Leserbriefe zum Umgang mit RusslandEinfache Lösungen gibt es nicht

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Im Osten Deutschlands fanden am vergangenen Wochenende Demonstrationen gegen die Politik der Bundesregierung in der Ukraine-Krise statt, wie hier in Leipzig.  

Nötig ist eine ehrliche Debatte – Deutschland muss über den Umgang mit Russland ohne Denkverbote diskutieren – Leitartikel von Steven Geyer (23.9.)

Wie sinnvoll sind die Sanktionen gegen Russland?

Danke für diesen Beitrag. Wenn man Bedenken gegen die Sanktionen äußert, wird man mitunter recht schnell als Putin-Fan abgetan und somit wird jede Diskussion unmöglich gemacht. Ich verstehe nicht, inwieweit es den Menschen in der Ukraine helfen soll, wenn hier die Lichter ausgehen? Wie können wir Flüchtlinge unterstützen, wenn schlimmstenfalls eine riesige Insolvenzwelle durch Deutschland geht? Wie sieht es mit Sanktionen gegenüber anderen Ländern aus, mit denen wir gute wirtschaftliche Beziehungen pflegen, die aber Menschenrechte mit Füßen treten? Im Sinne der Gleichbehandlung müssten wir eigentlich überall die gleichen Konsequenzen ziehen. Das geht aber nicht, denn dann wären wir wirtschaftlich schnellstens am Ende. Sonja Büker Köln

Deutsche Ukraine-Hilfe: Symbolpolitik oder ehrliche Unterstützung?

Nicht nur eine ehrliche Debatte über den Sinn der Sanktionen ist nötig. Die Maßnahmen müssen ohnehin immer neu überprüft und justiert werden, weil sich die Lage ständig ändert. Das gilt auch für die Waffen-Debatte. Ich frage mich schon lange, was das Geziere um „schwere Waffen“ sollte. Es ist doch nicht schwierig: Entweder man unterstützt wirksam oder man betreibt nur Symbolpolitik.

Putin hat inzwischen dermaßen viel Schaden angerichtet, und das weltweit, dass es nur zwei gute Optionen gibt: Erstens, jetzt volle Unterstützung der Ukraine mit der nötigen militärischen Ausrüstung, und dazu zweitens Putins Propaganda entgegentreten und klarstellen, dass Putins Überfall nur Hitler-Vergleiche nahelegt. Im Übrigen scheinen ein Großteil der SPD und viele Friedensbewegte noch mit sich selbst zu kämpfen und zu glauben, in der aktuellen Lage habe das Weltbild der 1980er Jahre noch Gültigkeit. Wolfgang Reinert Köln

Russland gefährdet Demokratie, Frieden, Selbstbestimmung und Freiheit

Ich schlage die Zeitung auf und wende mich interessiert dem Leitartikel zu in der Vermutung, dass er sich auf die Weigerung des russischen Außenministers bezieht, der sich nach seinem mysteriösen Vortrag im UN-Sicherheitsrat einer „ehrlichen Debatte“ mit der Weltgemeinschaft entzog und den Raum verließ. Und außerdem auf die Weigerung Putins, sich über seine Mobilmachung in einer „ehrlichen Debatte“ mit demonstrierenden Landsleuten auseinander zu setzen, statt Andersdenkende brutal ins Gefängnis werfen zu lassen. Putin, der immer wieder die ausgestreckte Hand führender europäischer Politiker zu „ehrlichen Debatten“ von sich wies.

Das alles hat der Autor nicht gemeint, sondern vertritt zaghaft die weit verbreitete Meinung der deutschen Minderheit, die nicht wahrhaben will, dass es sich letztlich nicht nur um die Ukraine handelt, sondern um einen Krieg der Autokratie gegen die westliche Demokratie, die für Frieden, Selbstbestimmung und Freiheit kämpft. Auch für uns. Wenn die Ukrainer für uns bluten, müssen wir sie wenigstens wirtschaftlich und ideell unterstützen, auch wenn es uns persönlich etwas kostet.

