Wiedereröffnungen in KölnWer hat jetzt eigentlich noch Sehnsucht nach Museen?

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Besucher im Kölner Wallraf-Richartz-Museum 

Besucher im Kölner Wallraf-Richartz-Museum 

  • In Köln haben die meisten städtischen Museen die Corona-Schließung fürs erste hinter sich, nur das Kulturzentrum am Neumarkt bleibt weiterhin geschlossen.
  • Aber wer hat jetzt eigentlich noch Sehnsucht nach Museen? Erste Eindrücke aus den wiedereröffneten Häusern.

Köln – Wer hätte das gedacht: In Deutschland eröffnen die Museen und die Welt hält gespannt den Atem an? Das internationale Fachblatt „Art Newspaper“ schickte seine Korrespondentin bis nach Cottbus, um mitzuerleben, wie im örtlichen Landesmuseum für Moderne Kunst mit Hilfe von Stangen und Seilen spielerisch auf Abstand gegangen wird. „Wir fuhren in eines der ersten wiedereröffneten Museen in Deutschland“, tönt es im englischsprachigen Text dramatisch: „Das haben wir erlebt.“ Oder sollte es heißen: überlebt?

Auch in Köln haben die meisten städtischen Museen die Corona-Schließung fürs erste hinter sich. Gäbe es vor ihren Türen lange Besucherschlangen, könnte man sich während des Wartens fragen, ob aus diesen Zufluchtsorten stiller Besinnung in Krisenzeiten das letzte Abenteuer des Bildungsbürgers geworden ist? Stehen wir gar nicht vor dem Museum Ludwig an, sondern vor dem Gipfel des Himalayas? Vor Ort stellt sich dann wahlweise Ernüchterung oder Erleichterung ein: Es gibt freien Zugang, am späten Nachmittag hatte das Haus 74 Besucher gezählt.

Auch an solchen Zahlen lässt sich ablesen, dass die Zeiten weiterhin dramatisch sind, und das selbstredend auch für die Kölner Museen. „Der Lockdown war sehr zermürbend“, sagt etwa Yilmaz Dziewior, Direktor des Museum Ludwig. „Wir konnten unsere Aufgabe, die Kunst im Original dem Publikum zu präsentieren, nicht mehr erfüllen.“ Das Ende der Schließung sei daher „eine riesige Erleichterung und große Motivation“ für alle Mitarbeiter. „Ich hoffe, dass die Eröffnung auch für unsere Besucher ein Lichtblick ist.“

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Wer in der Schönheit Trost findet, sieht in den Museen vielleicht tatsächlich ein lange vermisstes Licht. Für einen Besuch bei Stefan Lochners „Madonna im Rosenhag“ (im Wallraf-Richartz-Museum) nimmt man dann gerne Einschränkungen in Kauf: In allen geöffneten Häusern sind ein Mund-Nasen-Schutz und die Einhaltung der Abstandsgebote Pflicht, Führungen finden bis auf weiteres nicht statt, die Museumsgastronomie bleibt geschlossen. Die Zugangsbeschränkungen klingen hingegen beinahe nach Normalbetrieb: Im Ludwig ist die Zahl der Besucher, die sich gleichzeitig im Museum aufhalten dürfen, auf 400 begrenzt, im Wallraf-Richartz-Museum sind es 150 Besucher.

Für die städtischen Häuser ist die Wiedereröffnung auch ein finanzieller Lichtblick. „Wir haben derzeit 120000 Euro an Einnahmeausfällen im Monat und sparen, wo wir können“, sagt Yilmaz Dziewior. „In den letzten Jahren haben wir immer ausgeglichen abgeschlossen, das wird dieses Jahr schwierig.“ Die Mehrausgaben für Hygienemaßnahmen machen dabei laut Dziewior nur einen Bruchteil aus.

Großes Glück im Unglück, so Dziewior, habe man bei den Sonderausstellungen gehabt: „Die Wade-Guyton-Schau war beim Shutdown bereits abgebaut, die Leihgaben konnten wir bei explosionsartig gestiegenen Versicherungs- und Transportkosten im Haus behalten; wir haben sie jetzt ausgelagert.“ Für die in den Juni verschobene „Mapping the Collection“-Schau sind laut Dziewior viele Leihgaben bereits eingetroffen. „Auf einige werden wir aber leider verzichten müssen, oder sie kommen später während der Laufzeit der Ausstellung.“

August Mackes „Dame in grüner Jacke“ im Museum Ludwig Repro: Wikimedia

August Mackes „Dame in grüner Jacke“ im Museum Ludwig Repro: Wikimedia

Für zwei Kölner Museen hält das Unglück der Schließung hingegen an: Das Museum Schnütgen und das Rautenstrauch-Joest-Museum müssen ihr gemeinsames Foyer im Kulturzentrum am Neumarkt weiterhin dem dort eingerichteten Infektionsschutzzentrum überlassen. Wann das Zeltlager für Corona-Schnelltests wieder abgebaut werden kann, ist derzeit unklar, laut Moritz Woelk, Direktor des Museum Schnütgen, will die Stadt die betroffenen Museen an diesem Freitag über den weiteren Zeitplan informieren. „Mir wurde versichert, dass der Krisenstab fieberhaft an einer Lösung arbeitet“, so Woelk, der betont, dass Museum leiste gerne seinen Beitrag zu den allgemeinen Schutzmaßnahmen. Misslich ist die Sache trotzdem: Die große Meister-Arnt-Ausstellung mit internationalen Leihgaben musste Woelk auf unbestimmte Zeit verschieben; er hofft, dass er die für das Haus bedeutende Schau im Juni eröffnen kann. Wer die Stadt Köln kennt, fragt sich zudem beinahe zwangsläufig, ob es in der gesamten Innenstadt tatsächlich keine anderen geeigneten Räume für das Infektionsschutzzentrum gab.

Auch für die geöffneten Museen ist die Rückkehr zur Normalität gleichwohl noch weit – für Stefan Kraus, Leiter des erzbischöflichen Kunstmuseums Kolumba, liegt gerade darin die Aufforderung, „darüber nachzudenken, wie man als Museum und Gesellschaft auf die Krise reagiert“. Kultur sei mehr als das Sahnehäubchen oder ein bloßer Teil des Unterhaltungsbetriebs. „Museen sind Medien der Selbsterkenntnis“, so Kraus. Aber eben auch nur ein Angebot, das man annehmen oder ausschlagen könne. Insofern erhält Kraus’ unschuldig klingende Frage eine ungewohnte Dringlichkeit: „Wer hat jetzt eigentlich noch Sehnsucht nach Museen?“

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