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Serie „Mein Kulturmonat“„Ich höre von außen nur Positives über Köln“

7 min
Valerie Knoll, Direktorin des Kölnischen Kunstvereins.

Valerie Knoll, Direktorin des Kölnischen Kunstvereins.

Valerie Knoll, Direktorin des Kölnischen Kunstvereins, nimmt uns mit auf eine kulturelle Entdeckungsreise durch die Stadt.

Seit ich in der Kunst tätig bin, war ich immer wieder in Köln, um mir Ausstellungen anzuschauen. Und ich habe mit Künstlerinnen und Künstlern von hier zusammengearbeitet - mit Cosima von Bonin oder Joseph Zehrer zum Beispiel. Deshalb hatte ich immer schon einen Bezug zur Stadt. Vor zwei Jahren hat es mich dann auch wegen der Kunst nach Köln gezogen - genauer wegen des Kunstvereins. Davor habe ich die Kunsthalle Bern in der Schweiz geleitet. Immer wenn ich zu Besuch in Köln war, fand ich, dass hier eine unverkrampfte Atmosphäre herrscht. Der Kontrast zur manchmal verdrucksten Schweiz hat mich angesprochen.

Wenn man von außerhalb nach Köln kommt und sich für Kunst und Kultur interessiert, dann lohnt immer ein Besuch in der Buchhandlung von Walther und Franz König in der Ehrenstraße und im Kompakt-Plattenladen in der Werderstraße. Und ich habe mir natürlich auch Ausstellungen angeschaut. Da hat mich der Reichtum der Institutionen hier, auch in der Umgebung, sehr gereizt. Früher bin ich viel wegen Galerien hergekommen, wie Daniel Buchholz, Gisela Capitain, Sprüth Magers und für Ausstellungen im Museum Ludwig. Auch sehr besonders ist das Museum Abteiberg in Mönchengladbach mit seiner wahnsinnig tollen Sammlung und das berühmte Gebäude des Wiener Architekten Hans Hollein ist selbst ein Kunstobjekt.

Erst seit meinem Umzug nach Köln habe ich das Museum für ostasiatische Kunst am Aachener Weiher entdeckt, eine Perle mit bezaubernder Architektur. Außerdem gibt es vielversprechende junge Initiativen wie die Galerie Josey in der Gladbacher Straße. Benjamin Brett aus Norwich, England, ist mit der Galerie hierhergezogen und da merkt man sofort: Er macht ein Programm, das hier sonst nicht stattfindet. Den Ausstellungsraum JUBG in der Albertusstraße mag ich auch gerne – da hier das Zusammenkommen von lokaler Szene mit internationalen Größen ausgesprochen herzlich gelingt.

Immer einen Besuch wert ist ebenfalls Clementin Seedorf am Karolingerring. Der Künstler Yvo Cho programmiert hier anspruchsvolle und nach außen blickende Ausstellungen. Diese Kunsträume funktionieren schon oft als kleine Szenen, aber genau das ist der Organismus der Kunst: Nischen, in denen Vieles ausprobiert wird. Und irgendwas taucht dann vielleicht an die größere Oberfläche.

Letztens habe ich einen verführerischen Mode-Ort in Köln entdeckt, in der Moltkestraße: KH space von Kurt Hürter. Ein Mode-Geschäft, das sich alten und jungen Avantgarden widmet. Aber eigentlich ist es mehr als nur ein Geschäft. Es ist eine fantastische Inszenierung von Kleidung, fast wie eine Reise zu Alice im Wunderland. Das ist ein Erlebnis. Junge Modestudierende aus Antwerpen reisen an, um sich das anzugucken. Da geht es nicht nur in erster Linie um das Kaufen, sondern um den Austausch mit Kurt und Nathalie, die ein großes Wissen und ein besonderes Auge haben – eine selten gewordene Leidenschaft.

Ich höre von außen eigentlich nur Positives über Köln. Die Gäste mögen es hier immer sehr.
Valerie Knoll

Als ich die Leitung des Kunstvereins übernommen habe, war mein Umfeld über die Ortswahl begeistert. Ich höre von außen eigentlich nur Positives über Köln. Die Gäste mögen es hier immer sehr. Und ich glaube, die Stadt hat das Potenzial, dass es hier kulturell noch ein bisschen aufregender werden könnte. Aber es gibt Hindernisse, fehlende Atelierräume und teurer Wohnraum zum Beispiel. Ein akutes Problem sind jetzt natürlich die Sparmaßnahmen, die in Nordrhein-Westfalen und eben auch in Köln schon greifen. Die Verschuldung ist ein komplexes, deutschlandweites Problem. Dass es auch anders geht, beweist Hamburg. Dort wurde ein Signal gesetzt und die Mittel für die Kunst und Kultur wurden erhöht. Nicht, dass Hamburg viel auf Kunst gäbe, aber in der jetzigen Zeit ist das dennoch eine Setzung.

Geld ist aber nur ein Faktor. Deutschland bleibt, glaube ich, in vielem einfach etwas zu selbstbezogen. Auf sich als Ganzes, aber auch in den Städten. Die Kölner sind nicht so schlimm, wie die Berliner, die sich noch aus der Mode gekommen für den Nabel der Welt halten. Aber die goldenen Jahre, in denen das Köln der Kunst nicht zuletzt davon lebte, dass man sich in einer Achse mit New York sah und in einem andauernden, sehr lebendigen Austausch befand, können gerne wieder anfangen. Es sollte dann ja nicht nur New York sein, sondern auch Bombay und Shanghai. Etwas weniger Selbstgenügsamkeit und die Lust, über den eigenen Tellerrand zu schauen, würde eine gute Figur machen.

