Leserbriefe zur Karl-May-Debatte„Das war und ist eine Fantasiewelt“

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Szene aus dem aktuellen Kinderfilm „Der junge Häuptling Winnetou“, der die stereotype, rassistische Darstellung Indigener aus Filmen der 1960er Jahre kritiklos reproduziert. 

Das ge­hört nicht ins Kino – Kommentar von Christian Bos über den neuen „Winnetou“-Film (23.8.)

Unsinnige Diskussion

Aktuell ist die unsinnige Diskussion über Karl-May-Bücher in aller Munde, denn der Ravensburger Verlag zieht Winnetou-Kinderbücher zurück. Natürlich müssen wir uns kritisch mit unserer Vergangenheit befassen und drüber sprechen, aber Denkmäler abbauen und Bücher vernichten ist sicherlich der falsche Weg. Lassen wir die Kirche im Dorf! Wolfgang Bredenbrock Windeck 

Auseinandersetzen statt unter den Teppich kehren

Im Artikel „Mehrheit der Deutschen will Winnetou“ vom 25. August erklärt der Direktor des Karl-May-Museums in Radebeul die Haltung des Autors der Winnetou-Kinderbücher. Warum nimmt man solche hilfreichen Erklärungen nicht in die Bücher auf, statt sie vom Markt zu nehmen? Somit hätte der Leser oder die Leserin einen guten Einblick in die Zeit, in der das Werk geschrieben wurde und in die Haltung des Autors. Der Generalverdacht des Rassismus würde somit gemindert.

Bücher von solchem historischen Wert kann man doch nicht einfach vom Markt nehmen. Ähnlich könnte man auch erklären warum der König in „Pipi Langstrumpf“ Negerkönig hieß. Sich kritisch mit den Dingen auseinandersetzen zu lernen ist doch besser, als sie unter den Teppich zu kehren. Sprache, Denken und Haltung unterliegen immer Veränderungen und das ist doch vor allem lehrreich. Heike Busse Burscheid 

Karl Mays differenzierte Sicht auf Indigene und koloniale Strukturen

Die Artikel von Christian Bos finde ich häufig sehr umsichtig, differenziert und informativ. Umso mehr enttäuscht mich sein Kommentar „Das gehört nicht ins Kino“, denn er reiht nur ein von der Wokeness vorgegebenes Klischee an das andere. Dass es einen Verlag „ehrt“, wenn er sich einem, freundlich ausgedrückt, schlichten emotionalen Shitstorm unterwirft und Publikationen vom Markt nimmt, ist für den Kommentator einer liberalen Zeitung ein erstaunliches Urteil.

Dass „biodeutsche“ Darsteller keinesfalls Angehörige eines bestimmten fremden Volkes spielen und sich nicht der in der Branche selbstverständlichen Hilfsmittel wie Schminke bedienen dürfen, erscheint mir als eine subtile Form von Rassismus, da Schauspieler doch sonst ständig Figuren verkörpern, mit denen sie keinerlei persönliche Erfahrung verbindet. Auch weiß Bos offenbar nicht, dass etliche Organisationen der Indigenen Nordamerikas sich selbst mit dem Begriff Indianer bezeichnen, so dass er das Wort nur in Anführungszeichen wiederzugeben wagt.

Was schließlich die Beurteilung der „Märchenwelt“ Karl Mays betrifft, so seien ein paar Sätze zitiert, die sich in der Einleitung des meistverkauften Romans dieses Autors finden, „Winnetou I“: „Wenn es richtig ist, daß alles, was lebt, zum Leben berechtigt ist …, so besitzt der Rote das Recht zu existieren, nicht weniger als der Weiße und darf wohl Anspruch erheben auf die Befugnis, sich in sozialer, in staatlicher Beziehung nach seiner Individualität zu entwickeln. … Er (der Weiße, H.S.) gab Haß und Blut. Der Rote mußte weichen, Schritt um Schritt, immer weiter zurück. … Welche eigenartigen Kulturformen werden der Menschheit durch den Untergang dieser Nation verloren gehen?“

Als jemand, der sich intensiv mit den zweifellos vorhandenen ideologischen Schattenseiten in Mays Romanen befasst hat, wäre ich gespannt auf eine Erklärung von Herrn Bos, wie sich solche – von May dutzendfach wiederholten – Aussagen als „idyllische Überschreibung eines Genozids“ und „niedlicher Rassismus“ deuten lassen. Prof. Dr. Helmut Schmiedt Köln

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Interesse für das Schicksal der „first nation people“ durch „Winnetou“ geweckt

Nach den Märchen nun also Winnetou! Ich entstamme einer Zeit, in der wir Kinder nicht vor dem PC, der Switch oder der Playstation Stunden verbrachten, sondern meist draußen herumliefen, Fußball oder im Wald spielten und Märchen zur Kinderliteratur gehörten. Geld für Ballett, Tennis oder Klavierunterricht war rar, unsere Goldgrube war unsere Fantasie. Ich erinnere mich mit Freude an die Zeit unserer Winnetou-Spiele, in der wir die bösen Kiowas, den ruchlosen Sander oder in Arabien den Schut jagten, immer im Kampf Gut gegen Böse, mit einem stets klaren Sieger.

Das Basteln einer Silberbüchse, eines Tomahawks, den Namen Hadschi Halef Omars in voller Länge sprechen zu können – all das war für uns Kinder, Jungen wie Mädchen – denn wer wollte nicht die Nscho-tschi spielen? – das Größte. Gut 20 Jahre später nahm ich an einem Schnitzworkshop eines kanadischen Indianers oder first nation people, wie ich wohl sagen muss, teil und war so fasziniert, dass ich mich in den folgenden Jahren wieder mit der Kultur dieser Volksgruppe beschäftigte, diesmal mit dem Blick eines Erwachsenen.

