Ryan Gosling über seine Auszeit„Ich wollte Zeit für meine Kinder haben“

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Ryan Gosling bei der Premiere seines neuen Films „The Gray Man“.

„Hollywoods Hottest“ gaben sich in dieser heißen Woche in Berlin ein Stelldichein. Den Anfang auf dem Roten Teppich machten Ryan Gosling, Chris Evans und Ana de Armas für „The Gray Man“. In dem 200 Millionen-Actionthriller von Netflix spielt Gosling einen unkonventionellen Geheimagenten, der plötzlich von seinen eigenen Kollegen gejagt wird. Mit einer Stunde Verspätung, dafür aber im gold-ockerfarbenen Ensemble und viel gelöster als sonst kam der 41-Jährige zum Interview. Sonst ist Ryan Gosling dafür berühmt, kaum ein Wort rauszubringen - diesmal erzählte er sogar von seiner Partnerin Eva Mendes und seinen beiden Töchtern Esmeralda und Amada.

Ryan, seit Ihrem letzten Film „Aufbruch zum Mond“ sind vier Jahre vergangen. Warum haben Sie so eine lange Pause eingelegt?

Ich habe ja Kinder und wollte Zeit für sie haben. Aber irgendwann kam mir auch der Gedanke: „Moment mal, ich habe jetzt Kinder! Ich sollte mal wieder arbeiten! Ich muss ihnen doch Cornflakes fürs Frühstück kaufen können!“ (lacht) Außerdem wollte ich schon länger mal wieder einen richtig guten Actionfilm drehen - und als ich dieses Drehbuch auf meinem Tisch hatte, wusste ich sofort, dass ich den richtigen gefunden habe. Diese Rolle war genau das, was ich suchte. Außerdem wissen die beiden Regisseure Joe und Anthony Russo genau, was sie tun. Sie drehen jetzt schon seit einem Jahrzehnt so große Filme. Diese Mischung aus guter Rolle und tollen Könnern hinter der Kamera hat mich überzeugt, wieder ins Filmgeschäft einzusteigen.

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Wie suchen Sie sich Ihre Rollen für gewöhnlich aus?

Kennen Sie Marie Kondo? Sie hatte eine Sendung, in der es ums Aufräumen und Ordnung halten geht. Beim Ausmisten sagt sie immer: „Behalten Sie es nur, wenn es Freude in ihnen auslöst. Sonst schmeißen Sie’s raus.“ Das ist auch mein Motto: Wenn ich fühle, dass mein Herz aufgeht und ein Projekt Freude in mir auslöst, dann unterschreibe ich.

Hat sich durch Ihre Auszeit Ihr Blick aufs Filmgeschäft und Ihre Arbeit verändert?

Na ja, ich war zuhause. Also hatte ich viel mehr Zeit, um stundenlang Netflix zu schauen. (lacht) Es ist schon etwas Besonderes, mit guten Filmen und Serien so viele Menschen zu unterhalten. Die TV-Unterhaltung war jetzt ja viel wichtiger als sonst, denn durch die Kinder und die Pandemie konnten wir ja auch nicht so oft ins Kino. Ich habe gemerkt, wie schön es ist, wenn man zuhause ist und die weltbeste Unterhaltung direkt ins Wohnzimmer geliefert bekommt. Daher bekam ich Lust, diesen Film für Netflix zu machen, damit ihn möglichst viele Menschen sehen können. Der Film ist wie eine Achterbahnfahrt auf der eigenen Couch.

Es ist sicher gar nicht so leicht, eine Karrierepause einzulegen, wenn man von allen Branchen-Insidern gesagt bekommt, wie wichtig es ist, ständig etwas zu drehen, damit man in den Köpfen des Publikums bleibt.

Ach, darüber habe ich mir wirklich keine Gedanken gemacht. Ich wollte einfach Zeit mit meiner Familie verbringen. Die Kinder waren noch so klein, diese Zeit ist so wertvoll und so schnell vorbei… Ich wollte mir nichts von ihrer Entwicklung entgehen lassen. Mir ist natürlich total klar, wie privilegiert es ist, dass ich mir leisten kann, vier Jahre lang nicht zu arbeiten. Das war wunderbar, aber ich habe das Arbeiten dann auch wieder vermisst.

