Leserbriefe zur „Trauzeugen-Affäre“Dämpfer für grüne Besserwisser

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (r) und Staatssekretär Patrick Graichen sitzen nebeneinander an einem Tisch, vor Ihnen Schilder mit ihren Namen und ihrer Position. Beide schauen ernst, Graichen geradeaus, Habeck nach links. Hinter ihnen an der Wand hängt ein Gemälde mit vorwiegend dunklen Farben.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (r) und Staatssekretär Patrick Graichen müssen Fragen beantworten.

Kritik an ihrer Personalpolitik und ihrem Kommunikationsstil trifft die Grünen zu Recht, stellt die Energiewende allerdings nicht infrage. 

Die „Trauzeugen-Affäre“ ist Beleg für grüne Politik aus einer Haltung der Überheblichkeit – Leitartikel von Carsten Fiedler (8.5.)

Graichen-Affäre: Dämpfer für den „moralischen Zeigefinger“ der Grünen 

Mit Genugtuung habe ich den Leitartikel gelesen. Endlich wird einmal öffentlich ausgesprochen, was die Partei der Grünen zurzeit ausmacht. Diese Partei erhebt sich moralisch über alle auch nur im Ansatz anders denkenden Bürger in unserem Staat. Die Grünen halten sich für die Guten. Jegliche Kritik ist daher in ihren Augen unmoralisch, sodass sich jeder Kritiker selbst disqualifiziert. Eine offene Diskussion kann nicht mehr stattfinden. Das ist an Überheblichkeit nicht mehr zu überbieten. Ich muss bekennen, der Artikel hat mir aus der Seele gesprochen. Die Formulierungen treffen die derzeitige Lage sehr genau. Gisbert Kamphoff Köln

Grüne Vetternwirtschaft: Opposition sollte sich an eigene Affären erinnern

Die gesamte CDU leidet wie immer an Störungen im Langzeitgedächtnis. Wenn Robert Habeck und Patrick Graichen Mitglieder der CDU wären, würde nicht so ein Bohei um diese Affäre gemacht. Natürlich sind hier Fehler gemacht worden und Habeck hätte ein besseres Händchen bei seinem Personal haben können. Aber sich deshalb von einem fähigen Mitarbeiter trennen?

Man denke doch einmal an die vielen Skandale innerhalb der CDU. Ich nenne nur einige: - Vetternwirtschaft in Bayern bis 2013, bei der 79 Abgeordnete des Landtags betroffen waren, die Ehepartner und nahe Verwandte beschäftigt hatten, - Parteispenden-Affäre Helmut Kohl, - Maut-Affäre Andreas Scheuer, - Lobbyismus-Affäre Philipp Amthor, - Maskenaffäre Jens Spahn. 

Von all diesen Affären spricht kein Mensch mehr, darüber wurde berichtet und dann hörte man nie wieder davon. Es wurde alles unter den Teppich gekehrt. Vor allem Herr Spahn sollte sich bedeckt halten; er hat den Steuerzahler Milliarden Euro gekostet, darf aber heute in Talkshows eine dicke Lippe riskieren. Es wird mit zweierlei Maß gemessen – aber irgendwo in der BRD ist ja immer Wahlkampf.  Regina Schumann Köln

Besetzungsaffäre: Der moralische Kompass der Grünen hat versagt

Wenn die Vernunft allein der Ideologie geopfert und letztere als uneingeschränktes Ziel definiert wird, dann sind die Irrwege schon vorbestimmt. Der moralische Kompass insbesondere der grünen Führungsspitze scheint sich zwangsläufig in dem Bewusstsein zu verlieren, dass alles letztlich richtig sein muss, das der Zielerfüllung, also der Rettung der Welt, dient. Argumentation weicht arroganten Statements oder – wie derzeit in allen Interviews zu beobachten – einem „abkanzelnden“ Wording nach dem Motto: „Der Fehler wird geheilt“ und dem unausgesprochenen Subtext: Und damit Basta! Winfried Fischer Köln

Umweltpolitik der Grünen unbequem, aber notwendig

Die verbissenen und wütenden Reaktionen auf fast alles, was derzeit „grün“ daherkommt, haben eindeutig etwas Pubertäres. Immer wenn die Grünen jene Aufgaben angehen, für die sie gewählt wurden, müssen sie – wie damals die Eltern – alles infrage stellen, was Spaß macht: saftige Steaks und deftige Witze, billiges Heizen – im Haus und auf der Autobahn –, preiswerte Wochenendflüge, nichts ist mehr erlaubt! Die verstandesmäßige Erkenntnis, dass sie, genau wie damals die Eltern, vermutlich Recht haben, macht die Wut nur noch größer.

