Nachruf auf Hardy KrügerDer gute Deutsche

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Hardy Krüger

Hardy Krüger

Palm Springs – Am Anfang stand eine Bauchlandung: Als Hardy Krüger, weil ihm die deutschen Unterhaltungsfilme der Nachkriegszeit zu platt waren, in Frankreich Arbeit suchte, rannte er gegen verschlossene Türen: „Blond und blaue Augen“, bedeutete ihm der Regisseur Yves Allégret, „davon haben wir hier genug gehabt – in grauer Uniform. Wir brauchen Sie nicht, hauen Sie ab.“

Klar, von Physiognomie und Statur entsprach Krüger mustergültig dem Klischee des SS-Offiziers – den man in Frankreich wenige Jahre nach dem Krieg auch dann nicht sehen wollte, wenn er nicht mehr als Besatzer kam, sondern sich auf der Leinwand ereignete.

Als Film-Nazi – und sogar als positive, als Identifikationsfigur – kam Krüger kurze Zeit später, 1957, dann doch erstmals international groß heraus. Nicht in Deutschland, nicht in Frankreich, sondern in England: In „Einer kam durch“ spielte er einen von den Briten abgeschossenen und internierten Fliegeroffizier, dem die Flucht aus der Kriegsgefangenschaft gelingt. Im selben Jahr war übrigens in der Heimat „Der Fuchs von Paris“ in die Kinos gekommen. Auch da spielt Krüger einen „guten“ Wehrmachtsoffizier im Umkreis der militärischen Widerstandszelle in der besetzten Metropole.

Der Plot war zweifellos geeignet, die traumatisierten Deutschen ein Stück weit mit ihrer desaströsen Vergangenheit zu versöhnen. Personell definierte Brücken zurück in diese Vergangenheit gab es in dem Film sowieso: Das Drehbuch stammt von dem vielbeschäftigten Routinier Herbert Reinecker, der 1943 das nämliche für den NS-Propagandafilm „Junge Adler“ geliefert hatte. Eine tragende Rolle darin versieht wiederum kein anderer als Hardy Krüger, dort noch unter seinem Geburtsnamen Eberhard Krüger.

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Deutsche Größe also über den Bruch des Jahres 1945 hinweg, lediglich zeitgemäß umcodiert? Wenn es so gewesen wäre, müsste man von einem beklagenswerten Fall von Verdrängung und Ideologisierung sprechen. Davon aber konnte, jedenfalls in Krügers Fall, keine Rede sein. Er hatte auch lebensgeschichtlich kaum Grund, etwas zu verschweigen: Als Sohn fanatischer Berliner Nazis auf der NS-Ordensburg Sonthofen systemtreu beschult, kam er als 16-jähriger zur SS-Division „Nibelungen“ – und entging in den letzten Kriegstagen nur knapp der Hinrichtung, weil er sich weigerte, auf einen amerikanischen Spähtrupp zu schießen. Zuvor hatte ihn – bei den Dreharbeiten zu „Junge Adler“ – der Schauspieler Hans Söhnker über die Verbrechen des Regimes aufgeklärt.

Sicher avancierte Krüger wie kaum ein anderer Zunftkollege aus dem besiegten Land zum Vorzeigedeutschen im Weltmaßstab. Aber nicht deshalb, weil er etwas vergessen machen wollte, sondern weil es ihm gelang, in Stil, Haltung und Auftreten genauso wie in seiner Rollenauffassung den Bruch mit dem Gewesenen glaubwürdig zu verkörpern.

Und sehr früh engagierte sich Krüger gegen Neonazismus und Antisemitismus. Sein Protest gegen die Hakenkreuzschmierereien an der Kölner Synagoge an Heiligabend 1959 trug ihm sogar einen Rüffel von Bundeskanzler Adenauer ein: Ob er wohl der Richtige sei, von der Warte seines britischen Wohnsitzes aus die deutschen Dinge zu beurteilen? Bis zuletzt engagierte sich Krüger gegen Rassismus, gründete kurz vor dem 85. Geburtstag eine einschlägige Initiative. Neben anderen Auszeichnungen erhielt er, für seine Lebensleistung, das Große Bundesverdienstkreuz.

Die Eroberung von Hollywood

In den 60er hatte Krüger Hollywood erobert, stand mit Kollegen wie James Stewart („Der Flug des Phoenix“, 1965), John Wayne („Hatari!“, 1962), Claudia Cardinale, Sean Connery („Das rote Zelt“, 1969), Yul Brynner, Charles Aznavour, Catherine Deneuve und Orson Welles vor der Kamera. Einige der Genannten wurde enge Freunde – wie Krüger überhaupt von vielen, die ihn kannten, als ein Genie herzlicher Freundschaft beschrieben wird. John Wayne trank er an der Hotelbar – und das wollte etwas heißen – unter den Tisch.

Vor allem in den 60er und 70er Jahren war er international gefragt, sah sich allerdings auch immer wieder auf bestimmte Rollendesigns fixiert: das des Soldaten und das des sympathischen Abenteurers. Das mochte ihn auf die Dauer langweilen: Bereits 1984 beendete er seine Spielfilmkarriere, wirkte freilich noch in TV-Produktionen mit (darunter, naheliegend, in der ARD-Serie „Weltenbummler“) und etablierte eine beachtliche Zweitkarriere als Schriftsteller – mit Erzählungen und autobiografisch imprägnierten Berichten. Recht eigentlich begonnen hatte die schon mit dem Buch „Eine Farm in Afrika“ (1970) – in den 60er und 70er Jahren hatte der Schauspieler in Tansania eine Lodge besessen und bewohnt.

Ohne militärische Zackigkeit

Sieht man sich Interviews mit Hardy Krüger im Internet an, so fällt sofort die gänzliche Abwesenheit von militärischer Zackigkeit auf. Die Antworten kommen zwar entschieden, zugleich aber abwägend und oft genug mit einer sympathischen Portion nachdenklichen Zögerns. Allemal phänomenal war die geistige Präsenz bis ins hohe Alter. Und bis zum Schluss war er ein passionierter Globetrotter.

Soeben ist Hardy Krüger 93-jährig gestorben – nicht in Deutschland, sondern in seiner Wahlheimat, dem kalifornischen Palm Springs. Wie seine Agentur unter Berufung auf die Ehefrau am Donnerstag mitteilte, kam der Tod „plötzlich und unerwartet“.

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