Zur Debatte um Eigenheimbau und ZersiedelungDer Drang ins Grüne zerstört das Grüne

Neubaugebiet in Widdersdorf
Copyright: Matthias Heinekamp
Köln – Man muss es ihnen lassen: Die Grünen haben ein überragendes Talent, sich zur schlechtesten Zeit Feinde zu machen. 2013 verhagelten sie sich selbst die Bundestagswahl mit der Proklamation eines „Veggie Days“: Das war die Empfehlung an die Bürger, einmal in der Woche dem Fleisch zu entsagen. An sich eine vernünftige Idee, denn die ökologischen und gesundheitlichen Folgen von „Tierproduktion“ und üppigem Fleischverzehr liegen auf der Hand.
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Sei’s drum: Der politische Gegner hatte sein Fressen gefunden, beschwerte sich lauthals über die „Verbotspartei“ und bewirkte, dass die Grünen eine blamable Niederlage einfuhren. Anno 2021 könnte sich das wiederholen, zumal der aktuelle Konflikt einem ganz ähnlichen Design folgt: Anton Hofreiter, der Grünen-Fraktionsvorsitzende stellte jüngst in einem „Spiegel“-Interview die skeptische Frage, ob angesichts der gebotenen Energieeffizienz in Zeiten des Klimawandels und des fortschreitenden Flächenfraßes dem Bau von Einfamilienhäusern im ländlichen Raum und dem damit verbundenen klimaschädlichen Mobilitätsschub nicht Einhalt geboten werden müsse – wozu rechtlich und politisch immerhin Flächennutzungs- und Bebauungspläne die Handhabe geben.
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Das Echo ließ nicht lange auf sich warten
Wie beim Veggie-Day ließ das wütende Echo zumal aus Union (aus der inzwischen allerdings auch für Hofreiter zustimmende Reaktionen kommen) und FDP nicht lange auf sich warten. Der thüringische CDU-Vorsitzende Christian Hirte lieferte sozusagen das Kondensat der einschlägigen Vorwürfe: „Von Privateigentum und von den Träumen von Millionen von Familien hat die politische Linke noch nie etwas gehalten. Weiter geht es in Richtung grüne Verbotspartei mit dem Einfamilienhaus als Feindbild.“ Diese Äußerung enthält Richtiges und Falsches. Das Falsche zuerst: „Links“ sind die Grünen ja nun lange schon nicht mehr, und die Problematisierung von Eigenheimen ist per se noch nicht eigentumsfeindlich – schließlich gibt es ja auch Eigentumswohnungen.
Pure Demagogie im Spiel
Hier ist pure Demagogie im Spiel. Richtig ist freilich der Hinweis auf den uralten deutschen Familientraum, den das böse grüne Rumpelstilzchen zertrampelt: den vom eigenen Häuschen im Grünen eben. Hirte appelliert diesbezüglich an tiefsitzende Sehnsüchte und Urängste zugleich – da besetzt das Eigenheim eine ähnliche Stelle wie das Auto.
Was aber nun, wenn dieser Traum aktuell aus vielerlei Gründen und nicht zuletzt aus solchen der Güterabwägung tatsächlich nicht mehr lebbar sein sollte? Klar, energieeffizientes und also klimaneutrales Bauen mag jetzt auch auf dem Land möglich sein. Unstrittig aber, weil jederzeit an Ort und Stelle zu beobachten, ist die ökologisch desaströse Zersiedelung des ländlichen Raumes inklusive der Zunahme des Pendlerverkehrs zwischen Wohnort und Arbeitsplatz in der Metropole.
Warnung vor den „Donut-Dörfern“
Und Raumplaner warnen schon seit Jahren vor dem Phänomen der „Donut-Dörfer“, das der Eigenheimbau auf dem Lande zeitigt: „In der Mitte zerfällt der Ortskern, außen wuchert ein Ring von Neubaugebieten“, ließ sich 2017 der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen angesichts der Entwicklung in Schleswig-Holstein vernehmen.
Zu alldem ein Wort in halb-eigener Sache. Der Schreiber dieser Zeilen wohnt seit 1991 in Leverkusen-Schlebusch, de facto im Bergischen Land – das er nach 30 Jahren kaum mehr wiedererkennt. Die frühere Freistrecke zwischen Fettehenne und Neuboddenberg – rechts und links zugebaut. Wohin er auch blickt – Neubauviertel. Wenn es auch in Nachbargemeinden so weitergeht, wird es in weiteren 30 Jahren in der Region kaum mehr ein naturbelassenes Fleckchen geben. Eine Katastrophe für Artenvielfalt und Biodiversität. Daran offenbart sich die irrationale Dialektik der Erschließung: Wenn alle im Grünen bauen, gibt es das Grüne irgendwann nicht mehr.
Farbenwechsel in Odenthal
Das scheint sich wenigstens herumzusprechen: Im nahen Odenthal ist die CDU bei der jüngsten Kommunalwahl abgestraft worden. Ehemals rabenschwarze Ortsteile gingen an die Grünen, die mit dem Thema Zersiedelung und Flächenverbrauch einen aggressiven Wahlkampf gemacht hatten.
Noch ein – vorbeugendes – Wort in eigener Sache. Ja, es stimmt, der Autor dieses Beitrags bewohnt selbst die Hälfte eines seinerzeit neu gebauten Doppelhauses. Wird er damit zum Heuchler, der aus dem Glashaus mit Steinen wirft? Immerhin darf er für sich in Anspruch nehmen, mittlerweile klüger geworden zu sein. Und er, der zur Arbeit in Köln mit Fahrrad und KVB fährt, überlegt zudem, seinen Wohnsitz wieder in die Großstadt zu verlegen.
Wer hat eine bessere Idee?
Aber hat er generell eine Alternative zu dem von ihm beklagten Missstand in petto? Ja, auch wenn die wehtut: Wir werden, um des Wohnraummangels Herr zu werden, nicht umhinkönnen, in den Metropolen in die Höhe zu bauen. Diese würden damit amerikanisiert – was man unter dem Aspekt urbaner Qualität und Wohnkultur abstoßend finden kann. Aber hat jemand eine bessere Idee?