Dabei wird das Wahlvolk nach den nächsten Umweltkatastrophen diese Politik nicht mehr loswerden, egal wen sie wählen. Hätten die Grünen vor dem letzten „Jahrhunderthochwasser“ einen dreistelligen Millionenbetrag für Umwelt- und Hochwasserschutz an der Ahr gefordert, hätten alle aufgeschrien, danach mussten sie ein Vielfaches davon zahlen, was für die gesamte Umweltpolitik gilt. Prof. Jürgen Terhag Leichlingen

Grüne „Besserwissen“-Attitüde nervt

Carsten Fiedlers Analyse ist brillant, seine Einschätzung und Meinung spricht nicht nur mir aus dem Herzen! Die Stimmung vieler Menschen aus meiner Umgebung ist gereizt ob der ständigen Versuche, zu bevormunden und in Jahrzehnten gewachsene Strukturen und Gewohnheiten im Hauruck-Verfahren brachial zu verändern, ohne die Menschen einzubeziehen und mitzunehmen. Die Attitüde des „Wir wissen es besser als Ihr“ von Grünen, der sogenannten „Letzten Generation“ und einigen Verbänden – nicht nur im Umweltbereich – nervt und ist somit für die oft gerechtfertigten Anliegen kontraproduktiv. Vielen Dank für den Leitartikel.  Peter Gymnich Köln

Trauzeugen-Affäre: Heizungsdebatte wichtiger als Personalklüngel

Der nachdrücklich geäußerte Hinweis von Robert Habeck, in den aktuellen Diskussionen streng zwischen den Themenkomplexen „Vetternwirtschaft“ und „Heizungsstrategie“ zu differenzieren, ist nicht nur berechtigt, sondern absolut sinnvoll. Bei der Besetzungsaffäre um den Dena-Chefposten handelt es sich um die grobe Verfehlung eines einzelnen Staatssekretärs. Diese kann man nicht „korrigieren“, wie es Minister Habeck verkündet. Man kann sie allenfalls „reparieren“, wie es mit der Neuausschreibung offensichtlich geschieht. 

Bei der „Heizungsdebatte“ hingegen geht es um eine kollektive Fehleinschätzung der gesamten Spitze des Wirtschafts- und des Bauministeriums über die politische und gesellschaftliche Wirkung des Gesetzentwurfs. Und so, wie sich die Entwicklung dieser Debatte derzeit darstellt, geht es da jetzt nicht um „Reparatur“ oder „Korrektur“, sondern um ein „Zurückrudern“.

Alle diskutierten Änderungsvorschläge, von Verschiebung des Inkrafttretens über markanten Ausbau von Förderungen bis zu deutlich erweiterten Ausnahmemöglichkeiten für fossile Heizsysteme, müssen in den Augen der politisch verantwortlichen Mütter und Väter dieses Gesetzentwurfs als Rückschritt eingestuft werden. Insofern steht für die Ampel bei der Heizungsfrage weit mehr auf dem Spiel als beim Thema Personalklüngel.  Dr. Bernd Süllow Pulheim

Trauzeugen-Affäre: „Enttäuscht von Robert Habeck“

„Moralisch unempfindlich“ – damit trifft Carsten Fiedler den Nagel auf den Kopf. Vielen Dank für diesen Artikel! Ich wähle seit Jahren grün und bin jetzt nicht nur herb enttäuscht von unserer grünen Bürgermeisterin, sondern auch von Robert Habeck. Dörte Klomp Rösrath

Rücktritt von Herrn Graichen wäre herber Schlag für Energiewende

Der Leitartikel „Moralisch unempfindlich“ gibt die konservative Meinung zu den Themen Heizungstausch und Kölner Verkehrsversuche gut wieder. Leider fehlt hier die Einsicht in die dringend notwendigen Transformationsprozesse, hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Wenn wir das Pariser Klimaabkommen einhalten wollen, die Erderwärmung auf möglichst unter 1,5 °C zu begrenzen, müsste Deutschland, nach einer Studie des New Climate Institute, schon 2030 klimaneutral sein. Auf Bundesebene ist die Klimaneutralität ab 2045 beschlossen, für Köln ab 2035.

Wenn wir auf Bundesebene 2045 klimaneutral werden wollen, dann bedeutet das, dass bei einem Heizungstausch, bei einer angenommenen Lebensdauer einer Heizung von 20 Jahren, ab 2025 keine fossile Heizung mehr verbaut werden darf. Im Leitartikel ist von einem miserabel umgesetzten Heizungsgesetz die Rede, gemeint ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG). Die Änderungen zum GEG liegen bisher lediglich in einem Entwurf vor und sind noch nicht umgesetzt, ihr Kommentar ist hier also falsch. Zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens war der Gesetzesentwurf nicht fertig verfasst und es gab etwa die Anmerkung, dass die soziale Komponente noch erarbeitet werden muss.

