Markéta Irglová und Glen Hansard alias The Swell Season haben nach 16 Jahren wieder zusammengefunden. Jetzt spielten sie in der Kölner Stadthalle.
The Swell Season in KölnEine alte Liebe, ein Oscar und hoffnungslose Romantik

Markéta Irglová und Glen Hansard von The Swell Season in der Stadthalle Mülheim
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„Pretty Stories“ heißt das neue Lied, das Markéta Irglová in der Mülheimer Stadthalle am Klavier anstimmt. Der beschreibt, erklärt Irglová, „den Moment, in dem dir klar wird, dass du keine Kontrolle über deine Geschichte hast“. „Forward“, das dazugehörige Album von The Swell Season, ihres Duos mit dem irischen Gitarristen Glen Hansard, erscheint erst Mitte Juni, wird aber bereits von den beiden, ergänzt von einer Rhythmusgruppe an Bass und Schlagzeug, in ausverkauften Sälen betourt. Köln ist die erste von drei deutschen Stationen.
Bereits im zweiten Stück des Abends hatte Hansard die „people we used to be“ beschworen, die Leute, die sie einmal waren – und trotz des noch unbekannten Songs für erste Begeisterungseruptionen im Publikum gesorgt. „Forward“ wird das erste The-Swell-Season-Album seit 16 Jahren sein, natürlich sind sie jetzt andere Menschen mit anderen Geschichten. Vielleicht sogar wieder mit ihren eigenen, von ihnen selbst kontrollierten Storys. Solche, die die Öffentlichkeit erst noch kennenlernen muss.
Markéta Irglová und Glen Hansard spielten ein Paar, dann wurden sie eins
Denn das, was sie bislang über das Duo zu wissen glaubt, lässt sich als vielfach verschlungener Knoten aus Fiktion und dem sogenannten wirklichen Leben kaum noch lösen. Zuerst sind Irglová und Hansard nur ein musikalisches Paar. Als The Swell Season 2006 ihr Debüt veröffentlichen, ist sie noch minderjährig, er schon Mitte 30, über den Altersunterschied zerreißt sich das Internet bis heute das Maul.
Dann besetzt der Regisseur John Carney die junge Tschechin in der Rolle eines Blumenmädchens mit großen Träumen für sein Musikmelodram „Once“, Cillian Murphy soll die männliche Hauptrolle eines glücklosen Straßenmusikers und Staubsaugerreparateurs spielen. Als Murphy absagt, fragt Carney seinen ehemaligen The-Frames-Bandkollegen Hansard. Der hat Jahre zuvor schon einmal einen Leinwandauftritt absolviert, als Gitarrist in Alan Parkers Feel-Good-Film „The Commitments“.
„Once“, mit Mini-Budget gedreht, wird zum Überraschungserfolg. Die Liebesgeschichte zweier Außenseiter rührt Millionen. Doch während sie sich im Film auf herzzerreißende Weise verpassen, werden Hansard und Irglová während der Pressetour zum Paar – und gewinnen für ihren Song „Falling Slowly“ den Oscar. Das ist zu viel des Ruhms für die Beziehung, ihr zweites gemeinsames Album, „Strict Joy“, dokumentiert das Ende ihrer Liebe.
Es ist ein Märchen, bittersüß, und es schwingt den gesamten Abend über mit. Wenn Irglová in „If You Want Me“ aus dem „Once“-Soundtrack singt: „Wenn du mich willst, dann befriedige mich.“ Oder wenn Hansard antwortet: „Das wird jetzt schwer zu schlucken sein, aber einer von uns beiden wird verlieren“ und Irglová das Lied mit dem Stoßgebet beschließt: „Lass es mich sein!“
Mandolinen, Keyboards und ein alkoholfreies Guinness
Man lebt, leidet, fiebert mit, es ist hoffnungslos romantisch und die Musik will das ja auch: „Wenn deine Entscheidung feststeht, macht es keinen Sinn, sie zu ändern“, ruft das Duo aus und Hansard schrubbt dazu immer schneller auf der löchrigen Akustikgitarre namens The Horse, die ihn schon in den 1990er Jahren in Dublins Fußgängerzone begleitet hat. Eine kurze Geste Richtung Publikum, schon singen alle mit.
Später, wenn bei „This Gift“ das Pferd erneut zum Einsatz kommt, reißt es die Menschen endgültig von den Stühlen. Dazwischen bleibt allerdings reichlich Platz für ganz andere Storys: Hansard singt den Mond an, Irglová beschwört sich selbst als Gespenst, das seinen Kindern nach dem Ableben beim Aufwachsen zuschaut, Mandolinen und Keyboards mit kitschigen Voreinstellungen und ein alkoholfreies Guinness kommen zum Einsatz.
Dem Stück „Great Weight Is Lifted“ – in dem, so Hansard, er sich um Optimismus bemüht hatte, das jedoch von Zeile zu Zeile dunkler wird – ruft der Ire ein „Stoppt den Genozid, lasst das Essen hinein“ hinterher, so viel Politik muss sein. Dann lädt Hansard einen Straßenmusiker, den er von einer früheren Begegnung in Santiago de Compostela wiedererkannt hat, zu sich ans Mikrofon, holt einen Jungen, der um ein gemeinsames Foto gebeten hat, auf die Bühne, Irglová ein kleines Mädchen mitsamt Plüschtier. Der ganze Saal scheint näher zusammenzurücken, man spaziert, wie es in der letzten akustischen Zugabe „Gold“ heißt, auf Mondstrahlen.
Und selbstredend haben The Swell Season nicht ihren Oscar-Song „Falling Slowly“ vergessen: „Du hast genug gelitten und mit dir gerungen, es ist Zeit, dass du gewinnst“, singt Markéta Irglová, singt Glen Hansard, singt die ganze Stadthalle. Eine geteilte Geschichte, ein großer Trost