Die neue Folge des „Polizeiruf 110“ zeigt ein Dilemma. Daniel A. muss sich entscheiden, ob er sein Coming-out erzwingt oder Mordverdächtiger Nummer eins bleibt.
So wird der „Polizeiruf“ aus RostockEin unfreiwilliges Coming-out macht mehr Angst als die Polizei
Der Zeitpunkt eines Coming-out will gut gewählt sein. Besonders wenn der eigene Vater Frank Adamek (Jörg Witte) ein ruppiger Polizist ist, zwischen Härte und Herzlichkeit und auf den beschädigten Ruf der Familie bedacht. Besonders gereizt ist er, weil seine jüngere Tochter bereits als Teenager ein Baby hat und der verantwortungslose Teenager-Vater abwesend ist. In dieser Familie ist Daniela ein stabilisierender Anker, kann das Baby beruhigen, hat einen festen Job in der Grundschule, ist Papas Liebling. Doch Daniela ist eigentlich Daniel (Jonathan Perleth), auch wenn er vor seiner Familie als Frau auftritt. Denn Daniel ist trans.
Immer wieder setzt er sich mit seiner wahren Identität der Öffentlichkeit aus, geht als Daniel in den Chor, auf Dates. Doch eine dieser Verabredungen bringt ihn in ein Dilemma. Die Frau, mit der er sich trifft, wird kurz nach ihrer Verabredung ermordet, und Daniel sieht sogar einen Verdächtigen. Zur Polizei gehen hieße aber, dass sein ganzes Umfeld von seiner Identität erfahren könnte.
Ermittlerinnen Melly Böwe und Katrin König müssen sich noch warmspielen
Im Ermittlerteam versucht sich derweil Melly Böwe (Lina Beckmann) mit geballter „mom energy“ einzuleben, etwa indem sie zu ihrem Einstand Muffins mitbringt. Es gibt aber einen gewissen Widerstand im Team, das erst mit ihr warm werden muss, und auch ihr Vorschlag, ihren Schreibtisch in Katrin Königs (Anneke Kim Sarnau) Büro zu platzieren, wird brüsk abgelehnt.
Daniel A. | Polizeiruf 110
Trotz der kleinen Reibereien klappt die Zusammenarbeit der ungleichen Ermittlerinnen. Sie finden schnell heraus, dass sich das Opfer in der Mordnacht mit einem Mann traf und können mithilfe des Barkeepers auch ein Phantombild erstellen. Daniels Freund Armin, der in seine Identität eingeweiht ist, rät ihm, zur Polizei zu gehen. Doch in Daniel wird der Fluchtinstinkt immer stärker, während die Kreise der Ermittlerinnen sich näher und näher um ihn ziehen.
Fazit zur neuen Folge des Polizeiruf „Daniel A.“
Spannend ist dieser Thriller allemal, auch wenn die Krimi-Elemente und die eigentliche Ermittlung stark reduziert sind. So haben die Ermittlerinnen kaum Chancen, um zu glänzen. Umso eindrücklicher bringt Jonathan Perleth in seiner Rolle als Daniel A. den Schrecken zum Ausdruck, der mit einem vorzeitigen Coming-out einhergehen kann. Das gelingt vor allem wegen der Dynamik mit Jörg Witte und den starken Vater-Sohn-Szenen, die grandios gespielt sind.
Geradezu schmerzhaft fängt auch die Kamera die Übergänge von der eigenen Identität hin zu einer anderen, die eher die Erwartungen erfüllt. Ein paar Schwächen im Dialog und beim Ende schmälern nicht den Umstand, dass es sich um eine sehenswerte Folge handelt.
Wie die Debatte um Hogwarts Legacy zeigt, gehen die Interessen transidenter Menschen nicht mehr an der Öffentlichkeit vorbei. Die Gegenwartsdiagnose des Polizeirufs, dass die Gesellschaft beim Thema noch viel Nachholbedarf hat, bleibt aber hochaktuell.