Robert Redford sah blendend aus, aber ein Blender war er nicht. Als Schauspieler, Regisseur und Festivalgründer war er eine Legende des Filmgeschäfts.
Zum Tod von Robert RedfordTraummann in einer entzauberten Welt

Robert Redford (l.) und Dustin Hoffman im Polit-Thriller „Die Unbestechlichen“
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Im selten gesehenen Sportdrama „Schussfahrt“ aus dem Jahr 1969 spielt Robert Redford einen von Ehrgeiz schier zerfressenen Skirennläufer. Ins US-Team nachgerückt, fährt er die Saison seines Lebens. Der Film endet, gemäß den Konventionen des Genres, mit einem strahlenden Sieg nach kurzem Formtief. Und hat doch so gar nichts Triumphales. Redfords Athlet ist emotional verkümmert, nimmt nur sein eigenes Image und die Ziellinie wahr. Sein Leben besteht aus anonymen Hotels und streng ritualisierten Kontakten mit seinem Trainer, Teamkollegen, die eher Konkurrenten sind, und Pistengroupies.
Wenige Wochen vor „Schussfahrt“ war jener Spätwestern in den US-Kinos angelaufen, mit dem Redford endgültig in die erste Liga Hollywoods aufrückte: „Zwei Banditen“, im Original „Butch Cassidy and the Sundance Kid“. An der Seite des ungleich gesprächigeren Charmebolzens Paul Newman gab er den lakonischen Scharfschützen, eine Männlichkeitsikone mit verwuscheltem blonden Haar. Newman war der letzte echte Star des alten Studiosystems, Redford ein Leinwand-Idol von klassischer Schönheit, inmitten der rauen, realistischen Landschaft des New Hollywood.
Robert Redford wollte viel mehr sein, als nur ein Sex-Symbol
„Schussfahrt“ wirkt dann auch wie die möglichst harsche Kritik an diesem verdächtig gewordenen Stereotyp, um Sport geht es nur am Rande. Der Unsympath war kein zufälliges Angebot gewesen, sondern Redfords erklärtes Lieblingsprojekt, sein erster Versuch, als Produzent auch hinter der Kamera zu wirken. Nicht, dass der All-American-Boy aus Santa Monica seine Aufgaben als Sex-Symbol auf die leichte Schulter nahm, aber von Anfang an interessiere ihn die Dekonstruktion dieser Rolle noch ein wenig mehr.
Wenn er Journalisten von seiner Jugend erzählte, stellte er sich gern als trinkenden Tunichtgut dar, als Schulabbrecher und kalifornischen Kleinkriminellen, dem offensichtlich keine gute Zukunft beschieden war. In Wahrheit hing der Sohn eines Milchmanns, der es schließlich zum Buchhalter brachte, mit den Kindern von Drehbuchautoren und Studiobossen ab, bereiste Europa, besuchte Malerei- und Schauspielklassen und feierte 1959 sein Broadway- und im Jahr darauf sein Filmdebüt. An der Seite von Anthony Perkins und Jane Fonda, mit der er noch häufiger drehen würde.

