Der Fall einer Lehrerin, die jahrelang nicht zum Dienst erschien, bringt beamtete Lehrkräfte in Misskredit.
Lesermeinungen16 Jahre krankgemeldet – empörend, dreist, unsolidarisch

Nach 16 Jahren Krankschreibung weigerte sich eine Lehrerin, erstmals einen Amtsarzt aufzusuchen.
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Nachdem eine Lehrerin an einem Berufskolleg in Wesel gegen eine Überweisung zum Amtsarzt geklagt hat, wurde bekannt, dass sie 16 Jahre lang krankgeschrieben war, ohne jemals amtsärztlich untersucht worden zu sein. Sie erhielt weiterhin ihre Bezüge und ging dennoch einer Tätigkeit als Heilpraktikerin nach. Ihr Verhalten sorgt für Empörung. Während vor allem die Schulaufsichtsbehörde versagte, gerät im Rahmen der Diskussion über langzeiterkranktes Lehrpersonal zunehmend der Beamtenstatus von Lehrerinnen und Lehrern auf den Prüfstand.
16 Jahre krank: Krankengeldregelung auf Beamte übertragen
Der Skandal um eine Lehrerin, die 16 Jahre krankgeschrieben war, bringt mich auf die Palme. Wenn man als Angestellte länger als sechs Wochen krank ist, gibt es Krankengeld. Das ist um einiges geringer als das übliche Gehalt und „zwingt“ viele, bereits vor Ablauf der sechs Wochen wieder gesund zu sein – ob man es nun ist oder nicht. Wie soll man sonst gegebenenfalls Miete und Familie finanzieren?
Es ist an der Zeit, dass diese Praxis auch bei Beamten eingeführt wird. Staat und Steuerzahler würden viel Geld sparen und Fälle von „16 Jahren Gehalt ohne Gegenleistung“ würde es dann nicht mehr geben. Warum wird das nicht endlich geändert? Und sollte sich der Verdacht von anderweitigen Einnahmen der Lehrerin bestätigen, warum werden die gezahlten Beträge nicht zurückgefordert? Gibt es keine Konsequenz bei solch einem Handeln? Sich so zu verhalten, ist das Allerletzte. Margarete Schneider Leichlingen
Dauerkrankes Lehrpersonal: Beamtenrecht konsequent anwenden
Wir neigen in Deutschland dazu, Probleme und Missstände erst jahrelang nicht anzugehen, dann aber bei einem spektakulären Fall das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wieder einmal wird der Beamtenstatus für Lehrerinnen und Lehrer infrage gestellt. Der Fall in Wesel und offenbar weitere Fälle in anderen Schulen sind ohne Zweifel skandalös. Aber nicht wegen vermeintlicher Beamtenprivilegien, sondern wegen der Nichtanwendung eben jenes Beamtenrechts. Hier liegt nämlich ein eklatantes Versagen der zuständigen Schulaufsicht vor, die die Situation jahrelang hat laufen lassen und ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist.
Bei Bekanntwerden solcher Fälle werden immer wieder die Privilegien des Beamtenstatus hervorgehoben, insbesondere die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Lohnfortzahlungsregelung, die guten Pensionen etc. Demgegenüber wird regelmäßig vernachlässigt, dass Beamtinnen und Beamte aufgrund ihres besonderen Status geringere Arbeitnehmerrechte haben, jederzeit versetzt oder abgeordnet werden können und kein Streikrecht haben. Beamte werden vor allem in solchen Bereichen eingesetzt, in denen eine jederzeitige Sicherstellung der staatlichen Leistungen gewährleistet werden muss, wie bei der Polizei und in den Schulen.
Eine Abschaffung des Beamtenstatus für Lehrerinnen und Lehrer würde dem Land die Möglichkeit nehmen, die Lehrkräfte an den Schulen bedarfsgerecht zu verteilen oder bei Ungleichgewichten zwischen den verschiedenen Schulformen zu versetzen. Es würden Steuerungsfunktionen verloren gehen, was in der aktuellen und sich künftig verstärkenden Mangelsituation bei der Lehrerversorgung kontraproduktiv wäre.
Die Antwort auf den aktuellen Fall eines eklatanten Missbrauchs des Beamtenrechts ist dessen konsequente Anwendung
Und groß wäre der Aufschrei, wenn angestellte Lehrerinnen und Lehrer zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen vom Streikrecht Gebrauch machen würden. Schließlich könnte eine Abschaffung des Beamtenstatus dazu führen, dass der Lehrerberuf für viele unattraktiver wird und damit der Lehrermangel zusätzlich verstärkt würde – mit allen negativen Folgen für Bildungsqualität und Bildungsgerechtigkeit.
