Tausende Exemplare gesammeltWarum Vinyl nicht aus der Mode kommt

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Klaus Biermann

Köln – Ein schickes neues Auto, eine kleine Eigentumswohnung, vielleicht auch einfach Urlaub. Oder vielmehr: viele Urlaube. Klaus Biermann, 58, drahtige Statur, Marathon-Läufer, kurzes, grau-meliertes Haar, hätte viel für sein Geld bekommen können. Wie viel genau, weiß er gar nicht. Denn er hat keinen sicheren Überblick, wie viel er schon ausgegeben hat. „Dicke fünfstellig“, sagt er.

Investiert hat Biermann – den Marathon läuft er übrigens in dreieinhalb Stunden, auch unter drei hat er es „früher“ schon mal geschafft – sein Geld in Vinyl-Platten. Rund 3500 Stück. Allein in diesem Jahr waren es bis jetzt etwa 300 Stück.

„Eins höher“, ruft Biermann durch den Hausflur, seine Kölner Wohnung liegt im ersten Stockwerk. Er bietet etwas zu trinken an – es wird ein Glas Wasser – und zeigt sein Musikzimmer. Ein orange gestrichener Raum, helles Laminat, voller Tonträger. Die Regale sind schräg. Das könnte Absicht sein, modern. Biermann verrät allerdings, das sei durch das Gewicht der Platten gekommen. Als er und sein Vater die Regale beim Einzug vor 14 Jahren aufgebaut haben, hatten sie etwas vergessen.

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Volle Regale im Musikzimmer

Die Regale sind beinahe deckenhoch. Viele, gleich große Quadrate, alle voller Vinyl-Platten. Daneben weitere Regale voller CDs, davon hat Biermann insgesamt ebenfalls etwa 3500, darunter viele legal gebrannte. Damals habe man sich die CDs gegen eine Gebühr ausleihen und kopieren können, sagt er. Auch Boxen und ein Plattenspieler stehen in dem vollen Raum, auf den Regalen ein paar besondere Sammlereditionen, darin ist es bunt gemischt.

Ein bestimmtes Genre sammelt Biermann nicht. Nur Elektro und härtester Metal sind eher nicht dabei. „Wenn sie so »singen«, dass man sie nicht versteht, dann gefällt mir das nicht“, sagt der Sammler. Besonders angetan hat es ihm aktuell „Joy as an Act of Resistance“ von den Idles, Biermanns All-Time-Favorite ist „Remain in Light“ von den Talking Heads.

Keine Platten im Wohnzimmer

Biermann ist zu einer beachtlichen Menge an Vinyls gekommen. Seitdem er sein Musikzimmer hat – darin stehen etwa 2000 Stück –, geht es mit dem Verstauen. 1500 Schallplatten mussten dennoch in den Keller wandern. „Meine Frau hat gesagt, ins Wohnzimmer kommt keine Platte“, berichtet er von der Zeit, als der Umzug bevorstand.

Davor sei das noch anders gewesen. In der alten Zwei-Zimmer-Wohnung hätten die 1500 Vinyls, die nun im Keller sind – natürlich trocken und erhöht gelagert, falls es mal Hochwasser gibt – allesamt im Wohnzimmer gestanden. „Das nimmt viel Platz weg. Das ist das kleine Problem dabei.“

Erstes Exemplar von den Beatles

Angefangen zu sammeln hat der 58-Jährige gegen Ende der 1970er Jahre. In der Familie lag die Sammellust nicht, er habe einfach so begonnen. An seine erste Platte erinnert sich Biermann – natürlich – noch heute: „Beatles, das blaue Album.“ Mit etwa 14, 15 Jahren habe er die englische Band im Radio gehört und sie gemocht. Erste Anlaufstelle damals: Saturn. Oder aber Second-Hand-Käufe.

Bevor Biermann heute Platten kauft, hört er oft erst mal bei Amazon rein. „Aber nicht kaufen. Man sollte die Händler unterstützen“, sagt er. In den Plattenladen – meistens ist das der Underdog Recordstore am Kölner Hansaring – geht Biermann drei, vier Mal in der Woche. 20 bis 30 Minuten verbringt er dort. „Wenn Gladbach gespielt hat, dann länger.“ Beim nächsten Besuch gibt es also wieder mehr zu besprechen. Denn an diesem Abend steht für Biermanns Borussia ein wichtiges Champions-League-Spiel bei Real Madrid an. Es sollte letztlich gut ausgehen.

Kein Account bei Spotify

Zum Musikhören kommt Biermann häufig. „Im Hintergrund läuft immer was“, sagt er. Am meisten am Wochenende. Doch auch unter der Woche schafft er es. „Unter der Woche habe ich immer um 16 Uhr Feierabend – öffentlicher Dienst.“ Der Sammler hört immer ganze Alben, keine Playlists, sagt er. „Es ist anders, als wenn man bei Spotify Lied für Lied hört.“ Einen Account beim Streaminganbieter hat Biermann nicht einmal. Ohne Musik ist er nur beim Laufen. „Ich hab’s versucht“, sagt Biermann. Doch ohne könne er besser abschalten und verfalle nicht in den Rhythmus der Musik.

Und woher kommt die Faszination für Vinyl? „Das Auspacken, die Platte auflegen, es knistert und dann kommt die Musik. Man sitzt vor den Boxen, und wenn die Musik kommt – das ist einfach schön“, sagt Biermann. Besonders gern hat er bunte Platten. „Wenn es bunt gibt, dann bunt. Außer wenn der Preis zu sehr abweicht.“ Fünf Euro Unterschied seien in Ordnung. Bunt sehe einfach schöner aus.

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Der Hype um Vinyl hält seit Jahren an. 2019 wurden in Deutschland laut Statista 3,4 Millionen Schallplatten verkauft. Zum Vergleich: 2009 waren es noch lediglich 500.000. Biermann steht dieser Entwicklung positiv gegenüber. „Du siehst unheimlich viele junge Leute im Plattenladen. Vor allem im Underdog.“ Dass manche Leute sich nur Schallplatten zulegen, um mit dem Trend zu gehen, sieht er gelassen. Trittbrettfahrer habe man immer. „Was meinst du, warum es so viele Bayernfans gibt?“

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