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Familien in Israel entsetztHamas will alle Toten übergeben haben, „die auffindbar waren“

4 min
Israel, Rishon Lezion: Trauernde versammeln am 15. Oktober 2025 am Wagen, in dem der Sarg der getöteten Geisel Guy Illouz transportiert wird.

Israel, Rishon Lezion: Trauernde versammeln am 15. Oktober am Wagen, in dem der Sarg der getöteten Geisel Guy Illouz transportiert wird.

Die Rückgabe der toten israelischen Geiseln verläuft äußerst schleppend. Die Angehörigen sind entsetzt und wütend.  

Während die Freude und Erleichterung bei denjenigen riesig ist, die ihre Angehörigen lebend aus der Geiselhaft der Hamas zurückbekommen haben, herrscht in Israel gleichzeitig Trauer. Neben den 20 Lebenden sollten laut Gaza-Abkommen auch die sterblichen Überreste der 27 toten Geiseln von der Hamas ans Rote Kreuz übergeben werden, so dass die Angehörigen sie in Israel bestatten können. Übergeben werden sollte zudem der Leichnam eines bereits 2014 getöteten israelischen Soldaten.

Bei der Rückführung der Toten treten jedoch massive Probleme auf. Bereits am Montag, als weltweit ein Freudentaumel über die Heimkehr der 20 Männer aus Gefangenschaft der Hamas herrschte, war klar, dass die Übergabe der Toten länger dauern würde. Die Terrororganisation ließ die Frist, zu der sie sich eigentlich verpflichtet hatte, verstreichen. Auch zwei Tage später ist der Prozess längst nicht abgeschlossen, Angehörige sind wütend und entsetzt. Fast noch schlimmer für sie: Bei den sterblichen Überresten einer Person handelt es sich gar nicht um eine Geisel.

Eine falsche Leiche wurde von der Hamas übergeben

Am Montag wurden vier und am Dienstag vier Leichen übergeben. Am Mittwochabend holte das Rote Kreuz dann zwei weitere Leichname ab. Bei einem der vier Toten, die am Dienstag übergeben wurden, ist die Identität allerdings unklar. Im Februar hatte die Hamas bereits anstelle der Leiche der Geisel Schiri Bibas den Leichnam einer Palästinenserin übergeben. Die Terrororganisation räumte später einen möglichen Irrtum ein. Die Vertauschung – ob wissentlich oder versehentlich – löste in Israel große Empörung aus. 

US-Präsident Donald Trump, auf dessen Initiative das Gaza-Abkommen geschlossen wurde, hatte schon im Vorfeld deutlich gemacht, dass vielleicht nicht alle Leichen im völlig zerbombten Gazastreifen gefunden werden könnten. Laut der israelischen Regierung wurde ein internationales Gremium eingerichtet, um die sterblichen Überreste der Geiseln ausfindig zu machen. Die Hamas gab die Identität der Getöteten, deren Leichen sie bislang übergab, nicht bekannt. Dies obliegt den israelischen Behörden, die sterblichen Überreste wurden dementsprechend im Nationale Zentrum für Forensische Medizin in Abu Kabir bei Tel Aviv identifiziert.

Hamas: Alle Leichen übergeben, die auffindbar waren

Laut „Times of Israel“ teilte die Hamas am Mittwochabend bei der jüngsten Übergabe von Opfern mit, sie sei ihren Verpflichtungen nachgekommen und habe alle lebenden Geiseln sowie die Leichen aller toten Geiseln, „die man auffinden konnte“, an Israel zurückgegeben. Man unternehme aber „große Anstrengungen, um das Problem zu lösen“. Damit würden zunächst die sterblichen Überreste von 19 Personen in Gaza zurückbleiben – für ihre Angehörigen dürfte dies ein unerträglicher Gedanke sein.

Wie groß die Qual für die Familien der Getöteten ist, die ihre Geliebten noch immer nicht beerdigen konnten, zeigen Medienberichte. So sagte Rotem Cooper, dessen Vater Amiram zu den 21 Geiseln gehört, deren Leichen bis Mittwochnachmittag nicht nach Israel zurückgebracht wurden, die Familien versuchten, „irgendwie die Kraft zu finden, uns aufzurappeln … und den Kampf fortzusetzen“.

Sohn von toter Geisel: „Es ist noch nicht vorbei“

Er müsse sich wie die anderen mit der Erkenntnis auseinandersetzen, dass „es noch nicht vorbei ist und der Kampf noch länger dauern wird“, so Coooper. Im Gespräch mit der BBC forderte er US-Präsident Donald Trump, Katar, Ägypten und andere an den Friedensverhandlungen beteiligte Länder auf, „der Hamas zu zeigen, dass dies nicht akzeptabel ist“. Die Hamas würde offensichtlich „Spielchen spielen“.

Die Eltern von Rotem Cooper waren beide am 7. Oktober 2023 aus ihrem Haus im Kibbuz Nir Oz entführt worden. Seine Mutter wurde später im selben Monat freigelassen, während sein Vater in der Gefangenschaft getötet wurde. Ob die sterblichen Überreste des Vaters unter den beiden Toten sind, die am Mittwochabend zurückkehrten, war zunächst unklar. 

Das Forum der Geisel-Angehörigen meldete sich ebenfalls mit einem emotionalen Post zu Wort: „Für die Familien ist die Zeit stehen geblieben. Sie stecken immer noch in dem schrecklichen und beängstigenden Moment fest, als das Klopfen an der Tür zu hören war. Es gibt keine Möglichkeit, sich zu verabschieden. Es gibt keinen Ort zum Weinen, um eine Blume oder eine Kerze abzustellen. Die Toten verdienen die ewige Ruhe“, heißt es dort.

Für Samstagabend wird zu einer erneuten großen Kundgebung auf dem „Platz der Geiseln“ in Tel Aviv aufgerufen. Denn ein Volk, das seine Gefallenen im Stich lasse, gebe sein Schicksal auf, heißt es von den Angehörigen der Toten.

Für Israel ist die Rückgabe der sterblichen Überreste von größter Bedeutung. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte eine drastische Reduzierung der Zahl der wieder anrollenden Hilfstransporte anordnen, falls die Leichen nicht zurückgebracht würden. Dann übergab die Hamas am Dienstag die vier weiteren Särge – von denen einer jedoch die Überreste eines Unbekannten enthält. (mit dpa und afp)