Willkommen zurück. Jetzt reisen Sie für die PR dieses Filmes wieder um die Welt. Was ist das für ein Gefühl, nach der Isolation durch die Pandemie?

Es war schon irre. Als alle anderen noch zuhause waren, riefen die Russo-Brüder mich an und fragten, ob ich Lust hätte, um die Welt zu reisen für eine Art Globetrotter-Action-Film. Ehrlich gesagt habe ich gar nicht daran glaubt, so zu drehen, wie die Regisseure es geplant hatten - wir hatten doppelt so viel Action-Sequenzen wie in anderen Filmen dieses Genres. Aber die Russos setzen sich ans Steuer, ich hab’ mich nur dran gehängt. Die Dreharbeiten waren spektakulär. Die vielen atemberaubenden Orte, ob Prag, Chantilly, Long Beach - und jetzt sitzen wir in Berlin zur Premiere. Unglaublich.

Hat Ihre Familie Sie zu dieser exzessiven Dreh-Reise begleitet?

Ja, natürlich. Ich bin immer noch in erster Linie Vater. Durch den Dreh haben meine Kinder viel von der Welt gesehen, das war mir wichtig. Da fällt mir etwas Lustiges ein: Es gibt eine riesige Actionszene, die in Prag spielt, da bin ich mit Handschellen an eine Bank gefesselt, während um mich rum lauter Explosionen passieren. Und plötzlich klingelt in diesem Moment ungeplant mein Handy, ich krieche hinter die Bank und gehe mit der freien Hand ran - und meine Frau Eva fragt mich, wie lange das noch weitergeht mit diesen Explosionen, weil unsere Töchter eine Stunde später Online-Unterricht hätten und sich konzentrieren müssten… (lacht) Wir wohnten in einem Hotel um die Ecke. - Das fasst unser verrücktes Leben ganz gut zusammen!

Haben Sie sich beim Dreh während der Pandemie wirklich sicher gefühlt?

Oh ja, absolut, Netflix hatte sehr strikte Sicherheitsvorkehrungen während der Dreharbeiten. Sie haben Corona wirklich ernst genommen. Natürlich hat das die Arbeit zusätzlich erschwert - aber diesen Film zu drehen war sowieso schon so unglaublich kompliziert und herausfordernd, dass die Corona-Schutzmaßnahmen gar nicht so sehr ins Gewicht fielen. Sie müssen sich das mal vorstellen: Dieser Actionfilm hat doppelt so viele Actionsequenzen wie andere große Blockbuster.

….und hat locker deine Rekordsumme gekostet, mit 200 Mio. Dollar Budget war es das teuerste Netflix-Projekt. Bisher war es Martin Scorseses „The Irishman“ mit knapp 150 Mio.

Ich war so froh, dass ich nicht die Verantwortung für das Projekt hatte. Die Regisseure hatten den vollen Durchblick und wussten genau, was sie tun - auch wenn jeder andere sie für ihren Plan schlicht für verrückt erklärt hätte.

Ihre Figur ist völlig angstfrei - wie spielt man das? Jeder hat nun mal Ängste. Was sind Ihre?

Ich habe Angst vor Fragen wie dieser! (lacht) Ich denke nicht gerne über meine Ängste nach. Aber ehrlich gesagt hat mich genau diese Furchtlosigkeit meiner Figur so fasziniert. Grundsätzlich mag ich Figuren, die einfach nicht aufgeben und sich immer wieder hoch rappeln. Ich finde es sehr inspirierend: Der Typ fällt ohne Fallschirm aus einem Flugzeug und verliert trotzdem nicht die Hoffnung sicher unten anzukommen. (lacht) Ich mag diesen „spirit“, diese Haltung.

