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NachrufNadja Abd el Farrag – eine Tragödie im Rampenlicht

Lesezeit 5 Minuten
Die Moderatorin Nadja Abd el Farrag im Jahr 2018

Das Bild zeigt die Moderatorin Nadja Abd el Farrag im Jahr 2018.

Nadja Abd el Farrag ist im Alter von 60 Jahren gestorben. Über eine Frau, die das Pech hatte, eine der ersten Reality-TV-Stars zu werden. 

Es ist wie so oft. Nachdem die Meldung im Internet die Runde gemacht hatte, dass Nadja Abd el Farrag tot ist, überschlugen sich in den sozialen Netzwerken die Beileidsbekundungen: Viel zu früh, so traurig, die Arme. Da war plötzlich nichts mehr von der Häme, mit der über Jahrzehnte jeder mediale Auftritt von Naddel, wie sie im Boulevard nur hieß, kommentiert wurde.

Nachsicht, Verständnis und echtes Mitgefühl suchte man lange Zeit vergeblich, wenn es um die Frau ging, deren Vorname Hoffnung bedeutet. Stattdessen wurde sie im besten Fall belächelt, oft jedoch lächerlich gemacht. Immer von oben herab wurde jeder Schritt der Frau, die zeitlebens darauf reduziert wurde, erst die Partnerin und dann die Ex von Dieter Bohlen gewesen zu sein, bewertet. Wenn sie sich als Schlagersängerin versuchte, zogen sie über ihren Gesang her. Als sie in der RTL-Sendung „Raus aus den Schulden“ über ihr prekäre finanzielle Lage sprach, erntete sie auch dafür Hohn und Spott.

ARCHIV - 29.08.2011, Nordrhein-Westfalen, Köln: Die Sängerin und Moderatorin Nadja Abd el Farrag posiert im Coloneum vor ihrem Einzug in das «Big Brother»-Haus. Die ehemalige Moderatorin Nadja «Naddel» Abd el Farrag ist tot. Sie starb nach dpa-Informationen am 9. Mai im Alter von 60 Jahren in einer Klinik in Hamburg. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

2011 zog die Sängerin und Moderatorin Nadja Abd el Farrag in das „Big Brother“-Haus. Das Bild zeigt sie kurz vor ihrem Einzug.

Nadja Abd el Farrag war als junge Frau in eine mediale Falle getappt, aus der sie sich nicht befreien konnte. 1965 kam sie in Hamburg als Tochter einer Deutschen und eines Sudanesen zur Welt. Sie begann eine Ausbildung zur Apothekenhelferin. In einer Diskothek lernte sie Dieter Bohlen kennen, wurde erst Background-Sängerin in seinem Musikprojekt Blue System und dann seine Lebensgefährtin. Fortan war sie die Frau an seiner Seite. Für eine schlagzeilenträchtige Kurzehe mit Verona Feldbusch (heute Pooth) verließ er sie Mitte der 1990er, lebte danach sogar noch einmal mit ihm zusammen.

Sie wünschte sich eine Heirat und Kinder, er ließ sie irgendwann für eine deutlich jüngere Frau sitzen, mit der er dann ein Kind bekam. Und Abd el Farrag blieb die Bohlen-Ex. Beruflich und finanziell kam sie nie wieder auf die Füße. Sie zog sich für den Playboy aus, moderierte die Erotikshow „Peep!“, arbeitete zwischenzeitlich auch kurz als Altenpflegehelferin. Nichts funktionierte.

Die Freude über ihren Niedergang war zynisch

Aber welchen Job hätte sie denn auch machen sollen? Eine abgeschlossene Ausbildung hatte sie nicht. Und es hätten sich ja doch wieder alle das Maul über sie zerrissen, Boulevard-Zeitungen hätten Fotos von ihr gemacht: „Schaut, nun ist das Luxusleben vorbei und sie muss als Kellnerin/Verkäuferin/Wasauchimmer arbeiten.“

Ja, man konnte ihr vorhalten, sich von Dieter Bohlen abhängig gemacht, keinen eigenen Beruf erlernt zu haben. Sie wird sich das selbst oft genug vorgeworfen haben. Aber die Freude über ihren Niedergang, die Lust, mit der Klatschzeitschriften und Boulevardmedien wie die „Bild“ jede Niederlage ausschlachteten, sagt viel über den Zynismus der Medienlandschaft aus, in der früher Auflagen und heute Klicks die einzige Währung sind. 

ARCHIV - 10.02.1999, Berlin: Dieter Bohlen und Nadja Abd el Farrag auf einer Party im Anschluss an die Verleihung der Goldenen Kamera. Die ehemalige Moderatorin Nadja «Naddel» Abd el Farrag ist tot. Sie starb nach dpa-Informationen am 9. Mai im Alter von 60 Jahren in einer Klinik in Hamburg. Foto: Nestor Bachmann/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Dieter Bohlen und Nadja Abd el Farrag auf einer Party im Anschluss an die Verleihung der Goldenen Kamera im Februar 1999.

