Andreas Beck ist der tragende Pfeiler des neuen Kölner Schauspiel-Ensembles. Im Depot kann man ihn in fünf Inszenierungen bewundern.
Schauspiel KölnWarum Andreas Beck Wien nicht nachtrauert

Andreas Beck in Kay Voges „Faust“-Abends am Schauspiel Köln
Copyright: Birgit Hupfeld
Zwei Wochen vor der offiziellen Eröffnung seiner ersten Spielzeit als Schauspiel-Chef lud Kay Voges zu einer Überraschungspremiere ins Depot 2, einem Update der „Correctiv“-Recherche zum rechtsextremen „Geheimplan gegen Deutschland“. Das Foyer des Theaters war noch im Umbau, man wurde direkt in die kleine Halle geleitet und es war kein Zufall, dass dort Andreas Beck die Zuschauer erwartete. Der Schauspieler, 1964 in Stralsund geboren, gehört seit 15 Jahren der Theaterfamilie von Voges an, zuerst in Dortmund, dann am Wiener Volkstheater und jetzt in Köln.
Wer das Schauspiel Köln besucht, wird ihm, als tragenden Pfeiler des Ensembles, unweigerlich begegnen. Im aktuellen Spielplan ist Andreas Beck unter anderen in „Imagine“, in „Faust“ und in „Onkel Wanja“ – beides mal in der Titelrolle – zu sehen, in seinem eigenen Abend zu dem von den Nazis ermordeten Schlager-Texter Fritz Löhner-Beda „Wo Du nicht bist, kann ich nicht sein!“ und ab Januar in der „Gameshow für Köln“ „Du musst dich entscheiden“.
Theater ist Teamsport, du bist immer nur so gut wie der Schlechteste auf der Bühne.
„Aber ich sehe mich da nicht in herausgehobener Position“, sagt Beck, ein Berg von Mann, aber von unaufdringlichem Auftreten und bedachter Stimme. „Das ist ja das Tolle an der Arbeit mit Kay Voges, dass alle mehr oder weniger gleichberechtigt sind, dass Ideen ganz oft gemeinsam entstehen.“ Auch weil kleine Rollen heutzutage oft nicht mehr besetzt oder aus mehreren kleinen Rollen zu einer großen Rolle zusammengefasst werden, sehe man heute viel häufiger gleichberechtigte Akteure.
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„Theater ist Teamsport, du bist immer nur so gut wie der Schlechteste auf der Bühne.“ Wobei ein Großteil der Arbeit darin besteht, Schauspieler zum Ausprobieren zu inspirieren„Ich habe selbst auch schon des Öfteren Regie geführt, Inspiration ist alles. Deswegen verstehe ich auch nicht, wenn Kritiker schreiben, die Inszenierung war schlecht, aber die Schauspieler waren gut. Schauspieler sind nicht von allein gut, das ist eine Mär.“
Andreas Beck kam denkbar früh zum Theater, nachdem ein Lehrer im Kinderballett dem Fünfjährigen wenig Tanztalent bescheinigt und den Eltern empfohlen hatte, ihn doch beim Pioniertheater anzumelden. „Und da war relativ schnell klar, dass das auch mein Berufswunsch war.“ Den biografischen Zusatz „Arbeiterkind“ – unverzichtbar in der DDR - konnte er authentisch tragen, schon als Neuntklässler landete Beck in einem Förderprogramm für besonders Begabte, wurde zweimal im Jahr an die Leipziger Hochschule geschickt, an der er nach Abitur und Wehrdienst auch Schauspiel studieren sollte, nachdem er bereits als Techniker und Beleuchter Theaterluft in Stralsund geatmet hatte.

Andreas Beck in „Onkel Wanja“, zu sehen im Depot 2 des Kölner Schauspiels
Copyright: Marcel Urlaub
Die Vorwendezeit, erzählt Beck, sei für Bühnenschaffende hoch spannend gewesen: „Da gab es Stücke, die brannten. Da konnte man auf dem Theater Themen ansprechen, über die die Zeitungen und Medien schweigen mussten. Natürlich war das auch ein Ventil, aber trotzdem hatte man ein gutes Gefühl. Man hatte sozusagen seinen Beitrag geleistet.“
Dann kam der große Bruch, die Wiedervereinigung, die der damals 25-Jährige eher als eine Art Anschluss empfand. Beck begrüßte die Freiheit, lernte als Mitglied einer Landesbühne mit zahlreichen Gastspielen Westdeutschland kennen. Aber er vermisste die Relevanz, die das Theater in dem Land, das es nun nicht mehr gab, besessen hatte.
