahlen.

Peter Licht im Kölner Café Wahlen.

Der Kölner Autor und Songschreiber glaubt an die Kraft der Hoffnung. Und verbreitet sie bei zwei Veranstaltungen im Schauspiel – einer Lesung aus seinem neuen Buch und bei einem Abend als „Der Problemlöser“.

Es gibt genug Gründe, zu verzweifeln. Und es gibt PeterLicht, der dagegen anschreibt und ansingt. Der Prophet des Absurden und der einzige Mensch, dessen (angeblicher) bürgerlicher Name – Meinrad Jungblut - künstlerischer als sein Künstlername klingt.

Gerade hat der Kölner Autor, Musiker und Regisseur ein neues Buch veröffentlicht. Und der Titel – „Wir werden alle ganz schön viel ausgehalten haben müssen“ – klingt erstmal nach Deutschunterricht für Fortgeschrittene: Futur 2 Passiv. Doch er bringt tatsächlich PeterLichts Haltung auf den Punkt: Auch wenn es schlimm ist, die Hoffnung nicht verlieren. Den Kopf nicht in den Sand stecken und statt Nachrichten nur noch Rezepte für Sauerteigbrot lesen. Sondern das Ende des Schlimmen für möglich halten. Und, wenn's geht: beschleunigen. Er ist überzeugt: „Antidemokratische Systeme beabsichtigen, dass wir ängstlich und verzweifelt werden. Und so unsere Handlungsfähigkeit verlieren. Wir beschenken sie mit unserer Angst – die ist das Einzige, was sie von uns haben wollen.“

Das Buch ist ein Sammelsurium aus kurzen Geschichten, Essays, Dialogen, Bildern, teilweise auch Lyrik. Lichts literarische Spezialmischung vereint Groteskes mit tiefem philosophischem Ernst, eine klare politische Haltung und den unbedingten Willen zur beschwingten Heiterkeit. „Ich musste beim Schreiben sehr viel lachen. Und ich habe auch erlebt, dass Leute viel lachen müssen, wenn ich daraus vorlese. Es ist aber auch sehr abgründig und führt in die dunkle Seite der Welt. Es ist absolut beides. Und so nehme ich auch die Welt wahr.“

Hoffen auf das Ende des Schlimmen

Ein fiktives Bewerbungsschreiben von ihm als Parlaments-Sänger ist dabei. Ein kurzer Dialog mit dem Schaum am Boden der Kaffeetasse, der aussieht wie James Dean. Satirische Abrechnungen mit elitären Lifestyle-Trends. Und der Text „Wie das ist, wenn Diktatoren sterben“, der so ein Ende des Schlimmen beschreibt, auf das wir laut PeterLicht hoffen dürfen und sollten.

Es geht um Stalin, der einen Herzinfarkt hat – und niemand traut sich in sein Sterbezimmer. „Und dann stirbt er eben, weil keiner mehr reingeht. Was ich eine unglaubliche Metapher finde“, sagt er beim Gespräch in seinem Kölner Lieblingscafé Wahlen. Ein Bild „dafür, dass man sich nicht so erdrücken lässt von der Kraft, die das hat, wenn diese Figuren agieren. Sondern sich vor Augen hält, dass es auch was anderes gibt und geben wird.“

Stalin lässt sich durch den jeweiligen Lieblingsfeind ersetzen – ob das jetzt die AfD ist, Trump, Putin. Oder alle zusammen. „So wie der IS das Ende des Islams ist, wie die Inquisition das Ende des Christentums war, so wird Donald Trump das Ende des Kapitalismus sein“, heißt es im Buch. PeterLicht hat das geschrieben, als Trump 2016 das erste Mal zum Präsidenten gewählt wurde. Was an sein „Lied vom Ende des Kapitalismus“ mit dem fröhlichen Ohrwurm-Refrain „Jetzt isser endlich vorbei“ erinnert. Als könnte das Ende kommen, wenn man es nur oft genug gemeinsam beschwört.