Wir dürfen die Weltordnung nicht einem verträumten Abenteurer überlassen. Und darum sind ja auch zurzeit die meisten deutschen Parteien bemüht, in „ehrlicher Debatte“ aus dem komplizierten Zeitgeschehen einen für alle gangbaren Ausweg zu finden, und das möglichst nicht blauäugig. Ohne unsere Mitarbeit und persönliche Einschränkungen geht das nicht. Karl Heinz König Bergisch Gladbach 

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Frieden durch Diplomatie, nicht durch Waffen

Mit großer Freude und Erleichterung habe ich den Leitartikel von Steven Geyer gelesen. Feststellungen wie die, „dass simple Gut-Böse-Schubladen nicht ausreichen“, „Ehrlichkeit gefragt ist“ oder „das Bessere der Feind der Notlösung ist“, signalisieren, dass auch in der Politik-Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Erkenntnis Raum greift, dass Krieg niemals durch „noch mehr Waffen“ beendet oder durch sie dauerhafter Frieden geschaffen wird und dass die deutschen Bürger und Bürgerinnen dies spätestens seit den zwei katastrophalen Weltkriegen im 20. Jahrhundert ganz genau und sicher wissen.

Egal ob Anton Hofreiter, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und andere mehr dies noch so oft und laut vertreten und fordern, letztlich entscheidend sind für Frieden, wie ihn etwa Willy Brandt durch seine Ostpolitik geschaffen hat, immer politische Verhandlungen auf der Basis von Empathie sowie verantwortungsvolle Lösungsvorschläge und Kompromisse. Im Verhältnis zwischen Staaten nennt man dieses Vorgehen dann bekanntlich „Diplomatie“. Und innenpolitisch – auch hier bin ich für Steven Geyers Initiative sehr dankbar – heißt dieses Verhalten einer Regierung und Opposition gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern schlicht und ergreifend: „Verantwortung“ beziehungsweise „Verantwortungsbewusstsein“. Joachim Schwister Kerpen

Ukraine-Hilfe als Pflicht, die auch uns Opfer abverlangt

Einigermaßen fassungslos verfolge ich die derzeitige Lage. Wir haben munter über unsere (Klima-) Verhältnisse gelebt und auf einmal, siehe da, sind die fossilen Energien, die wir doch immer zurückschrauben wollten, sehr plötzlich sehr knapp geworden. So knapp, dass jetzt noch viel größere Einschränkungen drohen, als wir es jemals erlebt haben. Aber hätten wir uns, um dem zu entgehen, vielleicht nicht in Russlands Krieg gegen die Ukraine einmischen sollen?

Was wäre aber aus uns im Zweiten Weltkrieg geworden, wenn sich die Alliierten nicht eingeschaltet hätten? Es ist ganz einfach unsere Pflicht, diesmal zu den Alliierten zu zählen, auch wenn dies jedem von uns Opfer abverlangt. Aber wir haben ja aus der Corona-Pandemie gelernt: Der Staat wird es schon richten. Die (Energie-) Preise steigen und dafür muss uns der Staat entlasten. Jeder, wirklich jeder hält nun die Hand auf.

Am wenigsten hören wir tatsächlich von denjenigen, die den meisten Grund dafür haben, weil es schlicht um ihre Existenz geht. Sie haben kaum eine Lobby. Wir aber eröffnen neue Restaurants an allen Ecken, denn wenn es schiefgeht, wird der Staat uns helfen, wie zu Corona-Zeiten. Wir alle müssen jetzt umdenken, freiwillig jeder für sich neue Strategien und Ziele entwickeln und uns klarmachen, dass es keinen Weg zurück zu Vor-Corona-Zuständen mehr geben kann und geben darf. Tine Ortiz Köln

Keine Anbiederung an Russland

Die Inflation ist nicht nur vom leidvollen russischen Ukraine-Krieg verursacht, sondern auch von Corona und den dadurch weltweit unterbrochenen Lieferketten mit Warenmangel. Da die vielfältigen Kosten- und Preissteigerungen uns wohl länger erhalten bleiben, helfen keine billigen Rufe nach Putin-Anbiederei oder nach dem Staat mit Neidphrasen über Besserverdiener, die ja unseren einmaligen Sozialwohlstand heute schon über ihre hohen Steuern hauptsächlich finanzieren.