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Die Stars des neuen Netflix-Thrillers „Gray Man“

Unsere Welt gibt natürlich derzeit viel Grund dazu, besorgt in die Zukunft zu schauen…

Das stimmt, aber ich habe - auch durch meinen Beruf - gelernt, dass es nicht so viel bringt, sich ständig einen Kopf zu machen. Man kann lernen ruhig zu bleiben und mit den Herausforderungen umzugehen, die das Leben so bringt. Ich gehe einen Tag nach dem Tag an anstatt mir über Dinge Sorgen zu machen, die vielleicht sowieso nie eintreten. Das heißt nicht, dass ich immer seelenruhig bin, aber zumindest gebe ich es vor. Und das macht alle um mich herum auch ruhiger.

Die Monate Pause mit Familie, Couch und Netflix haben bei uns deutliche Spuren hinterlassen. War es auch für Sie schwer, wieder richtig gut in Form zu kommen?

Ja, war es tatsächlich! Ich musste eine Menge Gewichte heben und meine Ernährung umstellen. Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass ich damit nicht alleine war: Ich hatte einen ganzen Generalstab von Trainern, die dafür sorgen, dass ich so fit wie möglich werde - und ohne diese Hilfe hätte ich es nicht geschafft. Auch die Actionszenen haben sie mit mir intensiv vorbereitet. Ein ehemaliges Mitglied der Delta Force hat mich trainiert, ein echter „Gray Man“ sozusagen. Er war auch jeden Tag mit am Set und gab mir Insider-Tipps für die Szenen. Einige seiner Tipps haben es sogar in den Film geschafft, ohne dass sie im Drehbuch standen, z.B., dass man immer Süßigkeiten dabei haben sollte, falls man einen schnellen Energie-Schub braucht. Er hat auch verraten, dass man sich nachts seinen Schnürsenkel an die Tür binden soll, damit man sofort aufwacht, wenn jemand zur Tür reinkommt. Auch das hat‘s in den Film geschafft. Ein Drehbuchautor kommt auf solche Ideen gar nicht, das weiß man nur aus jahrelanger Erfahrung.

Von Ihrem nächsten Film „Barbie“ kursieren schon Fotos mit Ihnen als knackig-blondem Ken. Haben Sie durch diese Figur auch etwas gelernt?

(lacht) Oh ja! Ich habe gemerkt, dass es sehr viele Kens auf der Welt gibt. Auch hier in Berlin habe ich schon so einige gesehen.

Woran erkennt man einen Ken?

Man weiß es, sobald man sie sieht. (lacht) Ich habe auch meinen inneren Ken entdeckt, und jetzt sehe ich sie überall. Aber um zu verstehen, was ich sage, müssen Sie erst mal den Barbie-Film sehen, wenn er endlich fertig ist.

Ihr Kollege Chris Evans, der hier den Bösewicht gibt, wirft Ihnen im Film an den Kopf: „Du siehst aus wie Ken“. War das schon eine bewusste Anspielung an den „Barbie“-Hype - oder nur Zufall?

Der Spruch stand so nicht im Drehbuch, den hat Chris Evans so spontan rausgehauen. Aber offensichtlich hat er meine… Kenergie gespürt! (lacht)

Haben Sie als Junge mehr mit Actionfiguren oder mit Barbies gespielt?

Ich war schon eher der mit den Actionfiguren. Ich habe das Action-Genre grundsätzlich sehr geliebt. Die Helden, die mich am meisten beeindruckt haben, waren die, die auch Humor hatten. Als ich das Drehbuch für „The Gray Man“ las, wusste ich, dass diese Rolle auch das Potential dafür hat.

Jetzt gibt es deutlich mehr weibliche Actionstars. Hier rettet Ihnen Ana de Armas den A...

Das ist auch gut so. Unser Film hat ebenfalls ein paar beeindruckend starke Frauen zu bieten. Ohne Anas Figur hätte meine Rolle nicht überlebt und könnte dann auch nicht in der Fortsetzung mitspielen. (lacht) Die beiden hatten eine tolle Dynamik miteinander. Sie haben sich gerade erst kennengelernt, aber da sie sich gegenseitig brauchten, mussten sie schnell lernen, sich aufeinander zu verlassen.

Würden Sie sagen, dass Frauen grundsätzlich stärker sind als Männer?