Dutzende Schnitz-Objekte sind seitdem in meiner Werkstatt entstanden, zwei Kanadareisen zu den first nations, eine intensive Beschäftigung mit den Verbrechen der Missionare und der weißen Regierung an diesen Menschen bis hin zur Entschuldigungsreise des Papstes – das alles verfolge ich heute noch mit größtem Interesse. Der Ursprung für dieses Interesse liegt aber genau dort, wo man nun schlimmste Übergriffe oder sprachliche Entgleisungen an der indianischen Bevölkerung Amerikas diagnostiziert. Ich kann nur den Kopf schütteln angesichts so eines Unsinns!  Wilfried Vonderbank Neunkirchen-Seelscheid

„Das war und ist eine Fantasiewelt“

Der Kulturbetrieb entdeckt zurzeit wieder ein Thema, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch einen harschen Kommentar abnötigt, der überflüssiger nicht sein kann. Ich habe als Kind mit Begeisterung Karl May gelesen, Indianer-Kostüme getragen und von Indianern gesprochen. Das war und ist eine Fantasiewelt, die mit der Realität für mich als Kind und auch heute nach vielen Jahren nichts zu tun hatte und hat.

Es dürfte wahrlich nicht viele Menschen in Deutschland geben, die sich ernsthaft mit dem Schicksal der Ureinwohner Nordamerikas auseinandersetzen. Aber was ist das für eine Meinungsfreiheit, wo Karl May an den Pranger gestellt wird, ein Verlag aus Angst vor Reputationsverlust und sicherlich nicht aus Überzeugung Bücher aus dem Verkehr zieht, aber es nicht ausreicht, sich selbst als Freund von Putin zu bezeichnen, um aus einer Partei zu fliegen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur ein Kritiker diese Bücher als Kind gelesen hat. Dann wüsste er noch, wie wunderbar die Fantasiewelt war, wo Winnetou und Old Shatterhand noch gut und die Bösen noch böse waren und zum Schluss die Guten gewannen. Das war und ist eine Fantasiewelt, und dabei sollte man es belassen. Ludger Tubes Köln 

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Der Ravensburger Verlag hat nach Protesten in den sozialen Netzwerken zwei Begleitbücher zum Kinderfilm „Der junge Häuptling Winnetou“ zurückgezogen. 

Dialog statt Tabuisierung und Verboten

Angesichts des Kommentars „Das gehört nicht ins Kino“ von Christian Bos über den neuen Winnetou-Film kann ich nicht an mich halten. Was ist das für ein populistisch-ideologisierter Unsinn? Wo bleibt die intellektuelle Redlichkeit und der Anspruch, einen gesellschaftlichen Diskurs zu ermutigen, der nicht über Verbote und Tabuisierungen läuft, sondern über eine Erkenntnis als Ergebnis von Dialog, von Dialektik? Arnd D. Kumerloeve Köln

„Büchersturm“ ist keine Lösung

Winnetou, wie entsetzlich! Wer bestimmt hier, was wer lesen soll? Winnetou als Romanfigur stand immer für Ausgleich und Verständigung, somit als Beispiel, wie es hätte sein sollen. Natürlich war die Realität eine andere. Aber hat nicht auch das, was uns die Priester erzählen, wenig mit der Realität zu tun? Haben Kirchen nicht jahrhundertelang gefoltert, gemordet, unterdrückt, missbraucht und Frauen als Hexen verbrannt, von den vernichteten Kulturen in Südamerika ganz zu schweigen? Verbrennen wir also künftig die Bibeln?

Denn wenn schon Büchersturm, dann alle! Und was ist mit den Glorifizierung von Adeligen in der Regenbogenpresse? Hat diese Kaste nicht mit Erbfolgekriegen und Raubzügen Europa bis hin zum ersten Weltkrieg verwüstet? All diesen Selbstgerechten von heute sei gesagt, man soll nicht in vergangenen Kloaken herumwühlen, sondern dafür sorgen, dass es in Zukunft besser wird. Aber genau das Gegenteil geschieht. Bruno Melchert Köln

Märchenwelt ohne Realitätsbezug

Niemand hält derartige Märchen für die Realität, auch Kinder nicht, da sie nicht Teil der Lebenswirklichkeit sind. Dabei spielt das Alter des jeweiligen Werkes keine Rolle. Um hinter Winnetou Rassismus zu wittern, braucht es schon eine recht verquere Sicht der Dinge, die eher von eigener Befindlichkeit als intellektueller Durchdringung geprägt ist. Oder sollten Tierschützer gegen die Behandlung und Verunglimpfung des Wolfes in „Rotkäppchen“ zu Felde ziehen? Wolfgang Gross Rösrath

Politische Korrektheit als Maßstab für ein Kinderbuch?

Während beim Winnetou-Kinderbuch politische Korrektheit eingefordert wird, beginnt in Köln die „Gamescom“, bei der die neuesten Ballerspiele für Kinder und Jugendliche niedere Tötungsinstinkte hervorrufen und fördern, während im Osten Europas genau das bitterer Ernst ist. Wo sind da diejenigen, die aufschreien? Keine da, geht ja um viel Geld und eine ganze Branche, die von Tötungsspielen lebt. Da arbeitet man sich lieber an einem harmlosen Buch ab.  Gerhard Standop Köln

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