Die Antwort auf den aktuellen Fall eines eklatanten Missbrauchs des Beamtenrechts ist also dessen konsequente Anwendung. Das Beamtenrecht bietet der Schulaufsicht verschiedene Möglichkeiten, Druck auf dauerkranke Lehrerinnen und Lehrer auszuüben und Missbrauch in diesem Bereich zu unterbinden. Sie muss nur konsequent handeln. Damit wäre mehr gewonnen als mit einer populistischen Diskussion über die Abschaffung des Beamtenstatus. Klaus Hebborn Köln
16 Jahre krank: Beamtenstatus für Lehrer überholt
Die Beispiele von weiteren Fällen von dauerkranken Lehrern in NRW zeigen deutlich, dass das Beamtentum von Lehrern überholt ist und abgeschafft werden sollte. In der Regel fällt nach sechswöchigem Krankheitsausfall die Lohnfortzahlung weg und wird von Krankengeld abgelöst. Diese Vorgehensweise wäre vielleicht auch in den beschriebenen Fällen hilfreich gewesen.
Die Tatsache, dass es in all den Jahren für die psychisch schwer angeschlagene Lehrerin möglich war und ist, als Heilpraktikerin zu arbeiten, und sie auch noch die Frechheit besitzt, sich gegen Kontrollmechanismen ihres Vorgesetzten aufzulehnen, hinterlässt bei mir einfach nur Wut über diese Dreistigkeit. Und bei allem Respekt für einen im Artikel zitierten Lehrer: Dass er die Möglichkeit hat, nach 35 Jahren Arbeit zu sagen „jetzt reicht es“, ist ein weiteres Privileg, das der Mehrheit der Arbeitnehmer in unserem Land verwehrt bleibt. Bettina Klumpe Köln
16 Jahre nicht im Dienst: Zumutung für die Solidargemeinschaft
Dass es möglich ist, 16 Jahre bei vollem Lohn „krankzufeiern“, ist schon eine beachtliche Zumutung für die Solidargemeinschaft und für alle Beteiligten: Allen voran für die Schülerinnen und Schüler, die die dringend notwendige Bildung und Ausbildung nicht bekommen und mit ständigem Vertretungspersonal zurechtkommen müssen. Für die Kolleginnen und Kollegen, die immer wieder zum Vertretungsunterricht herangezogen werden, ohne dass dieser vergütet würde, denn das sieht deren Arbeitsvertrag nicht vor.
Für die „Springer“, also junge, frisch ausgebildete Lehrkräfte, die jahrelang hoch motiviert in die Schulen drängten, aber immer nur unsichere Zeitverträge an wechselnden Einsatzorten erhielten. Die Fähigeren unter ihnen werden wohl bald ihrem Berufswunsch Pädagoge auf ewig Ade gesagt haben und fehlen uns heute.
Schließlich ist es nicht zuletzt für die Schulleitungen ein großes Problem, da sie die kranken Lehrkräfte immer wieder voll einplanen und gleichzeitig damit rechnen müssen, dass kurzfristig ein weiteres Attest ins Haus flattern wird. Alles Betteln bei der Bezirksregierung, doch auf einer längerfristigen Krankschreibung zu bestehen, scheitert daran, dass Ärzte – so die Auskunft – immer nur eine Verlängerung für drei Monate attestieren dürfen. Damit aber ist niemandem gedient.
Vermutlich hat jede zweite Schule mindestens einen „Dauerkranken“, der aber an unserer Schule in einem Fall „schon“ nach vier Jahren vom Amtsarzt in den Ruhestand versetzt wurde. Die geschilderte 16-jährige Krankschreibung einer Lehrerin, ohne dass deren Atteste überprüft wurden, schießt für mich den Vogel ab. Es bringt alle ernsthaft psychisch Erkrankten sowie Beamte insgesamt in Misskredit und schadet massiv nicht nur dem System Schule. Das muss Konsequenzen haben, bis hin zu einer Veränderung des Beamtenrechts. Margret Schmitz Pulheim
16 Jahre krankgemeldet: „Nicht alle Lehrer über einen Kamm scheren“
Der Artikel „10.000 Lehrer in NRW länger krank“ macht mich wütend und traurig. In NRW fehlen Tausende Lehrer, das Schulministerium hat gerade wieder eine große Werbekampagne für den Beruf gestartet. Aber in den Medien wird die Lehrerschaft zerrissen und als dauerkrankfeiernd dargestellt. Der Fall der Lehrerin aus Duisburg, die 16 Jahre lang bei vollen Bezügen nicht zum Dienst erschienen ist, ist tatsächlich schlimm. Und dass das im System möglich war und die zuständige Person in der Bezirksregierung nichts unternommen hat, ist nicht zu fassen.
Aber deswegen sollten nicht alle Lehrerinnen und Lehrer über einen Kamm geschert werden. In meinem Kollegium war in den letzten zehn Jahren nur ein Kollege über acht Wochen krankgeschrieben, und das, zur Freude des Dienstherrn, über die Sommerferien hinweg.
Wie sieht es eigentlich in anderen Berufen aus, in denen die körperliche und psychische Belastung vergleichbar ist? Sind die Zahlen nicht nur dann von Bedeutung, wenn man sie in Relation setzt? Ich frage mich auch, wieso jetzt gleich das Beamtentum infrage gestellt wird. Natürlich hat es viele Vorteile. Aber wir können als Beamte auch jederzeit gegen unseren Willen versetzt werden. Dadurch wird beispielsweise der Unterricht in ländlichen Gegenden sichergestellt. Ursula Mermann Rösrath

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) bezeichnete das Verhalten einer 16 Jahre lang krankgeschriebenen Lehrerin als unkollegial.