So allgemein kann man das nicht sagen. Das kommt immer auf die Person an - und wie man Stärke definiert.

Sie haben auch gerade in Berlin gedreht…

…ja, einen Part von „The Fall Guy“, über einen Stuntman. Action ist gerade voll mein Ding.

Haben Sie Berlin etwas besser kennen lernen können?

Ja, ich war viel auf den Straßen von Berlin unterwegs.

Werden Sie nicht ständig erkannt und angesprochen?

Schon. Aber das sind schöne Momente, das stört mich nicht.

Einen Tag nach Ihnen kommt dann Brad Pitt nach Berlin. Treffen Sie sich auf ein Bier?

Ich wusste gar nicht, dass er in der Stadt ist! Leider reisen wir heute Abend schon wieder ab.

In Ihren Dreißigern haben Sie noch ganz andere Rollen gespielt, Kunst- und Autorenfilme. Was ist heute anders?

Ich glaube, ich bin jetzt mehr mit dem Teil in mir verbunden, der als Kind Filme geliebt hat. Ich muss niemandem etwas beweisen, ich mache einfach nur noch das, was ich liebe - und Actionfilme habe ich als Kind nun mal geliebt. Vor zehn Jahren wollte ich noch viel Neues entdecken, verschiedene Genres und Macharten ausprobieren und viel über das Filmgeschäft lernen. Dementsprechend habe ich auch meine Projekte ausgesucht. Jetzt sind mir andere Dinge wichtig. Ich bin auf der Suche nach dem Gefühl, das ich als Kind hatte, als ich mich in Filme verliebt habe und davon geträumt habe, Schauspieler zu werden.

Es gab schon mal einen Punkt in Ihrer Karriere, 2013, als Sie überlegten auszusteigen, weil Filme, so verlautbarten Sie, nicht mehr so wichtig für Sie waren…

So weit würde ich nicht gehen das zu sagen. Aber wie in jedem Job erlebt man Höhen und Tiefen. Man hat nicht nur gute Tage. Meine Liebe zu Filmen habe ich aber nie verloren. Ich bin sehr glücklich als Schauspieler - und ich kann mir meine Filmprojekte aussuchen, was die Sache nur noch schöner macht.

Wie alt waren Sie, als Ihre Passion für Filme sich bei Ihnen erstmals bemerkbar machte?

Gefühlt waren Filme immer schon Teil meines Lebens. In der Videothek um die Ecke gab es im Sommer ein Angebot: vier Filme für vier Dollar. Ich hatte Phasen, da habe ich mir jeden Tag vier Filme ausgeliehen und angesehen.

Hatten Sie nicht auch mal ein Rambo-Messer in der Schule dabei?

Diese Geschichte ist eine Legende, ich weiß auch nicht, woher die kommt.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kinobesuch?

Klar, da sah ich den Actionfilm „Bloodsport“ im Kino. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich damals war, aber in jedem Fall viel zu jung für den Film! (lacht) Der hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Möchten Sie demnächst auch wieder selbst Regie führen?

Irgendwann sicher, aber momentan nicht. Das ist zu viel Arbeit.(lacht) Das überlasse ich Profis.

Verstehen Ihre Kinder schon, was ihr Vater beruflich macht?

Ich bin mir nicht sicher - sie sehen die Welt noch mit anderen Augen. Als wir in Paris waren, habe ich ihnen die Stadt gezeigt, wir waren im Louvre, sahen alle Monumentalbauten. Als ich sie fragte, was ihnen am besten an Paris gefallen hat, waren sie sich einig: die große Obstplatte im Hotel (lacht) Die Kids sind durchaus beeindruckt, aber nicht von den Dingen, die man erwarten würde.

Es gibt auch nicht so viele Filme, die Sie Ihren Töchtern schon zeigen könnten.

Stimmt. Das spielte auch ein wenig mit rein, warum ich den „Barbie“-Film gedreht habe. Aber aus ihrer Perspektive interessiert sie nur Barbie. „Warum willst Du Ken sein?“ fragten sie mich schon mal. „Mit Ken will doch niemand spielen!“ 

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