Nach 56 Tagen KomaWie Covid-Patient Wolfgang Schiffer ins Leben zurückfand

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Schifferpool

Wolfgang Schiffer wollte schon lange einen Pool. Er hat gelernt, nichts mehr aufzuschieben.

  • Der Jülicher Wolfgang Schiffer musste nach einer Corona-Infektion wochenlang im künstlichen Koma liegen.
  • Danach begann sein langer Weg zurück ins Leben. Hier erzählt er seine Geschichte.

Wolfgang Schiffer hat seine schlimmsten  Monate,  die, in denen er dem  Tod näher war als dem Leben,  in einer Powerpoint-Präsentation zusammengefasst.

Seite 1: Mein Name ist Wolfgang Schiffer (55)

- Ich war kerngesund und hatte ein gesundes und intaktes Immunsystem

- Ich bin Langstreckenschwimmer

- Ich nehme gerne an geselligen Veranstaltungen teil und bin vereinsaktiv

- Ich bin seit 40 Jahren semiprofessioneller Bühnenmusiker und Sänger auf allen Bühnen

- Ich bin ca. am 06. März 2020 schwer an CORONA erkrankt

Seite 3: Vorab möchte Ich gerne von Euch folgendes wissen ...

- Glaubt Ihr wirklich an Corona/Covid19?

- Was macht Ihr selber aktiv zu Eurem Schutz ???

- ... oder glaubt Ihr, das alles ist nicht so schlimm und es wird nur stark übertrieben?

Seite 6: 19. März 2020 bis 12. Mai 2020 8 Wochen im künstlichen Koma, ich erleide durch Corona folgende körperliche Schäden:

- Eine komplette körperliche Superinfektion meines gesamten Körpers und aller Organe

- 2 schwere und lebensbedrohliche Lungenentzündungen

- 1 Lungenembolie

- Künstliche Beatmung/Luftröhrenschnitt

- 2 Wiederbelebungen sind notwendig

- Meine schlechteste Überlebenschance betrugt 10%

... das alles wegen CORONA

Seite 11: Meinen Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit... und meine BITTE: Lassen Sie sich impfen, schützen Sie sich und Andere. Bleiben Sie Gesund !!!

Herr Schiffer will eine Art Zeitzeuge werden

Es ist ein sonniger Tag im Mai, Herr  Schiffer sitzt im Kellerbüro seines Einfamilienhauses in Jülich  und scrollt sich am Computer durch sein vergangenes Jahr. An der Wand hängen Fotos von früher, Schiffer mit Akkordeon, Schiffer auf  der Bühne vor über 2000 Menschen.   Auf dem Bildschirm sieht man jetzt Herrn Schiffer, wie er in einem Krankenhausbett liegt, zwei Pfleger stehen neben ihm, sie tragen grüne Kittel, Maske, Schutzbrille, Handschuhe.  

Er würde gern, sagt Herr Schiffer, zu einer Art Zeitzeuge werden. Mit der Präsentation vor Schülern einen Vortrag über das halten, was ihm geschehen ist.

Denn wer, wenn nicht er, soll den jungen Menschen glaubwürdig erzählen, wie das ist,   mit Covid-19 auf die Intensivstation zu kommen. Wie gefährlich Corona ist, auch für Leute, die nicht  vorerkrankt und alt sind. Wer soll ihnen klar machen, dass genesen und gesund zwei unterschiedliche Dinge sind. Wer, wenn nicht er, soll sie davon überzeugen, dass sie sich , wenn sie an der Reihe sind, auch wirklich eine Spritze gegen dieses Virus in den Oberarm stechen lassen.

Herr Schiffer sagt: „Ich bin jetzt an den Punkt gekommen, an dem ich etwas zurückgeben kann.“

Es war ein weiter Weg bis dorthin.

Als Herr Schiffer wieder nach Hause kam, war er ein anderer Mann

Als Herr Schiffer  wieder nach Hause kam, am 25. August 2020, nach 161 Tagen, 56 davon im künstlichen Koma, da war er ein anderer Mann, als der, den der Notarzt am 17. März um 5:30 Uhr mitgenommen hatte, weil er kaum noch atmen konnte.  Herr Schiffer ging nun am Rollator, konnte keine Wasserflasche selbst öffnen. Er  musste fast alles neu lernen: Laufen,  Duschen, sich selbst Anziehen.  

