Weight Watchers ist insolvent. Doch wir sind weit davon entfernt, uns von den Fesseln des Schlankheitsdiktats zu befreien.
Weight Watchers ist insolventNun verdienen andere am Geschäft mit der Scham


Jean Nidetch, die Gründerin von Weight Watchers, im Jahr 2011.
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Erst dachte ich, es sei eine gute Nachricht: Weight Watchers ist insolvent. Ist doch schön, dass sich die Leute endlich so wohl in ihren Körpern fühlen, dass sie ihr hart verdientes Geld nicht mehr mit Diätprogrammen verpulvern. Sind also die düsteren Zeiten der Mager-Models endgültig vorbei, in denen viele junge Mädchen mit Essstörungen aufwuchsen? In denen Vorher/Nachher-Bilder zeigten, wie ein Frauenkörper auszusehen hatte: dünn. Und zwar nicht nur auf den Laufstegen in Paris, sondern auch in der Fußgängerzone von Brunsbüttel. Sollte das ganze Gerede von positivem Körpergefühl schließlich doch etwas verändert haben? Lasst uns das feiern – mit Sahnetorte!
Möglichkeit zur unkomplizierten Selbstoptimierung
Ich verherrliche übrigens kein krankhaftes Übergewicht – es geht um etwas anderes: Um gesunde Frauen (und Männer), die sich wegen ein bisschen Hüftspeck schämen. Und um eine Industrie, die sehr gut daran verdient. Beziehungsweise verdient hat. Denn Weight Watchers ist tatsächlich insolvent. Aber nicht, weil wir uns endlich von den Fesseln des Schlankheitsdiktats befreit haben. Sondern weil sich Leute, die sich das leisten können, jetzt Ozempic oder Wegovy spritzen, statt Punkte oder Kalorien zu zählen – auch wenn das eigentlich nicht im Sinne des Erfinders ist.
Die Nachricht von der Weight-Watchers-Pleite ist also leider doch keine gute. Weil sie nichts mit einem Trend zum positivem Körpergefühl zu tun hat, sondern nur mit der Möglichkeit zur unkomplizierten Selbstoptimierung. US-Moderatorin Oprah Winfrey teilt das Schicksal von Millionen Frauen: Seit Jahrzehnten kämpft sie gegen ihren Körper an.
Noch vor zehn Jahren wurde sie zur zweitgrößten Weight-Watchers-Aktionärin, die Aktien stiegen damals um 105 Prozent. Doch als sich Winfrey 2024 zur Abnehm-Spritze bekannte und sich wieder aus dem Unternehmen zurückzog, brach auch der Aktienkurs ein. Jetzt ist sie also superschlank und Weight Watchers pleite. Doch stattdessen verdienen nur andere an dem Geschäft mit der Scham für ganz normale Körper.