Nach Jahren des Stillstands bewegt sich endlich vieles in die richtige Richtung. Leider arbeitet die Opposition daran, diese dringende Transformation zu verschleppen oder ganz zum Erliegen zu bringen. Sicher war die Vergabe des Dena-Postens durch Herrn Graichen an seinen Trauzeugen ein Fehler. Er hat diesen Fehler eingestanden. Ein Rücktritt Herrn Graichens wäre aber ein herber Schlag für die Energiewende und damit für uns alle. Die Einsicht in die dringend notwendigen Transformationsprozesse zu vermitteln – das ist, meiner Meinung nach, die Aufgabe des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nicht Stimmung dagegen zu machen. Christian Althoff Köln

Porträt von Patrick Graichen, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Patrick Graichen, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, verschwieg beim Auswahlverfahren für den Dena-Geschäftsführerposten, dass es sich bei einem der Bewerber um seinen Trauzeugen handelte.

Vetternwirtschaft hat Tradition

Wie viele Personen haben über den neu zu besetzenden Posten bei der Dena entschieden, waren es nicht fünf oder sieben? Woher weiß man, wie Patrick Graichen votiert hat und ob es ohne ihn nicht zur gleichen Entscheidung gekommen wäre? Ich sehe nicht, dass hier ohne Expertise und Qualifikation viel Geld verdient werden sollte. Ich erinnere da an die Masken-Affäre, bei der Verwandte aus dem Dunstkreis von CDU- und CSU-Politikern sich in unmoralischer Weise die Taschen vollgestopft haben. Da waren Söhne und Töchter von hochrangigen früheren und amtierenden Ministerpräsidenten dabei!

Wo war da der Aufschrei von Merz und anderen CDU- und CSU-Granden? Gerade der CSU muss doch wohl keiner erklären, was Nepotismus ist – erinnert sei an die Amigo-Affäre –, wo man in Bayern kaum einen öffentlichen Auftrag ohne CSU-Mitgliedschaft bekommt. Wer, wie der Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, den Einsatz für die Umwelt als Gefühl moralischer Überlegenheit und Lobbyismus bezeichnet, hat den Schuss nicht gehört. Wir werden ohne den gestaffelten Austausch der Heizungen innerhalb der nächsten 20 Jahre nicht klarkommen.  Heinrich Berendes Köln

„Graichen-Affäre“: Nur wer nichts tut, macht keine Fehler

Carsten Fiedler unterstellt den Grünen Selbstherrlichkeit, Überheblichkeit und Besserwisserei, übersieht aber, dass nach fast jahrzehntelangem Stillstand durch schwarze Weiter-so-Politik die Versäumnisse und Fehler gerade hinsichtlich verschiedener Umweltproblematiken endlich angegangen werden müssen, und zwar alternativlos. Dies mag für manchen unbequem sein und die Profiteure der bisherigen festgezurrten „Ordnung“ stören, weil auch Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren oder geändert werden müssen.

Da bietet es sich an, die Grünen, die zumindest versuchen, Änderungen einzuleiten, bei jeder Gelegenheit unsachlich und politisch leicht deutbar anzugreifen. Es ist immer dieselbe Fehde zwischen „Es soll so bleiben wie es ist“ – konservative Haltung der Union – und „So wie es ist, kann es nicht bleiben“ – fortschrittliche Haltung etwa der Grünen. Für mich sind, anders als für den Autor, die Versäumnisse der vergangenen Merkel-Zeit „schlechte Politik“ und nicht der jetzige Versuch der Grünen, zukunftsfähige Entwicklungen voranzutreiben. Sicherlich passieren dabei Fehler, aber nur wer nichts tut, macht keine Fehler. „Weltverbesserung“ – ja bitte! Martina Frimmersdorf Leverkusen

„Trauzeugen-Affäre“ kommt CSU im Wahlkamp gerade recht

Das Verhalten der Parteien mit dem großen „C“ im Hinblick auf die bevorstehende Landtagswahl in Bayern erinnert mich an das Wahlkampfverhalten von Donald Trump. Es geht nicht mehr um eigene politischen Aussagen. Mit der Schaffung eines Sündenbocks wird von eigenem Unvermögen und Fehlverhalten abgelenkt. Keine Frage: Vetternwirtschaft ist schändlich und einer Demokratie nicht würdig. Nicht umsonst steht Deutschland bei Transparency International auf einem denkwürdig schlechten Listenplatz. Aber so wie derzeit massiv mit Schmutz geworfen wird, entbehrt jeglichen Anstands.

Die Hetzjagd auf die Grünen erinnert mich an das Verhalten von Machthabern, die um ihr politisches Überleben fürchten. Interessierte sollten die „Maskenaffäre“ nachschlagen. Noch keine zwei Jahre alt ist diese Affäre, in der Verstrickungen von CSU- und CDU-Politikern mit dem Ziel der persönlichen Bereicherung bekannt wurden. Politiker sollten erst einmal vor der „eigenen Haustür kehren“ und die Wähler mit eigenen politischen Zielen überzeugen, um im Wahlkampf nicht nur „als das kleinere Übel“ wahrgenommen zu werden. Nur so kann der zunehmenden Politikverdrossenheit entgegengewirkt und das Erstarken von extremen politischen Gruppieren verhindert werden. Uwe Neuser Siegburg

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