Es war klar, dass das Monate dauern würde.  Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte ihn und seine Frau Adelheid damals begleitet bei ihrem Kampf gegen die Nachwirkungen der Infektion.

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Sie haben sich einen Pool in den Garten gebaut. Mitten auf der Wiese steht er und ist blau und rund und groß. Das Wasser ist schon drin, eine Terrasse soll noch drumherum. Wollten sie schon lange machen, eins dieser Projekte, die man eben so hat, sagt Frau Schiffer. 

Aber wir haben gelernt, nichts mehr aufzuschieben.

Sein größtes Problem sind die Füße

Herr Schiffer steht daneben,  er trägt die Haare jetzt länger und die 25 Kilogramm, die er im Koma verloren hatte und die wieder da sind, nicht ganz ohne Stolz am Körper.  Den Gehstock hat er in der Hand, aber er braucht ihn fast nicht mehr. Seine größte Baustelle, sagt Herr Schiffer, sind  die Füße. Noch immer fehlt den Nerven die Kraft,  um sie wieder vernünftig anzuheben. Herr Schiffer braucht Schienen, die sie gerade halten, Orthesen nennen Mediziner die. Dauert einfach, sagen die Ärzte. Wie lange kann mir  niemand sagen, sagt Herr Schiffer. Aber ich habe mich damit abgefunden.

Schifferaltfenster

Wolfgang Schiffer im vergangenen Herbst mit seiner Frau Adelheid - die Krankheit hatte ihn gezeichnet.

Er hat  schon wieder  eine Reha hinter sich, fünf Wochen waren es diesmal, jeden Tag Fitnessstudio, Bauchmuskeltraining, Rückenmuskeltraining, Schultertraining, Armtraining, Beintraining. Dazu Physio- und Ergotherapie, Turnübungen, Bewegungsübungen im  Hallenbad. Hat mir gut getan, sagt Herr Schiffer. Am Ende haben ihm die Ärzte die Tauglichkeit bescheinigt, zum Autofahren und Wiederarbeiten.

Elf Säcke Fertigbeton - ganz alleine

Gestern, sagt Herr Schiffer, bin ich in  den Baumarkt gefahren, wir brauchten Fertigbeton für die Poolterrasse,  elf Säcke, 25 Kilogramm jeder davon. Habe ich  alle alleine in den Wagen geladen. Und nicht mal den Stock gebraucht. Ab  Juni will er, kaufmännischer Ausbilder von Beruf, dann auch wieder ins Büro. Eine Woche lang drei Stunden pro Tag, dann fünf, dann sieben, dann voll. 

Schifferreha

Laufen, Anziehen, Flaschen öffnen - alles musste Schiffer erst wieder lernen.

Mal testen, was geht.

In der Reha, sagt Herr Schiffer, habe ich viele Leute gesehen, die total antriebslos waren. Die gesagt haben: Ich schaffe das nicht, ich kriege das sowieso nicht hin. Aber so kommt man nicht weiter, sagt Herr Schiffer. Man hat zwei Möglichkeiten: Auf der Couch sitzen oder halt machen. Ich habe mich für die zweite Option entschieden und bereue nichts.

Er will der neue Alte werden

Er wollte ja immer wieder der Alte werden. Ist er nicht geworden. Sondern der neue Alte, sagt Herr Schiffer.  Ich will’s nicht mehr immer allen Recht machen. Neulich hat sich der Tag gejährt, als er ins Koma gelegt wurde. Ich war froh,als sich der Tag gejährt hat, an dem ich wieder aufgeweckt wurde, sagt Herr Schiffer. An seinem Hals  sieht man noch die Narbe vom Luftröhrenschnitt. „Andenken“ sagt er. Es gibt vieles, das mich daran erinnern. Aber irgendwann muss man  abschließen. Nur vergessen geht nicht.

Schifferwiese

Wolfgang Schiffer ist nicht mehr der Alte. Er ist der neue Alte, sagt er.

Herr Schiffer sagt, das wichtigste sind Ziele. Vorwärts leben. Nicht rückwärts denken. An Karneval will er wieder auf der Bühne stehen, Musik machen. Und in den kommenden Tagen, da will er mal versuchen, wieder Fahrrad zu fahren.

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