Eine Kölner Besonderheit: Es gibt oft ganz spontane und großzügige Unterstützung von Privatpersonen
Valerie Knoll

In Deutschland wird zwar viel davon gesprochen, dass man die Strukturen auf Verschleiß gespart habe, dem Palaver sollten jetzt aber auch Taten folgen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich dabei aber und das ist eine Kölner Besonderheit – es gibt oft ganz spontane und großzügige Unterstützung von Privatpersonen. Ohne diese Einzelnen, die oft diskret, aber ausgesprochen herzlich helfen, wäre ich in den letzten Jahren manchmal auf Grund gelaufen. Diese Form von bürgerlichem Engagement würde ich mir manchmal noch etwas mehr in der Breite wünschen. Man würde es nicht denken und ich habe es auch nicht gedacht, als ich nach Köln gekommen bin: Der Kunstverein ist zwar ein stattliches Haus, mit einer kunsthistorisch relevanten Geschichte und einem internationalen Ruf. Doch es gibt keine Mittel für das Ausstellungsprogramm. Jedes Jahr ist es ein existenzieller Kraftakt, die Gelder zusammenzubringen, um hier die Ausstellungen realisieren zu können.

Der Kunstverein steht für ein internationales Programm. Aber für mich ist es wichtig, dass man sich mit einem Haus auch mit der Stadt verbindet. Bei unserer letzten Ausstellung über das Kölner Kompakt-Label, die eine sehr große Resonanz erfuhr, hat sich das auf organische Weise ergeben. Und die Leute von Kompakt haben auch eine Neigung zur Kunst, deswegen hat das gut gepasst. Und so war es auch mit der Ausstellung zu Udo Kier, dessen filmische Arbeit ich seit Jahrzehnten verfolge. Aber erst in Köln hat die Ausstellung Sinn gemacht. Ich finde, solche Öffnungen in Grenzbereiche der Kunst, tun einem Haus ab und zu gut. Doch am 25. September geht es bei uns dann erstmal wieder mit einer Doppelausstellung von Amelie von Wulffen und Jonas Lipps zur Kunst im engeren Sinne zurück.

Aufgezeichnet von Kerstin Meier


Valérie Knoll, geboren 1978 in Basel, ist Kuratorin und seit 2023 Direktorin des Kölnischen Kunstvereins.

Drei persönliche Kulturtipps für den August

Schon lange aufgeschoben, plane ich im August endlich, die Böhm Chapel in Hürth zu besuchen. Dort läuft eine Ausstellung des Künstlers Thomas Schütte. Der Architekt Gottfried Böhm hat diese Kirche in den 1950er Jahren gebaut und der Galerist Rafael Jablonka hat sie restaurieren lassen. Die Kapelle widmet sich seither der zeitgenössischen Kunst. Das klingt wie Himmel und Erd.

Böhm Chapel, Jablonka Foundation, Hans-Böckler-Straße 170, Hürth Kalscheuren boehmchapel.com

Neben Kunst, Film und Hunden, speziell Schnauzern, interessiert mich vor allem Essen. Ich frühstücke gerne drei Mal und suche nach Vorwänden für doppeltes Mittagessen, indem ich Termine auf viertel vor Zwölf und viertel nach Eins lege, sodass ich durch den zwangsläufigen Appetit meiner Verabredungen ein Alibi für zwei Hauptspeisen habe. Neben dem Café Restaurant Riphahn, deren Betreiber Uwe Hammes und Thomas Tump ich sehr schätze, mag ich das Lokal Da Me in der Innenstadt. Von der Terrasse lässt sich hervorragend die Opernbaustelle beobachten. Großartige Architektur und Arbeit im Stillstand. Alle warten auf etwas, worauf bleibt unklar. Großes Palaver und die Nudeln schmecken fantastisch – mehr kölsches Italien geht nicht am Mittag.

Riphahn Café & Restaurant, Apostelnkloster 2, Dienstag bis Samstag von 10 bis 23 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr. Da Me, Neue Langgasse 4, Dienstag bis Samstag: 11.30 bis 20 Uhr.

Am Abend sitze ich gerne auf der morschen Holzbank auf dem von Platanen gesäumten Trampelpfad, der die Moltkestraße in zwei Hälften teilt. Mein Nachbar sagte mir, es sei eine Esplanade. Es ist dort schön schattig. In Köln hat sich bei mir auch der kulturelle Unterschied verdichtet: Wenn man die Straßen nicht so zwanghaft sauber hält wie in der Schweiz, bleibt mehr Zeit, um miteinander zu sprechen. Nicht nur auf der Esplanade habe ich gelernt, fast alle sind jederzeit ansprechbar. Das hilft mir sehr, nicht zuletzt beim Studium von Hunderassen. Immer wieder treffe ich dort die Galeristin Susanne Zander mit ihren zwei Prachtexemplaren und danach frage ich mich, ob ich zur Hundesitterin wechseln sollte. Aber Frau Zander bringt ihre Hunde auch mit einem sehr besonderen Ausstellungsraum – der Sammlung Zander an der Jülicherstrasse – unter einen Hut. Von Köln lernen heißt auch, ein erfülltes Leben zu führen.

Sammlung Zander, Jülicher Straße 24a, Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr und nach Vereinbarung. sammlung-zander.de