Wenn bei einem seiner Konzerte alle mitsingen, hat das etwas von einem Gottesdienst, nur eben ohne Gott und mit Pop. Vielleicht ist es also kein Zufall, dass er ausgerechnet am 4. Advent als „Der Problemlöser“ im Kölner Schauspiel auftritt – so etwas wie ein Pop-Messias für den Hausgebrauch: „Wir fordern die Leute, die an dem Abend kommen, auf, uns ihre Probleme zu schicken. Den Chatverlauf mit dem Vermieter, Widerspruchsbescheide, oder der Deckel der Mülltonne ist kaputt und die Hausgemeinschaft macht mich jetzt dafür verantwortlich – was auch immer“, erklärt er das Konzept des Abends. Das Ganze wird dann vertont und gemeinsam gesungen: „Idealerweise entstehen hymnische Refrains dabei, die das ganze Publikum dann inbrünstig mitsingt. Und dem Probleminhaber sozusagen die Erlösung schenkt.“

Alles, was nicht mega groß ist, kulturelle Nischen, Subkulturen, - das existiert nicht mehr wirtschaftlich.
PeterLicht

So hält es PeterLicht auch mit seinem eigenen Leben. Wenn es schwierig wird, macht er einen Song oder einen Text draus, „wie so eine Blume aus dem Misthaufen“. Und schwierig ist es natürlich als Autor und Musiker im Zeitalter von Spotify und Künstlicher Intelligenz. „Die digitale Welt ist eine riesige Enteignungsmaschine“, ist er überzeugt. Vor ein paar Jahren wollte einer der Spotify-Gründer den Premier League Club Arsenal kaufen. „Und dieses Hobby ist eigentlich sonst etwas, was russische Oligarchen machen, also Multimilliardäre. Um nur mal das Verhältnis aufzureißen.“ Die Stars hätten natürlich trotzdem noch enorme Einnahmen, „aber alles, was nicht mega groß ist, kulturelle Nischen, Subkulturen – das existiert nicht mehr wirtschaftlich.“

Im Buch kommentiert ein Schauspieler das so: „Kreativ sein heißt einfach nur, dass man weniger Geld bekommt. Wenn man zum Beispiel fürs Kloputzen am Tag 70 Euro bekommt, weil’s eine angeschmierte Arbeit ist, dann bekommt man nur noch 35 Euro, wenn es sich irgendwie durchgesetzt hat, dass das Kloputzen eigentlich was Kreatives ist.“

 Und in Zeiten, in denen die Künstliche Intelligenz nahezu perfekt Kreativität simuliert, verliert künstlerische Arbeit nochmal rasant an Wert. Wobei einen Text im PeterLicht-Stil zu produzieren, selbst für ChatGPT eine Herausforderung wird. Weil er immer wieder Haken schlägt, und sich allen gängigen Genres und Erzählmustern entzieht, mit denen solche Systeme trainiert werden. Geradezu leidenschaftlich hasst er zum Beispiel den „Tatort“, auch darüber gibt es eine Passage im Buch: „Diese fast schon wie KI-gefertigte, typisierte Art von Plots – die finde ich einfach so spucklangweilig, dass ich das nicht ertragen kann.“

Für ihn ist die Funktion von Kunst und Literatur nicht, das Immergleiche neu aufzuwärmen. Sondern: „Zu zeigen, was ein Mensch ist, die Welt aufzureißen und dadurch Erkenntnis und Berührung zu schaffen.“ Sein Leben folge schließlich auch keiner klaren Handlung, sondern strahle in alle Richtungen – wie seine Literatur.


Mit seinem Lied vom Sonnendeck hatte PeterLicht 2001 einen Underground-Sommerhit. Nach drei Studio-Alben erschien 2006 sein erstes Buch, mit dem Nachfolger wurde er zwei Jahre später mit dem Publikumspreis und dem 3sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wett- bewerb in Klagenfurt ausgezeichnet. 2019 wurde sein Theaterstück „Tartuffe oder das Schwein der Weisen“ zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Eine Zeitlang war er Kolumnist der Süddeutschen Zeitung. 2024 veröffentlichte er das 8. Studio-Album „ALLES KLAR“.

Am Mittwoch, 19. November, um 20 Uhr, gibt es im Kölner Schauspiel die Buchpremiere von „Wir werden alle ganz schön viel ausgehalten haben“ (Tropen Verlag, 256 Seiten, 22 Euro). Tickets kosten 17 Euro.

Am Sonntag, 21. Dezember, ab 18 Uhr kommt PeterLicht als „Der Problemlöser“ ins Kölner Schauspiel. Tickets von 15 Euro bis 26 Euro.

„Wir werden alle ganz schön viel ausgehalten haben müssen“

„Wir werden alle ganz schön viel ausgehalten haben müssen“