Kommentar zur Israel-PolitikDeutschlands Enthaltung bei UN-Resolution zu Gaza war falsch

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Das Bild zeigt einen Screenshot aus der Abstimmung über eine Israel-Resolution bei den Vereinten Nationen am 27. Oktober 2023.

Das Bild zeigt einen Screenshot aus der Abstimmung über eine Israel-Resolution bei den Vereinten Nationen am 27. Oktober 2023.

Deutschland hätte in einer symbolischen Frage klar an der Seite Israels stehen müssen. Das nicht zu tun, war ein Fehler.

Das gezielte Massaker der Hamas an Tausenden israelischen Zivilisten ist keine vier Wochen her; die vielen Versicherungen der Bundesregierung, man stehe in uneingeschränkter Solidarität an Israels Seite, sind noch nicht verklungen, da kommen schon wieder Zweifel daran auf, dass Deutschland es ernst meint mit diesem Versprechen: Trotz scharfer Kritik aus Israel und vom deutschen Zentralrat der Juden verteidigen Bundeskanzler Scholz sowie Spitzenpolitiker von SPD und Grünen, dass sich Deutschland bei der jüngsten Abstimmung über die erste UN-Resolution zur aktuellen Lage in Gaza eben nicht eindeutig auf Israels Seite gestellt hat.

Doch so wenig man die Argumente abtun darf, die dabei zu einer deutschen Enthaltung geführt haben: Im Ergebnis ist das deutsche Votum ein Fehler.

Die Resolution hat einmal mehr gezeigt, dass eine Mehrheit der Weltgemeinschaft anders auf den Nahost-Konflikt blickt, als es - jedenfalls traditionell - der Westen tut. Denn zwar fordert der vom Königreich Jordanien eingebrachte Appell das Ende „jeglicher Gewalt“ gegen Zivilisten, fordert die Freilassung aller Geiseln und eine „sofortige Waffenruhe“.

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Papier mit anti-israelischem Charakter

Doch während das Wohl der Menschen im Gazastreifen - zu Recht - hochgehalten wird, fehlt jede klare Verurteilung des Hamas-Terrors und seine Einstufung als Auslöser des Krieges. Israel hat die Resolution verurteilt, die Hamas begrüßte sie. Mehr muss man eigentlich nicht wissen.

Formal mögen viele Sätze unterstützenswert klingen, doch wer im aktuellen Kontext, zu dem nun einmal die Selbstverteidigung Israels gehört, den anti-israelischen Charakter dieses Papiers nicht sieht, ist naiv oder stellt sich so. Immerhin: Die Bundesregierung, und das ist die gute Nachricht, tut das nicht und hat sich der Abstimmung deshalb enthalten.

Die UN-Vollversammlung hatte am 27. Oktober eine Resolution zur Verbesserung der humanitären Situation und für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen verabschiedet.

Die UN-Vollversammlung hatte am 27. Oktober eine Resolution zur Verbesserung der humanitären Situation und für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen verabschiedet.

Dass zur Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der das UN-Plenum den Text angenommen hat, auch große EU-Staaten wie Frankreich und Spanien zählen, ist beschämend. Es zeigt aber auch, dass übertreibt, wer Deutschland nun als Gegner Israels darstellt. Der Bundeskanzler verteidigt das deutsche Schweigen zur Resolution – nichts anderes ist ja eine Enthaltung – nun damit, dass man hart daran gearbeitet habe, dass der Terror und die Geiseln überhaupt vorkommen. Mit einer Gegenstimme hätte Deutschland einem noch israel-feindlicheren Papier den Weg geebnet.

Tatsächlich wäre es unredlich, diese Argumente zu ignorieren. Man muss anerkennen, dass die Bundesregierung eine Abwägung vorgenommen hat. Leider hat sie sich dabei für ein taktisches Vorgehen entschieden, wo ein symbolisches richtig gewesen wäre. Es gibt Fragen, in denen es ums Prinzip geht, nicht ums Kleingedruckte. Bei denen das Ergebnis zählt.

Für den Aufruf, dass auch Israel in seinem Vorgehen gegen die Hamas die Verhältnismäßigkeit wahren und sich ans Völkerrecht halten muss, gibt es passende Gelegenheiten. US-Präsident Joe Biden hat sie ebenso genutzt wie der Chefankläger am Internationalen Strafgerichtshof: Beide ermahnten auch Israel, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern. Eine symbolisch so aufgeladene UN-Resolution ist dagegen nicht der Platz für Differenzierungen, die schnell wie eine Relativierung wirken - und von den Initiatoren ja auch genau so gemeint sind.

Es ist ein schlechtes Zeichen für den Zustand der Welt, dass sich bei dieser Abstimmung nicht einmal der gesamte Westen, also vor allem die EU- und G7-Staaten, so klar auf die Seite des Angegriffenen stellte wie die USA, Österreich, Ungarn und Tschechien. Denn Israel ist die einzige Insel der Demokratie in Nahost.

Der Satz von „Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson“ muss unterfüttert werden

Die USA unterstützen das Land ja nicht deshalb seit Jahrzehnten politisch, finanziell und eben auch militärisch, weil sie muslim- oder araberfeindlich wären - sondern, weil Israel nach wie vor der einzige Staat in der Region ist, der die Werte des Westens - jedenfalls grundsätzlich - teilt. Der zur Evakuierung von Kampfgebieten aufruft, um Zivilisten zu schonen, statt sie gezielt zu ermorden oder sie als Schutzschilde zu missbrauchen.

Es stimmt ja: „Auge um Auge“ macht die ganze Welt blind, wie Ghandi sagte. Doch was ist der zuletzt so vielbeschworene Satz von Israels Sicherheit als deutscher Staatsräson wert, wenn wir schon ein so simples - und rein verbales - Bekenntnis wie in dieser Frage scheuen? Und das, obwohl inzwischen klar ist, von wem die Aggression in Nahost ausgeht - grundsätzlich wie im konkreten Fall.

Grundsätzlich: Würden die Feinde Israels die Waffen niederlegen, wäre das der Weg zum Frieden in der Region. Würde Israel die Waffen niederlegen, würde es von der Landkarte radiert. Und konkret: Die Verantwortung für die aktuelle Gewalt trifft allein die Hamas und deren Unterstützer.

Dass trotzdem nur eine Minderheit der Weltgemeinschaft das aktuelle Leid der Israelis uneingeschränkt anerkennt, ist traurig. Dass Deutschland nicht dazugehört, ist gerade deshalb ein schmerzlicher Fehler.

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