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Star-Wars-Serie „Andor“Selbst das Imperium fürchtet Schwiegermütter

Lesezeit 4 Minuten
Diego Luna steht als „Cassian Andor“ in einem Weizenfeld. Hinter ihm der imperiale TIE-Fighter, den er gestohlen hat.

Diego Luna als „Cassian Andor“

Die Disney-Serie „Andor“ durchbricht den Fluch des mittelmäßigen „Star Wars“-Contents. Hilft das der Rebellion, oder doch wieder nur dem Maus-Konzern?

Lichtschwertduelle, Weltraumschlachten, kleine, grüne Jedi-Weise mit grammatikalischem Handicap – all das, möchte man meinen, macht „Star Wars“ aus: High Fantasy in einer weit, weit entfernten Galaxis. „Andor“, die Disney-Serie aus dem Sternenkrieg-Universum, deren zweite Staffel jetzt beim mauseigenen Streamingdienst angelaufen ist, bietet nichts davon.

Stattdessen gucken wir Bürokraten beim Fondue-Essen zu. Sie (Denise Gough) ist als Vollwaise vom Staat großgezogen worden und liebt ihn wie einen strengen Vater, er (Kyle Soller) hat bislang vergeblich versucht, mit Hinterhältigkeit und Übereifer die Karriereleiter zu erklimmen. Zusammen sind sie eine Zweckverbindung eingegangen. Jetzt haben sie seine übermächtige Mutter (Kathryn Hunter) in ihr aseptisches, grauweißes Hochhausapartment eingeladen. Die Szene, geschrieben von „Andor“-Showrunner Tony Gilroy, ist auf widersinnige Weise hochkomisch. So sähen TV-Sitcoms aus, wenn die Nazis den Krieg gewonnen hätten.

„Andor“-Macher Tony Gilroy entkleidet „Star Wars“ vom esoterischen Beiwerk

In George Lucas' Saga kämpft bekanntlich eine bunte Horde von Rebellen gegen ein scheinbar übermächtiges, quasi-faschistisches Imperium. Diese Grundkonstellation behält Gilroy bei, aber er entkleidet sie von jeglichem esoterischen Beiwerk. Keine unsichtbare, manichäische Macht durchdringt hier die Verhältnisse und die feudalen Ränkespiele von Sith-Lords und Jedi-Rittern finden außerhalb des Bildrahmens statt. Die einzige Spur, die der bleiche Imperator an der Spitze der interstellaren Diktatur in „Andor“ hinterlässt, ist die allumfassende Angst, in der Unterdrücker wie Unterdrückte gleichermaßen leben.

Die Serie ist ein Prequel zum Film „Rogue One“ von 2016. Der wiederum berichtet von dem Kommando, angeführt von Cassian Andor (im Film wie im Fernsehen von Diego Luna gespielt), das die Baupläne des Todessterns stiehlt, mit deren Hilfe den Rebellen in „A New Hope“ (1977), dem ersten „Star Wars“-Film, der erste Sieg gelingt. Cassian überlebt diesen Auftrag nicht. „Andor“ erzählt also die Vorgeschichte zur Vorgeschichte, erzählt von der Revolution als mühsamen Lernprozess mit tödlichem Ausgang.

Eine mythische Heldenreise, wie sie Luke Skywalker in der Original-Trilogie durchläuft, kann sich dieser Fußsoldat der Rebellen schlicht nicht leisten. Er ist von keiner höheren Macht auserwählt, er nutzt nur die Chance, die er nicht hat. Die erste Staffel endete mit einem ersten Aufbegehren der Zivilbevölkerung des Planeten Ferrix gegen die imperialen Besatzer und mit Andors Entscheidung, sich in den Dienst der Rebellion zu stellen.

Die zweite Staffel beginnt ein Jahr später, der Enthusiasmus des Anfangs ist längst verflogen, jetzt gilt es, die Mühen der Ebene zu bewältigen: Der TIE-Fighter, den Cassian stehlen soll, entpuppt sich als unbekanntes Modell, das sich kaum unfallfrei fliegen lässt; sein Kontaktmann ist einer undisziplinierten Guerillatruppe zum Opfer gefallen, die sich prompt in interne Grabenkämpfe verstrickt. Cassians Freunden, die nach dem Ferrix-Aufstand fliehen mussten, ergeht es kaum besser, sie verdingen sich als undokumentierte Arbeiter auf einem Getreideplaneten und werden dort von imperialen Kontrolleuren gejagt, deren Ähnlichkeit mit Trumps ICE-Häschern unübersehbar ist. Das kindliche Science-Fiction-Märchen ist der Wirklichkeit gefährlich nahegekommen.

Zumal Gilroy keine Sozialromantik bedient, im faschistischen Staat leidet jeder auf seine Weise: Die Senatorin Mon Mothma (Genevieve O’Reilly) muss ihre Tochter mit dem Sohn einer Unterweltgröße vermählen und ihren besten Freund aus Kindheitstagen verraten, um weiterhin heimlich die Rebellion finanzieren zu können. Und die Konferenzen der imperialen Bürokraten sind quälend öde Unterweisungen in der Banalität des Bösen.

Seit sich der Disney-Konzern „Star Wars“ einverleibt hat, beschert er den Fans ein Sperrfeuer aus wenig durchdachten und schlampig ausgeführtem Content, ausgerechnet das rebellische „Andor“ könnte den Niedergang der Marke nun aufhalten. Ist die Serie also gar nicht so subversiv, wie sie scheint? Gilt weiterhin das Adorno-Wort, von der Tendenz der Kulturindustrie, das Bewusstsein des Publikums von allen Seiten zu umstellen und einzufangen? Oder wurde der Widerstand schon immer von der Macht subventioniert?

Immerhin weiß „Andor“ selbst von dieser Problematik und vielleicht macht gerade das die Serie so gut. Schon in der ersten Staffel dozierte ein Vordenker der Rebellion: „Das Tempo der Unterdrückung übersteigt unsere Fähigkeit, sie zu verstehen.“

„Andor“ streamt auf Disney+, jeden Mittwoch gibt es drei neue Folgen.