Wo ist ein mutiger und ehrlicher Mahner wie Churchill, der uns sagt, dass uns leider „Blut und Tränen“ erwarten und wir uns nicht nur auf den Staat verlassen, sondern uns mehr anstrengen und den Gürtel enger schnallen müssen? Dazu gehört eventuell auch, auf Urlaubsflüge, neue Handys, Klamotten und Partys sowie Migration ohne Gegenleistung zu verzichten. Die Chinesen machen es uns erfolgreich vor. Und wir haben es nach Kriegsende schon mal so geschafft! Dr. Joachim Schimmelpfennig Frechen

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Der Stopp russischer Gaslieferungen hat zur Folge, dass die Gaspreise in Deutschland explodieren.   

Eine ehrliche Debatte über Russland in der Vergangenheit wäre hilfreich gewesen

Nötig ist eine ehrliche Debatte. Gibt es denn so etwas heute noch? Eigentlich hat jeder gewusst, was Putin vorhatte, nur keiner wusste, ob er es tatsächlich tut. Dem Wunsch der Ukraine, Nato-Mitglied zu werden, hätte man sofort widersprechen müssen, anstatt sich öffentlich darüber zu freuen. Heute erlebt ganz Europa eine Kriegswirtschaft, denn die Gelder für Waffen und militärische Unterstützungs-Programme fließen reichlich. Der Dollar hat wieder einen Wert und wir kaufen jetzt gerne Fracking-Gas aus den USA. Das alles hätten wir Europäer uns sparen können, wenn die Politiker Europas sich schon früher eine ehrliche Debatte gegönnt hätten. Selbst das Schweigen des Ex-Bundeskanzlers Schröder war nicht hilfreich. Karl Sonntag Pulheim

Ukraine als Puffer zwischen Russland und der EU

Denjenigen, die eine Unterstützung des ukrainischen Volkes durch Lieferung von schweren Waffen ablehnen, möchte ich zwei Argumente zur Überprüfung ihrer Haltung liefern. Erstens: Ein Krieg zwischen zwei Nationen wird erst dann enden, wenn eine der beiden Parteien aufgibt. Das kann das Erreichen von strategischen Zielen oder die Unterwerfung unter die stärkere Partei sein. In jedem Fall haben wir in dieser Frage bei dem derzeitigen Krieg zwischen Russland und der Ukraine keinerlei Entscheidungskompetenz und sollten uns daher mit Ratschlägen zurückhalten.

Zweitens: Die Ukraine liegt als Puffer zwischen Russland und vielen EU-Staaten. Wir sollten ein hohes Interesse haben, dass die staatliche Integrität der Ukraine erhalten bleibt, um uns vor den imperialen Dominanzgelüsten der russischen Führung zu schützen. Wenn die Ukraine untergeht, werden die russischen Eroberungswünsche nicht aufhören. Wollen Sie oder Ihre Kinder dann unsere Freiheit mit der Waffe schützen? Oder ziehen Sie den Status eines durch Russland unterjochten Landes vor?

Wir sollten auch aufhören, öffentlich über die Art und Anzahl von verlangten oder gelieferten Waffen zu berichten. Wenn der Aggressor abschätzen kann, welcher Widerstand ihm in welcher Stärke und an welchem Ort gegenübersteht, ist er im Vorteil. Wir dürfen den russischen Truppen nicht verraten, über welche Kräfte die ukrainische Landesverteidigung verfügt! Klaus Schriever Niederkassel 

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