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Premiere im Theater der KellerAls Walter Bockmayer Kölns queere Szene aufmischte

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Szene aus „Walter Bockmayer – Der andere Millowitsch“ im Theater der Keller

Mit „Walter Bockmayer – Der andere Millowitsch“ huldigt das Produktionsbüro Petra P einer Kölner Theaterikone.

Mein Gott, Walter: 1975, zur gleichen Zeit als Mike Krüger dem bundesdeutschen Kleinbürger ein musikalisches Ständchen brachte, schickte sich in Köln ein junger Mann aus der pfälzischen Provinz an, in der queeren Szene der Stadt ein ganz Großer zu werden. Walter „Wally“ Bockmayer (1948-2014) eröffnete in diesem Jahr im Kwartier Lateng Die Filmdose.

Aus der wilden Party-Location wurde 1984 ein legendäres Kneipen-Theater. Allein die Theateradaption des Alpenklassikers „Die Geierwally“ erlebte hier auf engstem Raum an die Tausend Aufführungen. Die spätere Filmfassung wurde zum Hit. Künstler wie Hella von Sinnen, Dirk Bach, Ralph Morgenstern, Samy Orfgen und Veronica Ferres sammelten unter Bockmayers Regie ihre ersten Meriten.

Kölscher König der Queerness

Später waren in seinen neuen Spielstätten wie dem Kaiserhof und dann dem Kölner Scala-Theater vermehrt kölsche Töne zu hören. Mittlerweile ist der Theatermacher, Autor und Filmregisseur Walter Bockmayer seit mehr als 10 Jahren verstorben. Mit „Walter Bockmayer – Der andere Millowitsch“ wird nun im Theater Keller dem kölschen König der Queerness ein würdiges Bühnendenkmal gesetzt.

Verantwortlich für Wallys Wiederbelebung auf der Bühne zeichnet das Kölner Theatertrio „Produktionsbüro Petra P“. Das für seine brillanten Brückenschläge zwischen Hochkultur und schrillem Trash bekannte Ensemble würdigt Bockmayer als ein Vorbild, dessen anarchische Energie und visionäre Kraft in den heutigen, restaurativen Zeiten schmerzlich vermisst werden. Dass so Manches aus der Schaffenszeit von Walter Bockmayer heute undenkbar wäre, betont das Trio um Daniel Breitfelder, Sebastian Kreyer und Johannes Brüssau ein ums andere Mal.

Ariel-Klementine als Tarzan-Witwe

Unvorstellbar, erläutert Sebastian Kreyer, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender heutzutage das queere Kollektiv für ein Filmprojekt ansprechen würde. Damals aber trat das ZDF an Bockmayer heran und dessen schillernde Filmkarriere nahm 1977 mit „Jane bleibt Jane“ ihren Anfang. Bockmayers rauer und greller Regiestil, der irgendwo zwischen den Werken von Klaus Lemke, Christoph Schlingensief und dem mit ihm befreundeten Fassbinder verortet war, rückte Außenseiter der Gesellschaft in den Fokus. So spielte in „Jane bleibt Jane“ die als Ariel-Klementine bekannte Werbe-Ikone Johanna König eine einsame Altersheim-Insassin, die sich als Tarzans Witwe ausgibt.

Weitere Filme seiner Filmfirma Entenproduktion wie das in seiner zweiten Heimat New York gedrehte Abenteuer „Flammende Herzen“ waren auch auf internationalen Festivals zu sehen und heimsten Filmpreise ein. Die Grenzen des sogenannten guten Geschmacks, von Bockmayer ständig getestet, wie etwa in der Filmversion „Die Geierwally“, lotet an diesem Abend auch das Produktionsbüro Petra P. immer wieder genüsslich aus. Dass ihre Bühne dabei einer Baustelle gleicht, ist beredte Metapher für den ständigen Wandel und zugleich Ausdruck begrenzter Produktionsmittel. Die Lust am schrägen Spiel lassen sich die drei Akteure dabei nicht nehmen.

Die damalige Aufbruchstimmung der queeren Szene, wo gerade auch in Köln mit Tabubrüchen und sexueller Libertinage ständig Grenzen verschoben wurden, wird hier noch einmal fröhlich gefeiert. Wohl wissend, dass sich heute der Wind gedreht hat: So feiert etwa der frivole Heimatkitsch, den Bockmayer so grell präsentierte, heute wieder bar jeder Ironie völkische Urstände.

Ganz ohne Dellen kommt aber auch das Denkmal Bockmayer nicht durch den Abend. Der durch die harte Schule des Lebens gegangene Bockmayer pflegte nicht nur in seinen Arbeiten einen mitunter aggressiven Unterton, sondern konnte auch im Fernsehen, wie im Stück zu sehen, gegen soziale Außenseiter austeilen, wenn er Arbeitslose pauschal als faul abwertete. Trotz aller Widersprüche und Härten, die den Mensch und Künstler Bockmayer ausmachen, bleibt im Stück sein großes Verdienst um die Etablierung Köln als schwule Hauptstadt der Republik unbestritten.

Sein Fehlen schmerzt umso deutlicher. Ein Typ wie Bockmayer, der mit lustvoller Egozentrik seinen queeren Lebensstil von der Subkultur in die Mitte der Gesellschaft trug, kann jede Zeit gebrauchen. Die drei vom Produktionsbüro Petra P. jedenfalls beherzigen bei ihrer wundervoll witzigen Hommage an Wally, dessen wichtigsten künstlerischen Ratschlag: „Habt einfach Spaß auf der Bühne.“

Nächste Termine: Silvester-Spezial 31.12, 18 Uhr, 28. + 29.1., 20 Uhr, im März folgt im Theater der Keller ein Bockmayer-Festival