Robert Redford und Jane Fonda im Jahr 2017.
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Bei ihrer dritten gemeinsamen Arbeit, einer Verfilmung der Neil-Simon-Komödie „Barfuß im Park“ (1967) – Redford hatte seinen Part bereits in der Theater-Version gespielt – waren sie als junge Stars gleichauf. Zwölf Jahre später nahmen sie den Faden in „Der elektrische Reiter“ wieder auf, die Jugendfrische war verflogen, Redford verkörperte als abgehalfterter Rodeo-Champion den schwer angekratzten amerikanischen Traum, aber als streitendes, liebendes Kinopaar waren er und Fonda nicht weniger glamourös als Tracy Spencer und Katharine Hepburn.
Wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen: Ob man Robert Redford nun aus den Augen von Barbra Streisand (in „So wie wir waren“, 1973), Mia Farrow („Der große Gatsby“, 1974), Meryl Streep („Jenseits von Afrika“, 1985) oder Demi Moore („Ein unmoralisches Angebot“, 1993) betrachtet: Stets ist er die enigmatische, eventuell doch eher oberflächliche Blondine, die ihr weibliches Gegenüber schwach werden lässt – und die doch nicht zu halten ist, sich am Ende verflüchtigt wie ein Tagtraum.
Mit „Die Unbestechlichen“ brachte Redford Paranoia zum Wohlfühlen
Pauline Kael, die Großkritikerin des „New Yorker“, hielt große Stücke auf den Schauspieler Redford und missbilligte umso schärfer den Star, verglich ihn in der Rolle des einsamen Trappers „Jeremiah Johnson“ mit dem Kino-Collie Lassie, lästerte über seine Haarfarbe in „Der Clou“ – dem zweiten Duett mit Paul Newman – das wäre nicht mehr platin-, sondern schon plutoniumblond. Aber da hatte Kael die harsche Kritik an den seichten Gewässern Hollywoods übersehen, für die Redford sein blendendes Aussehen zur Verfügung stellte.
Und die Reihe hochengagierter Werke, die sich durch seine gesamte Karriere ziehen, vom gründlich desillusionierten demokratischen Gouverneursanwärter in „Bill McKay – Der Kandidat“ (1972) über den gejagten CIA-Experten in „Die drei Tage des Condor“ (1975), bis zum Watergate-Enthüller Bob Woodward an der Seite von Dustin Hoffman in „Die Unbestechlichen“ (1976) – der Zeitungsthriller übertrug gewissermaßen die Buddy-Formel der Redford-Newman-Filme aufs Politkino der 1970er – Paranoia zum Wohlfühlen.

Die Schauspieler (l-r) Robert Redford, Elizabeth Ashley und Kurt Kaznar erscheinen hinter der Bühne bei der Premiere ihres Komödienstücks 'Barfuß im Park' unter der Regie von Mike Nichols.
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Neben Clint Eastwood gelang Robert Redford zudem die wohl eindrucksvollste Regiekarriere eines Hollywoodstars, angefangen mit dem feinfühligen, mit vier Oscars ausgezeichneten Drama „Eine ganz normale Familie“ (1980), über „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ (1992) – der ersten Starrolle für Brad Pitt, der ebenfalls lange gegen sein allzu gutes Aussehen ankämpfen musste – bis zum faustischen Moralstück „Quiz Show“ (1994). Es waren uncharakteristisch uneitle Filme, erst spät, mit „Der Pferdeflüsterer“, inszenierte sich der Star dann doch noch selbst als knorrige Legende der Leidenschaft.
Redfords größerer Beitrag zum Filmschaffen war jedoch die Gründung des Sundance-Filmfestivals in seiner wahren Heimat Park City, Utah (er hatte jung geheiratet und war seiner ersten Frau in den Mormonenstaat gefolgt, so weit weg vom Glimmer Los Angeles' wie nur möglich). Sundance übersetzte den Geist des New Hollywood ins Independent Cinema von heute, die großen Kinoautoren von heute – Steven Soderbergh, Quentin Tarantino, die Coen-Brüder, Richard Linklater, Ava DuVernay, Darren Aronofsky, Ryan Coogler oder Chloé Zhao – starteten hier ihre Karrieren. Zuletzt beklagte Redford bitter die inzwischen riesigen Ausmaße und die Kommerzialisierung seines Festivals.
Redford selbst mag sein umweltpolitisches Engagement noch wichtiger gewesen sein, drei Jahrzehnte lang engagierte er sich unter anderem beim Natural Ressources Defense Council, und zahlreiche Filmstars von heute, allen voran Leonardo DiCaprio, folgen seinem Beispiel, im Versuch, ihren überirdischen Glamour zu erden.
In Utah, „an dem Ort, den er liebte, umgeben von denen, die er liebte“, so seine Sprecherin Cindi Berger, ist Robert Redford nun am frühen Dienstagmorgen im Alter von 89 Jahren gestorben.
In einem seiner letzten Filme, „All Is Lost“ von 2013, spielte er einen Segler in einem auf offener See havarierten Boot. Er ist ganz allein. Ein alter Mann und das Meer. Er kämpft ums Überleben, ruhig, beharrlich, ohne große Gesten. Aber die Leinwand zeigt einen Mythos.