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Langzeit-Krankschreibung: Beamtenprivilegien auf den Prüfstand
Es wird höchste Zeit, dass in den Medien mehr über Beamtenprivilegien berichtet wird. Aus meinem Umfeld weiß ich, dass beamtete Lehrer das System bisweilen schamlos ausnutzen. 78 Wochen Krankmeldung ohne Lohnkürzung – mehr als anderthalb Jahre am Stück sind einzelne Lehrer oder Lehrerinnen krank, was dazu führt, dass die Kollegen ihre Arbeit mitmachen müssen. In anderen Fällen ist es so, dass nicht beamtete Lehrerinnen und Lehrer die gleiche oder sogar mehr Arbeit leisten wie ihre beamteten Kollegen, aber 1000 Euro weniger verdienen. Eine so krasse Ungleichbehandlung von Arbeit ist ein Skandal.
Ebenso skandalös ist, dass Beamte nicht in die Rentenkasse einzahlen. Wir führen gerade eine Diskussion über den Sozialstaat, aber der riesige Posten Rentenkasse wird nicht reformiert. Auch Pensionen in Höhe von circa 70 Prozent des Beamtengehalts sind absolut aus der Zeit gefallen. Normale Arbeitnehmer müssen bei ihrer Rente schon mit weniger als der Hälfte ihres letzten Gehalts rechnen, und selbst darüber wird inzwischen diskutiert. Jürgen Sewczyk Pulheim
Beamtenstatus hat nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile
Der Fall einer 16 Jahre lang krankgemeldeten Lehrerin hat eine Diskussion über Beamtenprivilegien ausgelöst. Ich selbst möchte einmal meinen Werdegang als Beamter beschreiben: An mein Ingenieurstudium habe ich noch eine zweieinhalbjährige Ausbildung bei der Deutschen Bundesbahn angehängt, mit vielen Zwischen- und einer Abschlussprüfung. In dieser Zeit als „Technischer Inspektorenanwärter“ habe ich nur einen „Hungerlohn“ verdient.
Auch die Zeit danach als „Technischer Inspekteur“ war finanziell nicht unbedingt lukrativ. In dieser Zeit haben Studienkollegen, die in der Autoindustrie gearbeitet haben, mindestens das Vierfache verdient – ohne Stress durch zusätzliche Prüfungen. Durch Fleiß und Engagement habe ich es dann relativ schnell zum Oberamtsrat gebracht und war mit dem Einkommen zufrieden. Zwischenzeitlich wurde ich in ein Ministerium versetzt und habe über viele Jahre internationale Sitzungen in Straßburg, Genf und Wien geleitet, teilweise auch in englischer Sprache. Das waren Tätigkeiten der „höheren Beamtenlaufbahn“. Sie waren eine besondere Herausforderung und ich habe sie gerne ausgeübt.
Weil ich Beamter war, habe ich diese Tätigkeiten aber ohne einen besonderen finanziellen Ausgleich ausgeübt. Ein Angestellter hätte für diese Tätigkeiten per Angestelltentarif ein höheres Gehalt bekommen. Wenn es in meiner aktiven Beamtenzeit als Vorgesetzter von etwa 300 Mitarbeitern „Dauerkranke“ gab, dann wurde eine amtsärztliche Untersuchung eingeleitet, die unter Umständen auch zu einer Frühpensionierung geführt hat. Und meine eigenen Krankheitszeiten? Ich bin in meiner Zeit als Beamter wohl insgesamt nur zwei Wochen krank gewesen. Klaus Ridder Siegburg
Dauerkranke Mitarbeiter gefährden die Gesundheit ihrer Kollegen
Kranke Mitarbeiter kosten viel Geld – und sind mitverantwortlich für den zunehmend schlechten Gesundheitszustand von Kolleginnen und Kollegen, die in den meisten Arbeitsbereichen die Arbeit der kranken Mitarbeiter mit übernehmen müssen. Somit sind nicht nur die Arbeitgeber finanziell belastet. Die Gesundheit der noch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leidet sehr unter der zusätzlichen Arbeitslast. Es gilt somit zwei Gruppen zu schützen: Arbeitgeber und arbeitende Menschen.
Die Arbeitsmoral und die Empathie den Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die die Arbeit mit übernehmen müssen, wird leider immer schlechter. An den ersten drei Krankheitstagen das Gehalt um 50 Prozent zu reduzieren, ohne dass Ersatzleistungen von anderer Stelle gezahlt werden, könnte die Zahl der Krankschreibungen vielleicht verringern. Das tut nämlich im Portemonnaie weh. Einen Versuch wäre es wert. Es wird dringend Zeit, das Entgeltfortzahlungsgesetz zu überarbeiten und zu korrigieren. Anette Guilleaume Hürth