„Schicksale statt Thesen“

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Herr Petzold, sie haben mittlerweile drei Trilogien gemacht, zwei im Kino und eine mit Matthias Brandt als Kommissar im TV-Format „Polizeiruf 110“. Was reizt sie an Trilogien?

Mich hat es schon immer interessiert, Filme in einem Kontext zu betrachten. Wenn der einzelne Film ein Gebäude ist, dann ist eine Serie von Filmen, die aufeinander Bezug nehmen, eine ganze Stadt. Ich wandle nun lieber in einer ganzen Stadt herum, statt mir nur ein Monument anzusehen.

Nina Hoss ist die Schauspielerin, mit der sie seit über 20 Jahren bevorzugt zusammenarbeiten. Woher kommt diese Kontinuität von bislang sechs Filmen und hat sich ihre gemeinsame Arbeit über die Jahrzehnte hinweg verändert?

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Christian Petzold

Christian Petzold

Ich habe mit Nina Hoss zum ersten Mal bei „Toter Mann“ zusammengearbeitet. Sie hatte schon damals eine Ausstrahlung, die perfekt zu dieser Art von Rolle passte. Sie verkörpert so etwas wie eine Königin im Exil, eine Außenseiterin, die aber nicht mit dem Makel der Opferrolle behaftet ist. Eine Figur, die aus der Welt gefallen aber gleichzeitig mit einer starken Sehnsucht behaftet ist, wieder in diese Welt zurückzukehren. Nachdem sie für den ersten Part perfekt passte, habe ich bei den weiteren Filmen die Rolle unmittelbar auf sie zugeschnitten. Zurzeit haben wir allerdings ein kleines Break, weil ich gerade Filme drehe, deren weibliche Hauptrollen einen anderen Charakter verkörpern. Wir werden aber sicherlich in der Zukunft weitere Filme realisieren.

Ihr Film „Barbara“ behandelt das Leben in der Spätphase der DDR. Gleichzeitig erzählen Sie von einer Figuren- und Beziehungskonstellation erzählt wird, die über den historischen Kontext hinausreicht. Wie sieht ihr Blick auf die Vergangenheit aus?

Mich interessiert vor allem der Bezug der Vergangenheit zur Gegenwart. Bei „Barbara“ wollte ich auch ein anderes Bild der DDR zeigen, das bunter und originärer war als dieses graue Klischee, mit dem der Osten in den West-Filmen immer gezeigt wurde. „Barbara“ ist eine Art Ost-Film in Technicolor, ohne dabei das System der DDR und seine Fehler schön zu zeichnen.

„Toter Mann“ aus dem Jahre 2001, der am Sonntag im Odeon zu sehen ist, ist ein Fernsehfilm. Was waren damals die Beweggründe, die Geschichte nicht ins Kino zu bringen und wie wirkt der Film auf der großen Leinwand?

Die Entstehungsgeschichte von „Toter Mann“ war eine kleine Tragödie. Ich hatte zu der Zeit einen dreijährigen, zermürbenden Kampf um die Finanzierung von „Die innere Sicherheit“ ausgefochten. Danach war ich vom Kino zuerst einmal bedient und brauchte ein Projekt, mit dem ich meine Familie ernähren konnte. Gleichzeitig hatten wir im Film „Toter Mann“ den Burt Bacharach-Song „What the World Needs Now Is Love“ als musikalisches Leitmotiv eingesetzt. Da wären die Songrechte fürs Kino zu der Zeit unerschwinglich gewesen. Ich habe den Film letztlich erst im Rahmen einer Retrospektive in New York im Kino gesehen und muss sagen, dass er auf der Leinwand sehr gut funktioniert. Im Nachhinein wäre es also schön gewesen, ihn fürs Kino zu machen, auch wenn der TV-Sender uns damals bei der Realisierung alle Freiheiten gelassen hat.

Beide Filme, „Barbara“ und „Toter Mann“ erzählen die Geschichte einer verhinderten Liebe.

Hier gilt der berühmte Satz von Tolstoi aus Anna Karenina: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“. Es sind nun einmal die unglücklichen Liebesgeschichten, die die spannenden Kinostoffe generieren.

Die sogenannte „Berliner Schule“, zu der ihre Filme gerechnet werden, ist im Ausland wie in Frankreich teilweise populärer als bei uns. Gibt es dafür eine Erklärung?

Das ist vor allem zu Beginn ein Phänomen gewesen, das vielleicht auch mit dem deutschen Kino-Verständnis zu tun hat, dass Filme immer eine Botschaft transportieren müssen. Die „Berliner Schule“ hat sich da immer schon mehr auf den internationalen Film aus Frankreich oder auch aus Hollywood ausgerichtet. Da geht es in Filmen mehr um Träume, Abgründe und um das Leben an sich. Menschliche Schicksale stehen da im Mittelpunkt und keine Thesen.

In den drei Folgen von „Polizeiruf 110“ haben sie für ein festes Fernsehformat gearbeitet.

Der Grund für diese Arbeiten war in erster Linie Matthias Brandt. Seine Figur des Kommissars Hans von Meuffels hat mich schon immer fasziniert. Sie steht in der Tradition der großen melancholischen Ermittler, deren Einsamkeit eine ganz spezielle Aura verbreitet. Dass es am Ende drei Filme geworden sind, hat sich jeweils aus dem vorherigen Film ganz organisch entwickelt bis hin zu dem Schlusspunkt, mit dem Matthias Brandt sich von dieser großen Rolle verabschiedet hat.

Was sind ihre nächsten Projekte?

Ich arbeite zurzeit am ersten Teil einer neuen Trilogie, die die deutsche Romantik und hierbei speziell das Motiv der Elementargeister zum Thema hat. Alle Filme werden allerdings in der heutigen Zeit spielen. Im ersten Film „Undine“ spielen wieder Paula Beer und Franz Rogowski wie in „Transit“ die Hauptrollen. Paula Beer spielt eine Angestellte des Berliner Senats, die als moderne Wassernymphe den Fluch brechen will, der sie zwingt, die Männer, die ihr untreu werden, in den Tod zu schicken. Nach der Undine als Wassergeist werden in den weiteren Filmen die übrigen Elementargeister Luft und Erde im Mittelpunkt stehen.

VERANSTALTUNGEN

Am 24. März kommt Christian Petzold um 11 Uhr zum Werkstattgespräch der Filmsociety in den KunstSalon (Brühler Str. 11-13). Im Rahmen des Gespräches werden am 23.3. im OFF-Broadway „Barbara“ (15.30 Uhr) und am 24.3. im Odeon „Toter Mann“ (15 Uhr, in Anwesenheit von Christian Petzold) gezeigt.

Reservierungen unter:

anmeldungen@filmsociety.de

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