Gastbeitrag zum Tag der PressefreiheitVerschwörungsmythen sind niemals neutral

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Lügenpresse Schild

Pressevertreter werden immer häufiger verbal und körperlich attackiert.

  • Frank Überall ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands und Professor an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln.

Wenn man als Journalistin oder Journalist aus einem Kriegs- oder Krisengebiet berichtet, muss man sich schützen. Es gibt beispielsweise bei der Bundeswehr Kurse, in denen Medienschaffende lernen, sich in solchen Regionen selbst zu schützen. Für Einsätze in Deutschland sind solche Schulungen bisher nicht üblich. Wir sind schließlich kein Krisengebiet. Doch sind wir das wirklich nicht? Immerhin warnt unser Nachbarland Schweiz regierungsamtlich vor Demonstrationen in deutschen Großstädten, bei denen Ausschreitungen möglich seien.

Wir Journalistinnen und Journalisten sind besonders betroffen. Für uns sind Großstädte wie Köln immer häufiger Krisengebiet. Wir werden beschimpft, bedroht und gewalttätig angegriffen. Im internationalen Ranking zur Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ ist die Bundesrepublik deutlich abgestiegen – wegen der Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Allein die Zahl der registrierten Fälle bei Demonstrationen hat sich gegenüber dem Vorjahr verfünffacht, hinzu kommt verbale Gewalt im Internet. All das belegt eine veritable Krise.

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Der öffentliche Diskurs wird durch solche Entwicklungen massiv beschädigt. In einer Demokratie sind es die Massenmedien, die die Gesellschaft mit den Rohstoffen Information und Einordnung versorgen. Fehlt diese journalistische Tätigkeit, ist eine tragfähige Auseinandersetzung mit politischen Entscheidungen nicht möglich. Deshalb ist die Pressefreiheit im Grundgesetz verankert, deshalb wird sie von den Vereinten Nationen als weltweit verbindliches Menschenrecht deklariert.

Natürlich gibt es auch das Grundrecht, demonstrieren zu dürfen. Dieses Grundrecht muss von der Polizei konsequent durchgesetzt werden. Das Menschenrecht der Pressefreiheit darf dabei aber nicht unter die Räder geraten. Vielen Polizeibehörden ist das schon bewusst, es werden Schutzkonzepte für Berichterstattende umgesetzt. In manchen Behörden aber hat dieser Aspekt offenbar keine Priorität: Journalistinnen und Journalisten werden eher als lästig empfunden, sie werden als nicht besonders gefährdet angesehen. So kann Demokratie nicht funktionieren. Deutschlands Großstädte dürfen nicht zu dauerhaften Krisengebieten für Medienschaffende werden. Wer unseren Berufsstand an der Arbeit hindern will, versündigt sich am gesellschaftlichen Miteinander. Gewalt ist kein Argument.

Verschwörungsmythen sind niemals neutral

Man kann, darf und muss darüber diskutieren, ob professionelle und unabhängige Medien ihrer gesellschaftlichen Aufgabe hinreichend nachkommen. Längst wird in zahlreichen Veröffentlichungen darüber reflektiert, ob etwa in der Berichterstattung über das Coronavirus alle relevanten Aspekte dargestellt werden. Und das ist auch gut so, denn das gehört zur Meinungsfreiheit in einer Demokratie.

Absurde Verschwörungsmythen werden aber nie objektiv und neutral in journalistischen Medien ihren Raum finden. Was nicht auf der Basis von Fakten vorgetragen wird, ist entweder nicht relevant oder muss auch entsprechend eingeordnet werden. Diese Herausforderung nehmen die professionellen Redaktionen in unserem Land gerne an. Dafür beschimpft, bedroht oder verprügelt zu werden ist inakzeptabel.

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