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Kommentar

Auftritt in Moskau
Krieg und Frieden und Woody Allen

Ein Kommentar von
2 min
Auf diesem Foto vom 2. Juli 2019 blickt der US-amerikanische Regisseur Woody Allen während einer Pressekonferenz zur Vorstellung seiner Bühnenproduktion von Giacomo Puccinis Einakter-Oper „Gianni Schicchi“ im Mailänder Opernhaus La Scala zu.

Der US-Regisseur Woody Allen 

Woody Allen verteidigt seine Rede auf einem Filmfestival in Moskau mit der Notwendigkeit des künstlerischen Dialogs. Ein vorgeschütztes Argument.

Er bewundere das russische Kino, sagte Woody Allen und erwähnte dabei unter anderem Sergei Bondartschuks epische Verfilmung von Tolstois „Krieg und Frieden“ aus dem Jahr 1966. Deren Güte ist unumstritten, Allens Aussage dagegen nicht.

Das liegt am Kontext, in dem sie getroffen wurde: Per Videoschalte unterhielt sich Allen im Rahmen eines staatlich gesponserten Moskauer Filmfestivals mit dem Sohn des gelobten Regisseurs, Fjodor Bondartschuk. Der zeichnet nicht nur für einige arg hurrapatriotische Machwerke verantwortlich, er ist auch ein treuer Parteigänger Putins und eifriger Apologet des russischen Überfalls auf die Ukraine.

Putins Reich als Seniorenhort für narzisstische Männer

Dementsprechend schal klingt Woody Allens nachgereichte Rechtfertigung für seinen Auftritt im Kriegstreiberland: Er halte es ganz unabhängig von der Politik nicht für sinnvoll, so Allen, den künstlerischen Dialog zu unterbinden. Ein vorgeschütztes Argument. In den USA gilt der Ruf des 89-Jährigen aufgrund der hinreichend bekannten, freilich nie bewiesenen Vorwürfe als ruiniert, seine letzten Filme musste er sich von spanischen und französischen Studios finanzieren lassen.

Da ging es ebenso wenig um den „künstlerischen Dialog“ wie jetzt in Moskau. Dort empfängt man nur allzu gerne in öffentliche Ungnade gefallene West-Prominenz wie Gérard Depardieu, Steven Seagal, Roger Waters oder Oliver Stone. Fast möchte man meinen, Putins Reich sei eine Art Seniorenhort für narzisstische Männer. Die finden in der Diktatur die Bewunderung, die ihnen in ihrer jeweiligen Heimat versagt bleibt, Moskau kann im Gegenzug die Illusion aufrechterhalten, kulturell keinesfalls isoliert zu sein.

„Russland ist nicht isoliert, und Kunst sollte Brücken bauen, statt sie zu zerstören“, schrieb denn auch prompt der russische Sonderbeauftragte für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Ausland, Kirill Dmitrijew in der Causa Woody Allen auf der Plattform X.

Einem ähnlichen Ziel – wenn auch in größerem Maßstab – diente zuletzt Putins Besuch in Alaska zu angeblichen Friedensgesprächen.

Krieg und Frieden und der künstlerische Dialog sind diesen aufgeblasenen Egos egal. Es ist schwer, seinem Gewissen zu folgen, schrieb Lew Tolstoi, wenn die Stimme der Eitelkeit ebenso laut spricht.