„Seien wir mal ehrlich: Erst spielt man die Söhne, dann spielt man die Väter, dann die Großväter. Und viel mehr passiert auch nicht am normalen Stadttheater.“ Wann er die verlorene Relevanz wieder für sich gefunden habe? „Mit dem Kennenlernen von Kay. Das ging in Kassel los, ich war dort fest im Ensemble, er Gastregisseur. Wir haben das erste Mal bei 'Mondlicht und Magnolien' zusammengearbeitet, eine zauberhafte Komödie, in der es um die Findung des Drehbuchs zu 'Vom Winde verweht' geht. Da merkte ich, hier ist jemand, der will was Neues am Theater.“
Das Theater ist die Kirche der Ungläubigen.
Als ihn Voges fragte, ob er mit nach Dortmund kommen wolle, wo er 2010 seine erste Intendanz antrat, willigte Beck sofort ein. Sein Theater sei wie ein Labor, in dem man immer wieder mit einer Tabula Rasa anfange, in dem man gemeinsam kreiere, mit dem Mut zum krachenden Scheitern. Und in dem immer Becks Lieblingssatz gelte: Dass in dem Wort „Unterhaltung“ das Wort „Haltung“ stecke. Das galt in Dortmund wie in Wien und das soll auch in Köln so bleiben.
Schon seit Mai wohnen Andreas Beck und seine Frau mitten in der Stadt, am Heumarkt. Er freut sich, von dort aus die Stadt zu erkunden und jeden Tag zweimal über den Rhein zu fahren – „Wenn man vom Wasser kommt, freut man sich immer, Wasser zu sehen“ – und erschreckt sich über das Elend, das einem hier jeden Tag begegne.
Ob er nicht dem schönen Wien nachtrauere? „Ach, das ist auch ein bisschen Disneyland, auf dem Weg zum Volkstheater muss man sich durch Touristengruppen kämpfen. Dieses wunderschöne Wien ist um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts entstanden. Das ist alles nicht alt, das ist Kulisse.“
Das Einzige, was er an Wien vermisse, sei die Taktung der Öffentlichen. „Da ist man einfach hingegangen und man wusste, es kommt eine Bahn.“ Ehrlicherweise, fügt Beck hinzu, sei es manchmal fast egal, ob man sich in Wien oder Köln befinde, „man bewegt sich hauptsächlich innerhalb des Kollegenkreises und die paar Stunden, die man frei hat, ist man zu Hause. Schauspieler ist, was die Arbeitszeiten betrifft, so ein asozialer Beruf, dass man außerhalb des Theaters nur wenige Bekanntschaften hat.“
„Willst Du nicht mal irgendwo ankommen?“, hätten ihn ehemalige Mitschüler auf dem letzten Klassentreffen gefragt. „Absprung hält jung“, hat Andreas Beck geantwortet. „Ich könnte mir höchstens vorwerfen, dass wir das unseren Kindern zugemutet haben. Aber die sind jetzt 37 und 30 und haben auch keine bleibenden Schäden.“
Im Theater kommt er jeden Abend neu an, schafft kollektive Erlebnisse. „Im besten Fall atmen Schauspieler und Zuschauer zusammen.“ Beim eingangs erwähnten „Geheimplan“-Abend habe er zum Beispiel relativ schnell gespürt, dass die Zuschauer an dem, was er da zu erzählen hatte, interessiert waren, dass sie ihm an den Lippen hingen. „Dafür macht man den Beruf, für die Zuschauer. Und wenn ich noch eine Botschaft rüberbringen kann, umso besser.“
Um die Relevanz des Theaters macht sich Andreas Beck jedenfalls schon lange keine Sorgen mehr. „Das gibt es seit der Antike, das wird Bestand haben. Wir haben uns doch unter anderem zum Homo sapiens entwickelt, weil wir uns am Lagerfeuer zusammen Geschichten erzählt haben.“ Eine gute Aufführung, schließt Beck, sei wie ein guter Gottesdienst: „Das Theater ist die Kirche der Ungläubigen.“