„Es war nie mein Ziel, ein Leben in der Öffentlichkeit zu führen“, sagte sie dem „Spiegel“ vor einigen Jahren. Und wenn das stimmt, offenbart es die ganze Tragik eines Lebens, das immer nur darauf reduziert wurde, ein bisschen zu aufgedreht auf irgendwelchen Promi-Partys aufzutauchen. Wer diese Frau wirklich war, was sie geprägt hatte, was sie sich wünschte, interessierte nicht. 

Sie tingelte durch die Formate, die wir heute Trash-TV nennen

Nadja Abd El Farrag war eine der ersten, die ihre Bekanntheit nutzte, um durch die Formate zu tingeln, die wir heute Trash-TV nennen. Ob nun die RTL-Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“, „Big Brother“, das Sat.1-„Promiboxen“ oder „Ich bin ein Star - Holt mich wieder rein!“. Wo sie teilnahm, sorgte sie für gute Quoten, sie selbst hatte wenig davon.

Verona Feldbusch, die der Boulevard zu ihrer Gegenspielerin stilisiert hatte, war geschickter darin, die Aufmerksamkeit dafür zu nutzen, mit Werbung gutes Geld zu verdienen. 

Nadja ab del Farrag [r./Archivbild vom 13.12.1998], Dauerfreundin von Schlagersänger Dieter Bohlen, hat wegen ihrer Stimme und erotischen Ausstrahlung den Zuschlag als künftige Moderatorin der RTL-2-Erotik- Show «Peep» erhalten. Nur ein Vierteljahr nach der Ablösung von Verona Feldbusch [Archivbild vom 15.03.1999] tritt sie die Nachfolge von Verena Araghi an. Bohlens 31jährige Ex-Frau Verona Feldbusch soll hingegen mit einen Gastauftritt in der neuen Komödie von und mit Leslie Nielsen [«Die nackte Kanone»] «2001 - A Space Travesty» ihre erste Hollywood-Rolle bekommen. dpa

Nadja ab del Farrag moderierte in den Neunzigern die RTL-2-Show „Peep“ - wie zuvor schon Verona Feldbusch (l.).

Abd el Farrag kam auch privat nicht so recht zur Ruhe und die Art, wie mit ihr umgegangen wurde, hat viel mit Misogynie und Rassismus zu tun, die fest in unsere Gesellschaft verankert sind. Als die vermeintlich exotische Freundin an der Seite eines erfolgreichen Mannes wurde sie akzeptiert – sonst nicht. Dass Bohlen sie auch jenseits davon, dass er sie betrog, nicht gut und wertschätzend, sondern wie ein hübsches Accessoire behandelte, war offensichtlich, interessierte aber niemanden. 

Reality-TV-Darsteller heute ein fast normaler Beruf

Bohlens Ruf hat das alles nicht geschadet. Der fünffache Vater – mit drei Frauen – ist weiterhin sehr erfolgreich. RTL rollt dem „Poptitan“ nach einer kurzen Trennung wegen seines gehässigen Umgangs mit Kandidaten wieder den roten Showteppich aus. Und wenn er nun auf Instagram bekundet, er sei „sehr traurig“ über Abd El Farrags Tod, wird er dafür in den Kommentaren gelobt. 

Jenny Elvers, auch so ein Reality-TV-Gesicht der ersten Stunde, die wie Abd El Farrag mit Alkoholproblemen kämpfte, und durch die TV-Formate zog, kommentierte deren Tod auf ihrem Instagram-Profil mit den Worten „Arme kranke Seele - ruhe in Frieden. Alle, die sie noch bis zum Schluss vor die Kamera gezerrt haben, sollten sich in Grund & Boden schämen!!!!“

Dank Instagram und unzähliger Trash-Formate bei den Privaten und auch bei Streamingdiensten ist Reality-TV-Darsteller heute ein fast normaler Beruf. Wer schlau ist, organisiert sich noch ein paar Hunderttausend Follower bei Instagram und verdient gutes Geld. Sie brauchen die klassischen Medien nicht mehr, um ihre Reichweite zu erhöhen – oder kennen Sie Mike Heiter oder Leyla Lahour? Die tingeln zwar auch durch sämtliche Formate, aber in der großen Masse fallen sie eben nicht weiter auf. Frauen wie Nadja Abd el Farrag oder Jenny Elvers war das nicht möglich. Sie bezahlten für das Rampenlicht einen hohen Preis.

Anfang April 2025 sprach Abd El Farrag mit der Zeitschrift „Freizeit Vergnügen“ erneut über ihre Finanzen. Sie bekomme nur 200 Euro Rente. Der Hamburger Millionär Andreas Ellermann, der nun ihren Tod öffentlich machte, unterstützte sie zuletzt zwar, holte sie aber auch immer wieder vor die Kamera. Ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit blieb bis zuletzt schwierig. Nun ist Nadja Abd El Farrag im Alter von 60 Jahren in einer Klinik in Hamburg gestorben.